Schon ein halbes Jahr vor der TV-Ausstrahlung sorgt David Schalkos "'Dallas' für Geistesgestörte" für Furore. Zunächst auf DVD und im Internet veröffentlicht, porträtiert die Mini-Serie "Altes Geld" eine kaputte Milliardärsfamilie, die rachsüchtiger, skrupelloser und verkorkster kaum sein könnte. Wir haben den Regisseur zu Satire, Nazis und dem Bösen in "Altes Geld" befragt.
Herr Schalko, wie würden Sie den Kern der Familiensaga "Altes Geld" beschreiben?
David Schalko: Die Familie als Zelle des Bösen.
War "Altes Geld" immer als Serie konzipiert?
Ja.
In der Geschichte blitzen hier und da einige moderne Elemente auf – zum Beispiel wird Facebook mehrfach erwähnt. Ansonsten ist die Story, abgesehen von der Nazivergangenheit der Familie, recht losgelöst von einer bestimmten Zeit. Sehen Sie "Altes Geld" als zeitlose Geschichte, oder ist die Serie für Sie ganz konkret mit der Jetztzeit verbunden?
Die Geschichte spielt schon im Heute. So reiche Menschen haben nur kaum Kontakt mit technischen Hilfsmittel, weil das andere für sie erledigen.
Der schwarze Humor der Serie thematisiert Nazis und den Holocaust, Inzest und Integrationsprobleme. Es tauchen Handschuhe aus Menschenhaut auf, an einer Figur wird eine Lobotomie durchgeführt. Gibt es Grenzen, was Satire anpacken darf?
"Altes Geld" ist keine Satire. Satire kommt von Spott, und damit hat diese Serie nichts zu tun. Und es darf in keiner Erzählform von aussen gesteckte Grenzen geben. Alles muss immer denkbar sein dürfen.
In der Welt von "Altes Geld" scheint es nur skrupellose, kaputte und anderweitig "beschädigte" Menschen zu geben. Wie finden Sie die Menschlichkeit dieser Figuren?
Seit wann sind Beschädigung und Menschlichkeit widersprüchliche Begriffe? Ich kenne nur beschädigte Menschen. Ich empfinde alles andere als unmenschlich.
Ausgerechnet der allen verhasste Patriarch ist die sympathischste Figur - und wird ausgerechnet von Udo Kier gespielt, der ja eher selten als Sympathieträger eingesetzt wird. Trägt seine Figur, von der quasi alles Schlechte in der gezeigten Welt ausgeht, die grössten Ambivalenzen in sich?
Jede Figur trägt alle Widersprüche des Lebens in sich. Das unterscheidet Karikaturen von Charakteren. In jedem steckt alles Menschliche. Wen und ob man das sympathisch oder unsympathisch findet, das bleibt jedem selbst überlassen. Für mich spielt das keine Rolle.
Das Schauspielensemble umfasst beinahe ein "Who's who" aus Deutschland und Österreich. Hatten Sie beim Schreiben schon gewisse Schauspieler im Kopf?
Ich habe von fast allen gewusst, was sie spielen werden. Das hilft beim Schreiben enorm.
Wie haben Sie mit Ihren Schauspielern die Figuren geformt? Haben die Darsteller ihre Charaktere mitgestaltet?
Ein Schauspieler gestaltet immer seinen Charakter selbst. Es ist eher der Regisseur, der mitgestaltet. Je klarer die Charaktere in den Büchern gezeichnet sind, desto freier ist letztendlich der Schauspieler.
Selbst kleine Rollen sind mit namhaften Schauspielern besetzt, zum Beispiel Christian Tramitz als perverser Geschäftsreisender, oder Ulli Lommel, den man inzwischen selten sieht, als Doktor. Gab es Schauspieler, die Sie gerne zum Projekt geholt hätten, bei denen es aber nicht geklappt hat?
Nein.
"Altes Geld" wird mit einem modernen und ungewöhnlichen Konzept vermarktet: Die Serie erscheint erst als DVD und Video-on-Demand und läuft dann erst viel später im Fernsehen. Wie kam es zur Entscheidung, die traditionellen Vertriebsstrukturen umzukehren?
Wir haben das schon bei "Braunschlag" gemacht. Und es entspricht durchaus einem modernen Fernsehverhalten.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Vermarktungsmethode gemacht? Wird das Fernsehen vielleicht bald zweitrangig in der Verwertung?
Was ist das Fernsehen? Das Fernsehen ist ja nicht nur ein Kastl, aus dem es flimmert, sondern ein Sender hat auch eine Herausgeber- und Produzentenfunktion. Auf die kommt es an. Ob das jetzt aus dem Fernseher, aus dem Laptop oder dem Tablet kommt, ist letztendlich egal.
Das Schicksal einiger Figuren bleibt offen, die Familientradition wird weitergeführt – sind Fortsetzungen der Geschichte angedacht?
Nein. Alles bleibt Andeutung.
Was steht bei Ihnen als nächstes Projekt an?
Ein Theaterstück im Schauspiel Köln namens Kimberly, das am 11. Dezember Premiere hat.
Herr Schalko, haben Sie vielen Dank!
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