Wenn Dieter Bohlen sich als künftigen Kanzlerberater ins Spiel bringt, ist das wunderbar komisch, in Zeiten wie diesen aber leider nicht einmal abwegig. Natürlich hat auch Stefan Raab in seinem Format "Du gewinnst hier nicht die Million" das für Humoristen überaus dankbare Angebot des DSDS-Jurors an CDU-Chef Friedrich Merz aufgreifen müssen. In seinem Versuch, sich darüber lustig zu machen, scheitert er aber gewaltig. Am Ende wird’s für Raab in einer seiner Domänen auch noch peinlich.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Robert Penz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nachdem den bisherigen Kandidaten im Kampf gegen Stefan Raab kein grosser Erfolg beschieden war, stehen die Chancen für Kandidat Axel ja ganz gut. Der darf heute schon zum dritten Mal beim Show-Comebacker des Jahres auftauchen und wünscht sich natürlich, von Raab alimentiert zu werden. Dafür muss er aber auch performen.

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Aber der Reihe nach. Zunächst plant Raab wieder einmal, die Lachmuskeln seines Publikums zu trainieren. Stand-up war angesagt.

Erstes Thema: Spindoktor Bohlen

Ein gestandenes Dieter-Bohlen-Bashing hat bei Raab und im Grunde auch bei allen anderen ja immer Saison. Wenn der Pop-Titan, der diesen Beinamen übrigens einst von der "Bild" bekam, was verrät, musst du als Entertainer natürlich zuschlagen. Zunächst: Dass Olaf Scholz auch den nächsten Bundeskanzler Deutschlands geben wird, kann ausserhalb der SPD niemand mehr so recht imaginieren.

Ungleich bessere Chancen scheint wohl CDU-Chef Friedrich Merz zu haben, der sich jetzt schon ein paar Gedanken über ein paar Spindoktoren und Konsulenten machen könnte. Wo sich Bohlen, auf dessen weihnachtlichem Wunschzettel offenbar "Ich möchte der deutsche Elon Musk werden" steht, für einen Beraterposten bei Merz ins Spiel gebracht hat. "In Sachen Bräunungscreme ist Bohlen eigentlich eher der deutsche Donald Trump", so Raab, der aus dem sensationellen Offert Bohlens offenbar wenig rausholen kann.

"Und damit sich keiner hier in die soziale Hängematte legt, wird das Bürgergeld künftig nur noch in alten 'Modern Talking'-Platten ausbezahlt. Oder noch schlimmer: in neuen 'Modern Talking'-Platten", malt Raab dann auch noch erste Szenarien, die in seiner ersten Phase als Entertainer vermutlich auch spassiger ausgefallen wären.

Aber nicht lange bei schlechten Pointen verweilen und lieber zu Kai Pflaume übergehen. "Pärchen vögelt Hähnchen-Wagen kaputt", zitiert Raab jetzt eine Headline der "Bild", unter der kürzlich stand, dass ein junges Paar an einem Feiertag auf einem Imbisswagen in den erotischen "Nahkampf" gegangen sei. "Der Schaden beläuft sich auf 10.000 Euro. Die Polizei fahndet nach diesem Stöhnen hier", sagt Raab, der daraufhin den nach Atem ringenden Kai Pflaume nach dem Sport zeigt. Auch als Zuseher bleibt einem ob der schlaffen Raab-Pointe jetzt die Luft weg.

"Du gewinnst hier nicht die Million": Spiel nach Pistorius-Versprecher

Eine Spur weniger übel wird der Stand-up-Part von "Du gewinnst hier nicht die Million", als Raab einen Versprecher von Verteidigungsminister Boris Pistorius aufgreift, der bei den "Tagesthemen" zu Gast war und dort "Sowas bricht man nicht übern Zaun" meinte. Daraus formiert Raab scheinbar spontan ein Spiel. Raab will vom Publikum wissen, wie die Redewendung korrekt heisst und holt dann eine junge Frau, deren Hand in die Höhe fährt, auf die Bühne. Sie weiss, dass es "Übers Knie brechen" heisst, bekommt dafür zehn Euro und will wieder auf den oberen Rang schlurfen.

Da wittert der alte Zocker Raab natürlich seine Chance und hält sie zurück. Er will weiterspielen und schleudert ihr sogleich ein "Der Apfel fällt nicht weit vom Baum" hin. "Richtig oder falsch?", will der Entertainer nun wissen. Sie korrigiert die Redewendung ("vom Stamm") und kassiert dafür weitere zehn Euro, die sie aber, da sie an "Ewig währt am längsten" nichts Falsches erkennen kann, Raab wieder retournieren muss.

