Da ist das Ding: Rollikup soll die Erfindung des Jahres sein – zumindest, wenn es nach den Zuschauern von ProSieben geht. Die Anhängerkupplung für Rollstühle setzte sich in einem spannungsarmen Finale gegen Überkochschutzdeckel und Handyschutzhüllen durch.

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Auch in der zweiten Staffel von ProSiebens Erfindershow "Das Ding des Jahres" setzte sich eine Erfindung zum Anhängen durch. 2018 siegte mit dem Faltos ein faltbarer PKW-Anhänger, in diesem Jahr nun darf sich der Rollikup, eine Anhängerkupplung für Rollstühle das Erfinderkrönchen aufsetzen.

Bis es soweit war, sah der Zuschauer vor allem eines: Abstimmungen. Ganze fünfmal mussten die Zuschauer im Finale am Dienstagabend ihre Stimme abgeben. Das ergibt in Summe ungefähr alle halbe Stunde eine Abstimmung – Werbung noch nicht einmal herausgerechnet.

Um das Finale zu komplettieren, musste das Publikum nämlich zuvor noch in drei Duellen den sechsten Finalplatz ermitteln. Da traten dann ein Biofeedbackgerät zur Entspannungsförderung gegen eine Handysturzschutzhülle, ein Schokoladencremeglasverriegelungssystem gegen eine Leberwursthüllenauspressvorrichtung und Leuchtautofelgen gegen einen Duschkabinenentfeuchter an.

Eine Erfindung "muss geil sein"

Es wäre ein wenig unfair zu sagen, welche dieser Erfindungen man am wenigsten nicht braucht. Völlig unfair wäre es aber auch nicht.

Es kommt natürlich immer ein bisschen darauf an, in welcher Alltagssituation man sich gerade befindet, aber die Feststellung, dass eine Leberwursthüllenauspressvorrichtung eher ein Luxusproblem löst, ist nicht unbedingt aus der Luft gegriffen.

Dabei ist die Leberwursthüllenauspressvorrichtung kein Einzelfall. Es ist nicht untypisch für "Das Ding des Jahres", dass die dort gezeigten Erfindungen nicht unbedingt die Welt retten werden, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Das mag vielleicht auch daran liegen, dass die Anforderungen an die vorgestellten Produkte eher niedrig gehalten wurden: "Sie muss geil sein", erklärte Joko Winterscheidt zum Beispiel zum Start des Finales auf die Frage, was denn eine Erfindung seiner Meinung nach haben müsse.

Man müsse begeistert sein, so Joko Winterscheidt, und sich fragen: "Warum gibt es das noch nicht, hab' mir aber die Frage vorher noch nie gestellt, weil es so unerwartet ist, dass man es braucht. Gleichzeitig muss es aber auch ein Problem lösen."

Rollikup? Sicher keine falsche Wahl

Dieses Kriterium erfüllt der Rollikup, will man den Erfindern glauben, auf jeden Fall, denn mit dem Kupplungssystem können Rollstuhlfahrer nun auch bequem kleinere bis mittelgrosse Lasten transportieren.

Sicher hilfreich, hat man sich als Nicht-Rollstuhlfahrer in der Tat eher nicht den Kopf drüber gemacht und damit passend im Sinne Winterscheidtscher Erfindungsanforderung.

Umso schöner also, dass sich das Publikum für ein Produkt entschieden hat, das nicht nur Luxusprobleme löst oder ein weiteres Ding ist, dass man glaubt, unbedingt haben zu müssen, bis es dann eher früher als später in der Kiste für den Flohmarkt landet.

Wenn man "Das Ding des Jahres" also unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, war die Wahl der Zuschauer sicher keine falsche.

Da ist es dann auch egal, dass der Sendungstitel ein wenig irreführend ist. Mancher Zuschauer echauffierte sich nämlich bei Twitter, dass es zum Beispiel die vorgestellte Kochblume, ein Überkochschutzdeckel, bereits seit einiger Zeit zu kaufen gebe.

Auch eine andere Erfindung, die Papierfliegerfaltmaschine, ist schon bekannt, hatte bereits ihren Auftritt bei Stefan Raabs "TV Total". Und so ist die Frage nicht ganz unangebracht, das Ding welchen Jahres denn hier genau gesucht wurde. Zumal das Erfinderjahr 2019 noch recht jung ist.

Sollte in den verbleibenden neun Monaten zum Beispiel noch ein Heilmittel gegen Krebs erfunden werden, wäre es sicherlich ärgerlich, wenn "Das Ding des Jahres" bereits an eine Leuchtfelge oder an eine Leberwursthüllenauspressvorrichtung gegangen wäre.

Kann man ansehen, muss man aber nicht

Können einen diese Ungenauigkeiten ernsthaft aufregen? Nicht wirklich. "Das Ding des Jahres" ist kein offizieller Innovationspreis, sondern immer noch und in erster Linie eine Fernsehunterhaltungsshow.

Als eine solche funktioniert die Sendung so einigermassen gut. Hier und da eine Erfindung, die überrascht, eine solide Moderation von Janin Ullmann und manchmal sogar ein witziger Einfall, als man zum Beispiel Joko Winterscheidt zum Realitätscheck aufs Patentamt schickte.

Als Erfindung würde "Das Ding des Jahres" irgendwo zwischen der faltbaren Backform und dem Überkochschutzdeckel liegen: Nicht völlig unnötig, sieht auf den ersten Blick ganz witzig aus – so wirklich überzeugend ist es aber auch nicht.

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