Sieben Millionen Zuschauer fühlen sich im Durchschnitt vom Dschungelcamp sehr gut unterhalten. Doch wie geht es den Tieren dabei?
Minutenlang Flusskrebse im Mund behalten, lebendigen Maden den Kopf abreissen, auf engstem Raum mit Spinnen, Ratten und Kakerlaken die Panik aushalten: Eine Prüfung ohne "Tierchen" kommt im Dschungelcamp nur selten vor. Zu schön ist die Gänsehaut beim Zuschauer, wenn er sich fremdekelt. Doch wie geht es den Tieren und Insekten, wenn sie den Köpfen, Mündern und Händen von
Wirbeltiere haben Todesangst
Selbst, wenn sie nicht gequetscht oder verletzt werden, haben zumindest die Wirbeltiere wissenschaftlich erwiesen Todesangst: Für sie bedeutet es extremen Stress, wenn sie gegriffen und festgehalten werden, weil diese Situation in der Natur meistens wirklich den Tod bedeutet, wie Nadja Kutcher von PETA gegenüber "Promiflash" schon 2012 zu bedenken gab. Bei Insekten ist es unklar: Ob der alte Spruch „Die Spinne hat mehr Angst vor dir als du vor ihr“ stimmt und etwa Maden, denen im Camp gerne mal bei lebendigen Leib der Kopf abgerissen wird, Schmerz bewusst wahrnehmen können, das konnte wissenschaftlich noch nicht geklärt werden. Bei diesem Forschungsstand ist es nicht verwunderlich, dass die australische Tierschutzorganisation "RSPCA Notification of Animal Usage Form" die Prüfungen abnimmt.
Keine Knopfaugen – kein Mitleid
Sonja Zietlow – selber grosse Tierfreundin, jedenfalls wenn es um Hunde geht – wehrte sich auf ihrer Seite 2012 gegen den Vorwurf der Tierquälerei: "Ja, ich mache einen Unterschied zwischen Kakerlaken und Ratten. Ja, ich mache auch einen Unterschied zwischen Mehlwürmern und Schlangen. Weder ein Mehlwurm noch eine Kakerlake schaut mich mit ihren kleinen Knopfaugen an und erweicht mein Herz. Da bin ich ganz einfach gestrickt, sorry."
Insekten sind halt nicht niedlich genug, um sie zu schützen. Das ist im Grunde dasselbe, weshalb viele Menschen hunderte Euro für die Rettung ihrer kranken Katze ausgeben würden, gleichzeitig aber nicht mehr als 1,50 Euro für eine Currywurst. Anderes Tier, andere Rechte.
Denn selbst wenn die Insekten keinen Schmerz spüren, werden die Zuschauer durch solche Sendungen im Umgang mit Tieren weiter desensibilisiert. Ein Umstand, den PETA schon seit der ersten Staffel anprangert. "In vielen Situationen vermittelt das Dschungelcamp, dass es in Ordnung ist, Tiere allein zu unserer Unterhaltung zu nutzen und mit ihnen zu tun, was man möchte. Das setzt sich leider in den Köpfen vieler Menschen fest und hat mit Mitgefühl und Respekt gegenüber anderen Lebewesen nichts zu tun", so PETA-Spezialistin Nadja Kutcher im Interview mit "Promiflash".
Vom Trash zum Kult?
Den Beweis für diese Desensibilisierung könnte man auch schon im Erfolg der ganzen Sendung sehen. Als 2004 die erste Staffel von "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus" lief, konnten die meisten nicht fassen, was da auf dem Bildschirm gezeigt wurde. Die Show wurde der "Kommission der Jugendmedien der Landesmedienanstalten" zur Prüfung vorgelegt, es wurde sogar Strafanzeige wegen des "dringenden Tatverdachts der vollendeten Körperverletzung" gestellt. Die Medien reagierten mit Schlagzeilen wie "Wie geschmacklos darf das Fernsehen sein?" (SWR). Die Sendung wurde vom Vorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes laut "Stern.de" als "Tiefpunkt der Fernsehunterhaltung" und "voyeuristische Perversion" bezeichnet, das Europäische Medieninstitut sprach in der "Bild" von "Methoden, die an Folter erinnern". Es war "eine der grössten Empörungswellen in der deutschen TV-Geschichte", wie "Focus.de" feststellte.
Und jetzt? 13 Jahre später sind wir beim elften Dschungelcamp angekommen und die öffentliche Wahrnehmung hat sich um 180 Grad gedreht. 2013 wurde das Camp sogar für einen Grimme-Preis nominiert. Das Dschungelcamp ist sowas wie das "Wetten, dass ..?" des 21. Jahrhunderts. Es wird täglich von unzähligen Artikeln begleitet, auch "FAZ" und "Spiegel Online" verzichten nicht auf den Klickgarant. Und ja, auch wir berichten täglich.
Bei der Empörungswelle, die die erste Staffel begleitete, hiess es von Seiten der niedersächsischen Landesmedienanstalt: "Man soll sich mehr darüber wundern, dass solche Sendungen einen so hohen Marktanteil erreichen, als nach öffentlichem Einschreiten gegen derartige Sendungen zu rufen." Schon bedenklich, dass das mittlerweile niemand mehr tut. © top.de
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