Am Ende geht sie dennoch um 30 Euro solventer von der Bühne. Richtig witzig? Nein, richtig witzig war diese Episode auch nicht, aber Raab darin immerhin in seinem Element. Und manchmal sieht man der Spielernatur gern beim Lachen zu.

David Garrett vs. André Rieu

Nachdem Raab ein paar sinnbefreite weihnachtliche Unterhaltungsgimmicks wie tanzende Weihnachtsmänner und Weihnachtsbäume sowie anderes groteskes leuchtendes Zeug vorgestellt, holt er einen fiedelnden Blondschopf auf die Bühne. David Garrett tanzt in schwarzen zerrissenen Jeans und einer schwarzen Lederjacke sowie mit einer Geige im Wert von rund zehn Millionen Euro an. Nach ein paar Zeilen Smalltalk will Raab von Garrett wissen, ob Violinist André Rieu sein Instrument beherrsche – natürlich in der Hoffnung, Garrett würde die spielerischen Qualitäten des Niederländers herabwürdigen.

Stefan Raab (l.) und David Garrett. "Du gewinnst hier nicht die Million" läuft auch auf RTL+. © RTL / Raab Entertainment / Julia Feldhagen

Doch der 44-jährige Geiger tut ihm den Gefallen nicht: "Es gibt einen Spruch, den mag ich sehr gerne: 'Erfolg gibt dir recht'", bleibt Garrett korrekt. "Ah, okay, das heisst, Rieu ist scheisse, hat aber Erfolg", meint Raab, die Worte des Geigers richtig deuten zu können.

"Nein, nein, nein! Guck mal, jeder hat seine Stärken und Schwächen. Klassiker würden mir wahrscheinlich auch vorwerfen, zu wenig Klassik zu spielen oder alljährlich zu wenige der grossen Violinkonzerte zu spielen. Ich finde André Rieu – mit dem Ensemble und wie er’s macht – hochprofessionell und super", zollt Garrett dem Niederländer Respekt.

Danach spielen er und Raab, der sich ein Reintierkostüm überstreift und zur Ukulele greift, mit den "Heavytones" "Winter Wonderland", "O Tannenbaum" und eine wirklich nette Version von "Stille Nacht".

Raab schwächelt in seinem Genre

Gespielt wird am Mittwochabend aber natürlich auch noch. Überhangkandidat Axel steht bei der neunten Hürde. Es geht jetzt um 10.000 Euro und direkt ins Spiel "Geigencover", bei dem "Stern TV"-Moderator Steffen Hallaschka den Spielleiter gibt und David Garrett erneut zu performen hat.

Axel und Raab müssen Geigencovers berühmter Songs erraten. Raab will die Regeln genau wissen: "Der Titel muss 100 Prozent richtig sein? Da darf nicht statt Singular hinten der Plural stehen oder so?" Hallaschka ist bereits jetzt genervt: "Es haben mich ja alle vorgewarnt. Wir haben noch nicht mal eine Nummer gespielt." Raab daraufhin: "Jaja, ich will’s ja nur wissen."

Obwohl sich Garrett die Seele aus dem Leib spielt und populäre Hits wie "Viva la Vida" (Coldplay) oder "Bitter Sweet Symphony" (The Verve) intoniert, tappen Axel und Raab zunächst ständig völlig im Dunklen.

Letzterer erträgt es auch nur ganz schwer, dass er in seinem Genre, der Musik, so versagt, weshalb er sich alle fünf Sekunden erklärt und Dinge wie "Ich kenn den Song, kann ihn aber nicht zuordnen", "Kenn ich, ja, kenn ich" oder "Ich kenn die alle, aber ich weiss nicht, wie sie heissen" von sich gibt.

Da Axel aber von Musik wirklich null Ahnung hat, reüssiert Raab dennoch. Doch am Ende der Sendung muss er sich noch ein letztes Mal rechtfertigen. Da will es einfach nochmal raus: "Ich muss mich wirklich entschuldigen, dass ich die Titel nicht richtig erkannt habe, aber der David hat die so scheisse gegeigt", so Raab, der seine Ausfälle nicht verkraftet hat. "Ich weiss, ich weiss, es ist nie deine Schuld", antwortet Garrett. Dessen Worte gehen im Schlussapplaus jedoch unter.

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