Auf das langweiligste Dschungelcamp aller Zeiten folgt die härteste Promi-Folter, die das Fernsehen je gesehen hat. Verspricht RTL. Dummerweise ist das Ergebnis so überzogen, dass das Nachmittagsprogramm des Senders im Vergleich dazu geradezu authentisch wirkt.

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Vollkomen unbemerkt startete in dieser Woche auf SIXX der australische Ableger von "Das Model und der Freak". Das Konzept: Eine Gruppe Nerds trifft auf Frauen in kurzen Röcken, die sie zu echten Männern machen sollen.

Die Frauen tragen Mikrotextilie und quietschen mit Piepsstimmen, die Männer scheiteln ihr Haar in der Mitte und polieren die Zahnspange. Sprich, sie sehen aus wie die Streber in jeder beliebigen US-College-Komödie. Es fehlt nur das Stiftetui im Revers. Das ist so übertrieben, dass man als Zuschauer sofort erkennt: De komplette Show ist gestellt.

Null Authentizität im Dschungel

Offensichtlich haben sich die Macher der aktuellen Staffel von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" von der australischen Sendung inspirieren lassen. Authentisch wirkt im aktuellen Dschungelcamp kaum etwas. Aber das stand zu befürchten. Die letzte Staffel enttäuschte nicht nur die Zuschauer sondern auch den Sender.

Dschungel-Autor Jens Oliver Haas sprach im Interview mit der "Rheinischen Post" sogar von einer "Arbeitsverweigerung" der Prominenten. Diesmal geht man auf Nummer sicher. Man muss kein Fernsehexperte sein, um zu erkennen, dass RTL in lauter Panik, die Promis könnten in dieser Staffel wieder nicht spuren, den Trash-TV-Bogen vollkommen überspannt hat. Mit dem Ergebnis, dass selbst das Nachmittagsprogramm des Senders authentischer wirkt.

Die RTL-Autoren haben ganze Arbeit geleistet

Von der ersten Minute ist klar, dass die Kandidaten auf Krawall gebürstet sind. Ex-"GNTM"-Teilnehmerin Nathalie Volk hält sich auf eine Skala von eins bis zehn für eine Zehn, Jürgen Milski gibt mit seinem Kontostand an, Rolf Zacher rastet dramatisch aus, Gunter Gabriel pisst ins Meer und Thorsten Legat beisst sich an einem Penis einen Zahn aus. Ja, wirklich. Die RTL-Autoren haben ganze Arbeit geleistet.

Selbst die Rollen im Camp sind nach einigen Minuten verteilt. Ex-Nachmittags-Talker Ricky Harris ist die Heulsuse (Hilfe, ein Hubschrauber!), Sänger Gunter Gabriel gibt den Macho-Proll (Freikörperkultur direkt in Folge eins), Rolf Zacher versucht sich als Matthieu Carriere.

Übertroffen werden sie nur von RTL-TV-Anwältin Helena Fürst, die erfolgreich Walter Freiwald mit Rambo kreuzt. Selbst an Gaga-Sätze a la Joey Heindle wurde gedacht. Soap-Darsteller David Ortega Arenas: "Sophia hat eine Tiefe, die ich noch nicht erkenne, eine Tiefe." Aha. Wovon der Spanier auch immer spricht, der Atombusen der Bert-Wollersheim-Gespielin kann dem Resthirn schon mal jeglichen Sauerstoff entziehen.

Den Trash-TV-Bogen überspannt

Als wäre das alles nicht schon überdreht genug, gibt es analog zum englischen TV-Pendant in diesem Jahr zwei Lager im Dschungel, die gegeneinander antreten. So futtern und schlucken die Gruppen bereits vor dem Einzug Hirn, Pisse und Sperma. Willkommen im neuen "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!"

Aber das Dschungelcamp wäre eben nicht das Dschungelcamp, wenn es nicht auch Überraschungen geben würde. Dafür sorgen ausgerechnet zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Einer von ihnen ist Thorsten Legat. Der ehemalige Fussballprofi verfällt direkt in innige Männerfreundschaft zu Ex-"Big Brother"-Teilnehmer Jürgen Milski, der in ihm seinen neuen Slatko gefunden hat.

Thorsten Legat schon in Topform

Zusammen abhängen auf der Pritsche, Sit-ups mit Baumstämmen zwischen den Beinen, was man eben so macht als echter Kerl. Die gemeinsame Single nach der Show ist schon beschlossene Sache: Titel: "Grosser Bizeps, du bist immer da". Legat ist dabei so unverfälscht (das kann kein Drehbuchschreiber toppen) wie ihn der Fussballfan kennt. Entweder ist er den Tränen nah oder kurz vorm Anabolika-Ausraster. Und ausgerechnet dieses ADHS-Männchen frisst einen Narren an Dauer-"DSDS"-Kandidat Menderes Bagci.

Aber wie könnte er auch nicht. Dieter Bohlens Langzeitprellbock ist ein vollkommen neuer Promi-Typus im Camp: dankbar. Oder haben es die Zuschauer in zehn Jahren "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" schon einmal erlebt, dass ein Kandidat erklärt, die neuen härteren Regeln seien eine gute Idee? Direkt nachdem er ein Glas Urin trinken musste?

Menderes ist die grosse Hoffnung

Oder der auf die Frage: "Menderes, geht’s dir gut?", bis zum Hals in Wasserspinnen stehend antwortet: "Ja, danke der Nachfrage!" Und der nach gewonnener Dschungelprüfung traurig ist, dass das andere Team jetzt nichts zu essen bekommt? Nein, natürlich nicht. In der RTL-Show war sich bisher immer jeder selbst der Nächste. Menderes hingegen, "der bietet sich an", wie es Legat, ganz die wandelnde Fussballerweisheit, ausdrückt.

Er ist die grosse Hoffnung für die zehnte Staffel von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" Denn wem 13 Jahre Demütigung durch Lästertitan Dieter Bohlen nichts anhaben konnten, der lächelt nur müde über ein paar Kakerlaken und Känguruhhoden auf dem Frühstücksteller. Und antwortet auf: "Darf's ein bisschen mehr sein?", wie selbstverständlich mit: "Ja, danke der Nachfrage!"

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