Der harte Mann des deutschen Hip-Hops sorgte früher für Skandale, heute weint er in "Bushido & Anna-Maria: Alles auf Familie" vor der Kamera. Über einen überraschenden Image-Wechsel.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Neulich im Aufzug einer grossen Münchner Zeitung. Zwei junge Frauen unterhalten sich. Sagt die eine: "Ich muss heute Abend zu Bushido in die Olympiahalle." Sagt die andere: "Den gibts noch?" Was so ziemlich den Status vom einstigen deutschen Gangster-Rap-König für die Generation Z zusammenfasst.

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Acht Jahre war Bushido nicht auf Tour, das letzte Album liegt zwei Jahre zurück, was im aktuellen Musik-Business Ewigkeiten sind. Angehende Popstars batteln sich nicht mehr in Jugendzentren, sie werden vom Algorithmus von TikTok geformt. Die junge Frau wird nach dem Besuch des Konzerts ihren Artikel mit "Papa oder Gangster?" überschreiben und davon berichten, dass Bushidos Kinder ebenso Teil des Programms waren wie die inflationäre Verwendung eines Schimpfwortes für Frauen.

Bushido erfindet sich als Reality-Star neu

Das hätte man vor ein paar Jahren nicht für möglich gehalten. Wir erinnern uns: Bushido, das war der Musiker mit Anklagen wegen Körperverletzung, Steuerhinterziehung, Versicherungsbetrug und Beleidigung. Mit Texten, die wegen Sexismus, Homophobie, Rassismus und Antisemitismus in der Kritik standen. Und da war noch etwas: Seine Verbindungen zum organisierten Verbrechen.

Im Februar ging der Prozess Bushidos gegen seinen ehemaligen Manager Arafat Abou-Chaker zu Ende, einem Berliner Clan-Chef. Bushido warf ihm Erpressung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung vor, doch nach dreieinhalb Jahre Verfahren wird Abou-Chaker von den Hauptvorwürfen freigesprochen. Schlecht für Bushido, noch schlechter für sein Gangster-Image, für das die Nähe zu echten Gangstern lange Zeit verkaufsfördernd war.

Also erfand sich Bushido als Reality-Star neu. Oder besser gesagt: Seine Frau Anna-Maria, Influencerin und Schwester von Sängerin Sarah Connor, übernahm das. Für ihn, für sich selbst und für die gemeinsamen sieben Kinder. Auf Instagram, im gemeinsamen Podcast und in der zweiten Staffel von "Bushido & Anna-Maria: Alles auf Familie" des Streaming-Angebots von RTL, von der der TV-Sender am Donnerstagabend eine zweistündige Zusammenfassung sendete.

Vater, Rapper, Reality-Star

Dass die neue Rolle dem einstigen Gangster-Rapper mit acht Nummer-Eins-Alben, Spiegel-Bestseller und Kino-Verfilmung nicht ganz so leicht fällt, ist in "Bushido & Anna-Maria: Alles auf Familie" nicht zu übersehen. In der ersten Hälfte der Zusammenfassung sitzt Ferchichi grummelig in der neuen Heimat Dubai vor der Kamera und beschwert sich darüber, dass sich alle anderen ständig beschweren. Die Hitze in der arabischen Stadt, die Wohnung, irgendwann fängt er sogar mit dem Redakteur hinter der Kamera an zu diskutieren, ob er nun "aufgestöhnt" habe oder nicht.

Eine Reality-Doku ist aber nur so gut wie ihr Tränen-Faktor, also müssen auch in "Bushido & Anna-Maria: Alles auf Familie" die schmerzhaften Themen vor die Kamera. Für die Ferchichis ist das die Drillings-Schwangerschaft von Anna-Maria, über die das Paar schon in der ersten Staffel berichtete. Bei einer der Mädchen wird im Mutterleib Triploidie diagnostiziert, eine Genmutation, die in den meisten Fällen zu einem frühen Tod führt.

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Einer der behandelnden Ärzte schlägt vor, das Kind vor der Geburt zu töten. Anna-Maria Ferchichi weint, Bushido auch, am Ende kommt die Tochter Amaya zur Welt und das Kind ist gesund. Erleichterung auf allen Seiten.

Wenige Momente später, kompletter Szenenwechsel, Bushido ist beim Video-Dreh zu sehen, Thema des neuen Songs ist "einer der verlogensten dreckigsten Rapper". Gemeint ist der ehemalige Label-Kollege Capital Bra, der wiederum in seinem Diss-Track "Ja Capi" über Bushido herzog. Da ist er dann plötzlich doch wieder: Bushido, der Gangster-Rapper. Kommerziell gelohnt hat es sich: Sein Song "Dark Knight" landet auf Platz acht der deutschen Charts.

Image-Pflege und Werbeshow

Es ist der Auftakt einer längeren Passage zum musikalischen Comeback von Bushido, der anstehenden Stadion-Tour, die die letzte sein soll, dem Zaudern, dem Zweifel, ob die Hallen gefüllt sein werden und noch mehr Tränen. Sein Comeback feiert er bei einem Konzert von Rapper Shindy und die Kamera ist ganz nah dran. Bushido steht da, ist nervös und freut sich, dass seine Kinder dabei sind, er seine Frau küssen kann, bevor er auf die Bühne geht. Früher stand dort eine Traube harter Typen, die Gangster spielten oder es im schlimmsten Fall wirklich waren.

Zu beweisen, dass Bushido nicht mehr dieser Mann ist, ist wohl die Hauptaufgabe dieser Doku-Soap. Geld verdienen will er damit trotzdem noch. Der Rapper war einst äusserst erfolgreicher Musiker, heute ist er vor allem Reality-Star.

Früher verdiente er mit seinen Alben Millionen, seit einigen Jahren vor allem mit der Kommerzialisierung seines Privatlebens. "Bushido & Anna-Maria: Alles auf Familie" ist das Format, das alles zusammen führt. Wie viel davon "echt" ist, ist wie bei all diesen Sendungen sekundär. Hauptsache, die Quote stimmt. Nur musikalisch relevant ist das schon lange nicht mehr.

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