Nachdem die letzte Tanzshow von ProSieben – "Got to dance" mit Palina Rojinski – floppte, versucht sich der Sender seit Freitagabend an einem neuen Format der Kategorie "Wettbewerbe im Fernsehen austragen". Bei "Deutschland tanzt" treten mehr oder weniger prominente Stars und Sternchen live in einer Olympiade der Bundesländer gegeneinander an, so ähnlich wie einst bei Stefan Raabs "Bundesvision Song Contest". Wer gewinnt, entscheiden die Zuschauer. Und moderieren darf mal wieder Lena Gercke.
Unterstützt wird das moderierende Model bei "Deutschland tanzt" von Comedian Ingmar Stadelmann. Ob der für den Spassfaktor sorgt? Wohl kaum. Er fällt zwar durchweg auf – aber nur mit Witzen, bei denen nicht mal das Publikum lacht.

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Ebenfalls Teil des Konzepts sind die Experten und Tänzer Nikeata Thompson und Roman Frieling. Nachdem jeder Prominente mit einem Einspieler vorgestellt wird und das Tanzbein schwingt, "beurteilen" die beiden Choreographie nebst Auftritt und sind dabei auf gute Laune und Lob programmiert.

Tolle Tänze, einstudierte Emotionen und permanente Perfektion

Den Anfang macht die ehemalige "Germany's Next Topmodel"-Kandidatin Taynara Wolf, die für Hessen antritt. Mit einer Schar Profitänzer gibt sie die Sambaqueen und teilt danach allen aufgeregt mit: "Der Tanz war für Euch, für Hessen, ich hab' Euch alle lieb!"

Furchtbar lieb sind auch die Experten. "Das war perfekt, vielen Dank!", stellt Nikeata begeistert fest - und die Welle der Begeisterung reisst fortan nicht mehr ab.

Nacheinander kommen "Verbotene Liebe"-Star Nils Brunkhorst für Rheinland-Pfalz, Sängerin Fernanda Brandao für Hamburg, Ex-Bachelor Jan Kralitschka für Sachsen-Anhalt, die ehemalige Turnerin Magdalena Brzeska samt Tochter für Baden-Württemberg und Entertainer Wolfgang Lippert für Mecklenburg-Vorpommern auf die Bühne.

Was der Zuschauer als "Kritik" zu hören bekommt, ist so ermüdend wie die Aufzählung der Teilnehmer. "Fernanda, das war spitze!", "Ihr seid wirklich technisch so versiert!", "Ich liebe es!", "Gänsehaut!"

Selbst als Wolfgang Lippert im Kapitänskostüm zu Jan Delay den grobmotorischen Tanzbär gibt, fasst Nikeata zusammen: "Ich freu' mich Wolfgang, dass du dich an Hip Hop rangetraut hast." Und Roman Frieling ergänzt: "Er ist nicht der perfekte Tänzer, aber Entertainer."

Letzte Aussage wirkt besonders grotesk und wenig authentisch wenn man weiss, dass Frieling 2012 bei der RTL-Show "Let's dance" durch bösartige Kommentare auffiel, die selbst Jury-Fiesling Joachim Llambi alt aussehen liessen.

Zur heute 70-jährigen Sängerin Gitte Hænning sagte er damals spöttisch: "Wenn andere in deinem Alter auf dem Friedhof spazieren gehen, überlegen sie, ob das nach Hause gehen noch lohnt!" Bösartig? Der? Kaum zu glauben.

Nur eine macht Eindruck – ausgerechnet, weil sie tanzt, obwohl sie gehörlos ist

Hip-Hop-Tänzerin Kassandra Wedel tritt für Bayern an – authentisch, beeindruckend. So, dass man zuschauen möchte. Indem sie den Bass der Musik spürt, folgt sie dem Rhythmus. Zum ersten Mal kann der Zuschauer für einen Moment die Entzückung der Experten teilen. "Immer auf den Punkt, immer im Takt." Leider währt dieser Moment zu kurz.

Mit Model Shermine Shahrivar, "Tatort"-Kommissarin Elisabeth Brück, "Supergeil"-Darsteller Friedrich Liechtenstein oder Xenia Prinzessin von Sachsen tänzelt die Sendung weiter von Minikritik zu Lobeshymnen.

Die ergiessen sich dann bei Yared Dibaba und Avelina Boateng ins Pathetische. Janin Ullmann – besser bekannt als Janin Reinhardt und ehemalige VIVA-Moderatorin – tanzt für Thüringen und hat, Überraschung, alles richtig gemacht.

Schauspieler Peer Kusmagk bringt seine Partnerin Janni Hönscheid mit, die er nackt bei der RTL-Sendung "Adam sucht Eva" kennen und lieben gelernt hat. Bei "Deutschland tanzt" bringen die zwei ganz viel Liebe auf die Bühne. Diesmal haben sie zum Glück etwas an.

Berufsblödler Oliver Pocher parodiert Donald Trump

Einer hat schon im Vorfeld grosses vor: Oliver Pocher. In seinem Einspieler bringt er sein Vorhaben auf den Punkt. "Für mich war immer Parodie der grosse Ansatz." Dieses Versprechen will er halten.

Verkleidet als Donald Trump macht er das, was er am besten kann: Herumblödeln. Überraschenderweise tanzt er dabei sogar.

Das Ergebnis ist, wie immer, eine ekstatische Nikeata und ein strahlender Roman. "Oliver Pocher hat geliefert!" Der macht sich aus seinem Aufruf für das Publikum noch einmal einen Spass. "Please vote for me everybody!"

Abstimmung nach Grand Prix Manier

Die Leitungen sind frei, die Zuschauer dürfen wählen. Das zieht sich gefühlt so lange hin wie die US-Wahl - mit einem Unterschied: Es ist nicht halb so spannend.

Vier Bundesländer werden nach Punktevergabe eliminiert – und das dauert. Die Live-Schaltungen zu den Moderatoren in alle Bundesländer ziehen sich wie 16 langsame Walzer. Reihum wird betont, wie bombastisch die Stimmung und wie fantastisch die Sendung ist.

Aus Nordrhein-Westfalen meldet sich gar eine Moderatorin umgeben von Jecken mit bunten Hüten zur Punktevergabe. Karneval? Ehrlich? Die Dame in Bayern steht angeblich auf einer Alm. Selbstverständlich tragen alle Dirndl und Lederhosen.

Die schunkelnde Menschentraube hinter dem Moderator in Brandenburg wirkt wie eine Gruppe verkleideter Statisten. Ja, authentisch ist irgendwie anders.

Oder ist die Sendung vielleicht nur eine Parodie auf all die anderen Shows im deutschen TV? Wiederholt sich das jetzt bis zum grossen Finale am 26. November? Wie auch immer. Am Ende schafft es Oliver Pocher alias Donald Trump für Niedersachsen zumindest für diese Folge auf den ersten Platz. Aber die Mission "Make TV great again" ist bei "Deutschland tanzt" leider gescheitert.

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