Der Roman gewordene Tabubruch "Feuchtgebiete" ist ein sicherer Kinoerfolg - dafür werden die ekligen Szenenbilder und der fest eingeplante Aufschrei der Boulevardpresse schon sorgen. Mehr als eine Million Leser haben sich durch das Leben der von Hämorrhoiden geplagten und auf Hygiene pfeifenden Helen Memel gequält. Jetzt feiert der Film "Feuchtgebiete" seine Premiere und liefert eine faustdicke Überraschung: Der Film ist gut geworden - vor allem dank Hauptdarstellerin Carla Juri.
Helen Memel schert sich nicht um Hygiene. Das macht sie gleich zu Beginn von "Feuchtgebiete" in einer Szene deutlich, die den Zuschauer darauf einstimmt, was ihn in den nächsten gut eineinhalb Stunden erwartet. In der vermutlich dreckigsten öffentlichen Toilette der Welt erfreut sich die Erzählerin an angetrocknetem Urin und verklebten Haaren auf der Klobrille - perfekte Zutaten, um ihre Mutter zu widerlegen, für die Hygiene die Grundlage für Gesundheit ist. Denn egal, was sie ihrem eigenen Intimbereich auch zumutet, ernsthaft krank wurde Helens Unterleib bislang nie.
Das ändert sich aber, als sich Helen bei der Analrasur versehentlich selbst an den Hämorrhoiden verletzt und ins Krankenhaus muss. Ganz ungelegen kommt ihr der Aufenthalt in der Klinik in doppelter Hinsicht nicht: Zum einen kann sie so wertvolle Zeit mit dem süssen Pfleger Robin verbringen, zum anderen könnte sich am Krankenbett der Tochter ja die sehnlichst erwünschte Versöhnung von Helens geschiedenen Eltern ergeben.
Egal, ob man das Buch gelesen hat oder nicht - wer eine Karte für "Feuchtgebiete" kauft, der weiss, was ihn erwartet. Und Regisseur David Wnendt (sieht aus wie ein Tippfehler, ist aber keiner) gibt dem Zuschauer kaum Zeit zur Erholung. Zwischen blutigen Analfissuren, einem Exkurs über die unterschiedliche Beschaffenheit von Smegma (ruhig mal nachschlagen) bis hin zu einer Pizza mit viererlei Sperma als "Topping" erspart er uns gar nichts.
Und dennoch ist der Film mehr geworden als nur eine Mutprobe für Halbstarke darüber, wer als Letzter wegschaut. Das liegt vor allem an seiner Hauptdarstellerin Carla Juri, die sich furchtlos in die Rolle stürzt und bei all der Selbstentblössung nie ihre Würde verliert. Die Schweizerin schafft es, Helen Memel zu einer Figur zu machen, die dem Zuschauer am Herzen liegt und deren Schicksal ihn wirklich interessiert. Und gerade weil alle Welt das Buch schon kennt, ist diese Leistung umso beachtlicher.
Den Aufschrei der Presse wird es natürlich geben, das haben die Filmemacher mit einigen sehr expliziten Szenen sichergestellt. Und wer sich leicht ekelt, der ist hier definitiv fehl am Platz. Aber das Motto hat Charlotte Roche in ihrem Roman ja schon ganz klar vorgegeben: "Wenn man Schwänze, Sperma und andere Körperflüssigkeiten ekelhaft findet, dann kann man es mit dem Sex auch direkt bleiben lassen." Für den Kinobesuch gilt das Gleiche.
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