Ein Bäckereibetreiber liegt erdrosselt am Ufer des Elsterbeckens. Vor Jahren hat er ein kleines Mädchen überfahren. Mit moderner 3D-Kriminaltechnik und aussergewöhnlichem Einfühlungsvermögen macht sich ein kongeniales Team auf die Suche nach dem Mörder – in der ersten Folge der neuen ZDF-Krimireihe "Das Quartett".

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Krimis lassen sich ja ganz gut danach unterteilen, wie ihre jeweiligen Ermittler zusammenarbeiten. Es gibt die Kabbel-Kommissare, die kein Staubkorn unkommentiert lassen können – der Münsteraner "Tatort" ist das klassische Beispiel.

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Oder es gibt die kummervollen Empathen, die einen Fall so wortkarg ergründen, als würde jede Silbe zur Erderwärmung beitragen. Dazu gehören viele skandinavischen Krimis. Nun gibt es "Das Quartett" – eine neue Serie, in der das ZDF vier Kommissare Mordfälle in Leipzig lösen lässt.

"Das Quartett" gehört in die Sparte Killer-WG: Vier ziemlich coole Ermittler, die die Suche nach Verbrechern als dermassen eingespieltes Team betreiben, dass ihre Arbeit was von Wohngemeinschaft hat – inklusive grossem Versammlungstisch in der Büro-Küche, an dem Essen und Ergebnisse gleichermassen geteilt werden. Sogar einen therapeutischen Wuschelhund gibt es, der als Ausgleich zu den Grausamkeiten friedlich und niedlich vor sich hin hechelt.

"Das Quartett": Um wen und was geht es?

Leiterin ist Maike Riem (Anja Kling), allerdings ist sie weniger Chefin als vielmehr ruhender Pol, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Sie ist es, die Pia Walther (Annika Blendl) beruhigt, wenn die aufbrausende Kollegin wieder besorgniserregend schnell die Waffe gezogen hat. Oder die mit Christoph Hofherr (Shenja Lacher) philosophiert, weil der Familienvater mit den moralischen Fragen, die ein Fall aufwirft, nicht gern alleine hadert.

Regelmässig muss Maike auch die Normalsterblichen der Leipziger Polizeiinspektion beruhigen, die von der stoischen Selbstsicherheit des vierten Quartettmitglieds, Linus Roth (Anton Spieker), nicht besonders begeistert sind. Linus ist der Technikexperte des Teams, in seinem Spezialgebiet, der 3D-Fotografie, besonders gut und allein in seinem Labor besonders zufrieden.

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Wie bei Krimis mit starken Ermittlerfiguren üblich, geht es im "Quartett" nur am Rande um das Opfer. Das ist in der ersten Folge ("Der lange Schatten des Todes") der Bäckereibetreiber Franko Bleich, der eines kühlen Herbstmorgens erdrosselt am Leipziger Elsterbecken liegt.

Zu den Verdächtigen gehören neben seiner Exfrau und seiner Lebensgefährtin zwei Nachbarn, ein schmieriger Anwalt und ein "Früher-war-alles-besser"-Haudegen, die Bleich für einen Kinderschänder hielten. Warum? Weil er die Kinder der Nachbarschaft zum Schwimmen und Kuchenessen einlud. Und dann ist da Jana Grimm, deren dreijährige Tochter Bleich vor fünf Jahren überfahren hat. Seitdem geistert die Mutter selbst wie eine Tote in langen Gewändern einsam durch ihr Haus.

"Das Quartett"-Drehbuch stammt von den "München Mord"-Autoren

Das Drehbuch stammt vom renommierten Autorenpaar Friedrich Ani und Ina Jung, das sich auch für die Samstagabendkrimireihe "München Mord" des ZDF die Geschichten ausdenkt. Regie führt Vivian Naefe. Das bedeutet: solide Krimiware, bei der nichts schrecklich und alles sehr schön anzusehen ist.

"Das Quartett" geht sogar richtig cool los – ja, "cool" ist das Wort, das man anfangs ständig benutzen möchte, angesichts der Leipziger Dunkelheit, in der der Film startet, der Schweigsamkeit, mit der das Team seine Ermittlungen beginnt, der kargen grauen Küche im Beamten-Bauhausstil. Dort können die vier dank Linus‘ Aufnahmen mit Hilfe einer VR-Kamera den Tatort einzeln und in Ruhe noch einmal begehen, und jedem fällt etwas anderes auf.

Und wenn sie Verdächtige vernehmen – wie Bleichs Freundin Esther – spricht nur einer und der andere hört genau zu, sieht genau hin. Das ist nicht nur eine effektive Verhörmethode, sondern vor allem echte Teamarbeit, die ohne dramatische Gesten auskommt.

Auch bei "Der lange Schatten des Todes" schlägt der ZDF-Hammer zu

Aber es ist eben doch ein Samstagabendkrimi im ZDF, hier werden Zuschauer gerne mal für ein bisschen dumm oder zumindest faul gehalten. Dann schlagen die Holzhammer zu:

Dass Pia so getrieben wirkt, hat zum Beispiel damit zu tun, dass sie ihre grosse Liebe verloren hat. Das erklärt Maike einem Kollegen – also uns, dem Zuschauer – inklusive passender Küchenpsychologie. Über Franko Bleich wissen wir, dass er köstliche Kuchen backen konnte und sich nie bei Jana Grimm für den Unfall ihrer Tochter entschuldigt hat. Was sonst noch wichtig über ihn ist, dürfen wir uns nicht selbst zusammenreimen. Das erklärt uns die trauernde Esther, indem sie bei zu viel Wein das Foto ihres toten Lebensgefährten anschreit.

"Der lange Schatten des Todes" hätte eine melancholische Geschichte über Schuld und Vergebung sein können, über das innere Sterben von Hinterbliebenen und die Qualen bedingungsloser Liebe.

Stattdessen werden Täter und alle Opfer (nicht nur die toten!) auserzählt, als seien Motive und Gefühle leblose Beweisstücke, die mit der Lösung eines Falles in der Asservatenkammer weggeschlossen werden.

Neue Serie ist hervorragend besetzt - und hat Potential

Dabei gehört das Quartett nicht in einen Erklärkrimi. Bei diesen vieren will man möglichst lange neugierig sein und eben nicht alle Fragen beantwortet bekommen. Zum Glück zeigt die erste Folge das Potential der Serie.

Ganz nebenbei bekommen wir Einblicke in die Eigenheiten der Ermittler. Maike hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann und muss offenbar nach jeder Leiche ins Hamam, um sich den Schmutz der Welt im türkischen Bad von der Haut schrubben zu lassen. Christoph scheint Halt an seinem silbernen Kettenanhänger zu suchen und spricht fliessend Russisch. Linus fordert immer den Platz am Steuer, sitzt nie auf der Passagierseite, auch wenn es gar nicht sein eigenes Auto ist.

Sehr elegant ist das gemacht, die Besetzung ist hervorragend, Kling, Blendl, Lacher und Spieker machen nicht viel Aufhebens um ihre ungewöhnlichen Figuren, und die Kamera guckt ihnen ganz lakonisch zu, getreu der Devise, dass gute Stories zeigen, nicht erklären. Mal sehen, was es noch zu entdecken gibt – die zweite Folge "Das Quartett" wurde gerade gedreht.

"Das Quartett", ZDF, Samstag, 12.10., 20.15 Uhr
In der Mediathek ab Freitag, 11.10., 10 Uhr
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