Keine grossen Skandale, keine Überraschungen und ein stets netter Dschungelkönig: Beim Dschungelcamp 2017 regierte die Routine. Das könnte bald zum Problem für das RTL-Format werden.
Für einen kurzen Moment sah es in diesem Jahr bei "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" so aus, als könnte sich bei der elften Staffel des Dschungelcamps noch einmal alles zum Guten, also zum Schlechten wenden.
Gegen Mitte der Show hatte sich "Honey" Alexander Keen geweigert, in der Dschungelprüfung den Kopf in eine Art Kakerlaken-Guillotine zu stecken. Der Rest der Buchstabenprominenz, nach einer Woche ausgehungert und streitsüchtig, stürzte sich einhellig auf den grinsenden Schönling, der selbst nach Dschungelcamp-Verhältnissen ein völlig Unbekannter ist. Trash-Schlachtross
Da war es wieder, diese unkontrollierbare Facette von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!", wenn alle Masken fallen und der Promi nur noch Instinkt ist. Und sie sich gemeinsam auf den Schwächsten stürzen. In der achten Staffel wurde Hassobjekt Larissa Marolt so fast Dschungelkönigin.
2017 war für Keen kurz darauf Schluss. Die Zuschauer wählten ihn raus. Der Zorn erlosch, es kehrte wieder Routine ein im Camp.
Dschungelcamp schlittert in die Krise
Nun ist es nichts Neues, dass die Menschen vor den Fernsehgeräten kontraproduktiv zur Dramaturgie des Dschungelcamps abstimmen. Doch in diesem Jahr folgte kurz nach Keen auch Kader Loth und "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" versank endgültig in der Ödnis.
Es scheint, als stecke das Format in der Krise. Zumindest, wenn man sich die Kritiken zur Show ansieht. Nach der desaströsen neunten Staffel um Walter Freiwald und Maren Gilzer, in der das Casting vollkommen scheiterte und die Prominenten vor allem durch Arbeitsverweigerung glänzten, überdrehte RTL 2016 den Trash-Bogen. Der Sender präsentierte unter "Kasalla" Thorsten Legat die Karikatur des eigenen Formats.
Die Promis schienen die ihnen zugedachte Rolle übererfüllen zu wollen. Eine Staffel wie auf Steroiden, die irgendwie unecht und gescripted wirkte. Was fatal ist für eine Show, deren Prinzip es ist, zumindest kurzzeitig wahrhaftige Momente zu offenbaren.
Allzu willfährige Prominente
Der gerade abgeschlossenen Saison dagegen gelang es nie, die Dschungel-Routine zu durchbrechen. Über Jahre hinweg haben die Prominenten nicht nur gelernt, was bei den Zuschauern funktioniert - sondern auch bei den Machern von RTL.
Sie ergaben sich nur allzu willfährig in die für sie gecasteten Rollen. Die Wahnsinnige:
Der Fehler im System ist, dass RTL daraus offenbar nicht mehr machen konnte oder wollte. Der Sender ruhte sich auf dem Erreichten der letzten Jahre aus. Dort wo Cutter und Regisseure sonst Charaktere erschufen, auf die Probe stellten, piesackten, um sie dann entnervt den Zuschauern zum Frass vorzuwerfen, gab man sich dieses Jahr zu schnell zufrieden.
Der anarchische Geist der Show zeigte sich nur kurz in der zu Beginn angesprochenen Szene. Da glimmte offenbar wieder die alte Boshaftigkeit auf und die Macher des Dschungelcamps heizten die Stimmung weiter auf, indem sie kurz darauf alle Luxusartikel der Bewohner einkassierten. Das brachte sogar den sonst kaum anwesenden "Icke" Hässler in Rage.
Streitereien erst nach der Show
Genützt hat es indes nichts. Die Prominenten kehrten schnell zum Alltag zurück. Selbst Phobikerin Hanka Rackwitz liess sich im Finale der Show mit Glibber und Tieren übergiessen, als wäre es ein Wochenendausflug.
Die Streitereien hoben sich die Teilnehmer für das Wiedersehen am Sonntagabend auf. Dort gerieten Rackwitz und Fräulein Menke so heftig aneinander, dass erstere damit drohte, das Studio zu verlassen.
Dass einer wie Marc Terenzi am Ende die elfte Staffel gewann, ist der passende Abschluss für die diesjährige Ausgabe von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" Ein Kandidat, dessen grösster Skandal im Camp war, dass er zugab, Donald Trump gewählt zu haben.
Doch selbst das war ihm offenbar noch zu subversiv. Schnell dementierte sein Manager die Aussage. Irgendwie bezeichnend für das diesjährige Dschungelcamp.
Lang lebe König Marc. Möge sein Nachfolger etwas unterhaltsamer sein.
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