Es gilt, die schönste Frau Deutschlands zu finden. Egal ob dick, dünn, jung oder alt. Und wer könnte das besser als Guido Maria Kretschmer? Die Frage, die sich beim Betrachten seiner neuen Show aber unweigerlich stellt, ist: Warum muss dabei so viel geheult werden?

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Guido Maria Kretschmer - der Mann, den alle Frauen lieben. Doch der Designer hat ein Problem. Beziehungsweise RTL. Abseits von "Shopping Queen" auf Vox ist der Sendergruppe bisher kein Format eingefallen, das die Beliebtheit des Designers in Einschaltquoten umwandeln konnte. Seine Auftritte in "Das Supertalent" - eher farblos. Seine eigene Show "Hotter Than My Daughter" - so katastrophal wie der Titel.

Nun startet der Kölner Sender einen neuen Versuch: "Deutschlands schönste Frau" heisst das Format, in dem 20 Kandidatinnen in sechs Folgen um Kretschmers Gunst kämpfen. Eigentlich eine Steilvorlage für den Designer: Ob alt, jung, dick, dünn - in der Show ist alles dabei. Und keiner hat es im deutschen Fernsehen schliesslich bisher so spielerisch geschafft, Frauen gleichzeitig zu beleidigen und von ihrer eigenen Schönheit zu überzeugen.

Bereits 2013 kündigte RTL zum ersten Mal die Mischung aus "Germany's next Topmodel" und "Der Bachelor" an, am Mittwochabend zeigte der Sender die erste Folge. Und die ist leider ein Desaster. Das ist nicht einmal Kretschmers Schuld. Der tut das, was er immer tut. Am rechten Bildrand sitzend, kommentiert er den Einzug der Frauen in die Villa auf Mallorca. Alexandra, von Beruf "Meerjungfrau". Ja, wirklich. Britta, Polizistin, gefangen im Körper eines Playboy-Häschens. Olga, Bodybuilderin, im Gepäck einen Koffer voller Proteine. So weit, so skurril.

"Schicksale" überall

Doch es dauert nicht lange, bis es ganz RTL-typisch mit den "Schicksalen" losgeht. Sam wurde in ihrer Jugend gemobbt, sie hat kreisrunden Haarausfall. Ramona bekam ihr erstes Kind mit 15 Jahren, ihren eigenen Vater hat sie nie gekannt, ihre Mutter ist Alkoholikerin. Ihr zweiter Mann spielte und verprügelte sie. Sie weint als Erste. Vanessa heult hinterher, sie hat eine doppelte Verkrümmung der Wirbelsäule, die sie zwang, jahrelang ein Korsett zu tragen. Kretschmer sagt: "Sie ist wunderschön und ein feiner Mensch." Womit er wahrscheinlich Recht hat. Die Sendung macht dieser hehre Gedanke nicht besser. Nach nicht einmal 45 Minuten hat bereits die Hälfte der Teilnehmerinnen geweint.

Diese Spur der Tränen zieht sich durch zwei Drittel der Sendung. Und wenn die Frauen nicht aus Gram heulen, dann bringt sie Kretschmer dazu, aus Rührung Tränen zu vergiessen. Etwa, als sie sich, hinter einer Schattenwand sitzend, einem Phantomzeichner beschreiben müssen. Und dann im Vergleich sehen, wie Kretschmer sie wahrnimmt und porträtiert. Sie sagen dann Sätze wie: "Er sieht die Klarheit und Schönheit in mir" und "Du kannst mich besser beschreiben als ich mich selbst". Dann wird sich gedrückt und, natürlich, geheult. Dazu jault die Musik wenig subtil: "Beautiful Girl".

Mehr Selbstbewusstsein durch Nacktbilder

So zieht sich das über fast zwei Stunden. Immer wieder unterbrochen von Kretschmer, der Mantra-artig "Du bist schön" herunterleiert. Die eigentliche Frage, die sich nach Betrachten der neuen Show des Designers aber unweigerlich stellt, ist: Wie schlecht ist es eigentlich um deutsche Frauen bestellt? Beziehungsweise: Das Frauenbild, das uns RTL hier vermittelt, ist nicht gerade schmeichelhaft. kein Selbstbewusstsein, schreckliche Kindheiten und zu allem Überfluss auch noch die Teilnahme an diesem Format – das kann doch nicht wahr sein.

Der Designer hat sich mit "Deutschlands schönste Frau" auf jeden Fall keinen Gefallen getan. Bisher gilt er im deutschen Fernsehen noch als Saubermann. Das dürfte sich jetzt ändern. Sein Mittel, um das Selbstbewusstsein der Frauen in der Show aufzubessern, ist unter anderem ein Nacktshooting. Allerdings nur für die Teilnehmerinnen unter 30. Alle darüber schiessen Selfies. So viel zu "Jede Frau ist schön". Passend dazu wirbt in den Werbeblöcken ausschliesslich die Beauty-Industrie. Inklusive Kretschmer, der den "perfekten BH" anpreist.

Die letzte halbe Stunde widmet DsF genüsslich der Lästerei. Wie bei "Big Brother" nominieren sich die Damen gegenseitig. Und beweisen eindrucksvoll, dass nicht nur jede Frau schön ist, sondern auch ganz schnell zur Zicke werden kann, wenn es darum geht, das eigene Bild auf das Werbeplakat eines Unterwäschelabel zu bekommen. Denn das ist der Preis für das ganze durchlittene Fernsehelend. "Unsere Frauen sind auf einer Reise", sagt Kretschmer irgendwann in diesen fast zwei Stunden. Damit hat er Recht - leider ist es nur ein übler Pauschaltrip zum Ballermann.

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