Was bislang in der Trash-TV-Welt als unvorstellbar galt, ist nun Wirklichkeit: Das Sommer-Dschungelcamp ist aufgezeichnet, die Folgen sind nicht live. Das nimmt dem Dschungel das, was ihn besonders macht, bietet aber gleichzeitig auch ganz andere Freiheiten. Oder?
Das Dschungelcamp und der Januar gehören zusammen, seit nunmehr 20 Jahren: "Stars" setzen sich in Australien zwei Wochen in den Urwald, während Trash-TV-Fans daheim in Echtzeit mitleiden und mitfiebern.
Die Jubiläumsstaffel "Ich bin ein Star - Showdown der Dschungel-Legenden" allerdings, die derzeit ausgestrahlt wird, ist schon vor drei Monaten in Südafrika aufgezeichnet worden. Dass die Folgen aus der Konserve kommen, nimmt dem Dschungel seinen Reiz. Gleichzeitig bietet es aber auch völlig neue Möglichkeiten: on demand, also fernsehen, wenn man gerade Zeit und Lust und Laune hat.
Was also ist besser: live oder aufgezeichnet? In unserer Redaktion gibt es unterschiedliche Meinungen.
Pro Live-Ausstrahlung: Trash-TV-Fans müssen live mit am Lagerfeuer sitzen
Von Patricia Kämpf
Eigentlich dreht sich alles ums Feuer. Zwei Wochen lang müssen die “Stars” im Dschungelcamp in Australien die Flammen am Lodern halten, müssen sich um die Glutstelle versammeln, wenn
Trash-TV-Liebhaberinnen und -Liebhaber sitzen zwei Wochen lang mit den Dschungelcampern im Baumstammkreis um das Feuer, regen sich mit ihnen auf, zetern, schimpfen und lamentieren, sinnieren mit ihnen über das Leben und die Liebe, essen in Gedanken Reis und Bohnen mit.
Beim Sommer-Dschungelcamp aber hat RTL die Trash-TV-Fans dieses Buschmittelpunktes beraubt. Die Jubiläumsstaffel wird nicht nur nicht aus Australien gesendet (schon das ist ein Skandal!), sie ist auch nicht live. Die Staffel wurde bereits vor drei Monaten in Mpumalanga in Südafrika aufgezeichnet.
Das völlig neue Szenario verursacht einen Knoten im Gehirn
Das bringt ein völlig neues Szenario mit sich: Die einen Fans sitzen schon am Abend mit an der Feuerstelle, wenn die neueste Folge auf RTL+ bereitgestellt wird. Während parallel die anderen Fans noch die alte Episode vom Vortag im linearen TV anschauen. Auf Instagram wird da aber schon gepostet, wer am nächsten Tag rausfliegen wird. Und in der “Stunde danach” kommentieren die “Stars” schliesslich live, warum sie vor drei Monaten in Südafrika beim Kochen von Blattspinat und Straussenfüssen ausgerastet sind.
Wer das verstehen will und sich dabei keinen Knoten ins Gehirn macht: legendär.
Es mag aus Sicht der Sender elegant erscheinen, die aufgezeichneten Folgen vorab in der Mediathek hochzuladen. Bei einer Show wie dem Dschungelcamp ist dieses Szenario aber zu kompliziert, denn es spaltet die Fans und lässt sie mit unterschiedlichem Wissensstand zurück: Wie sollen die denn nun angemessen über den Dschungelwahnsinn fachsimpeln?
Dschungel-Fans wollen abends um 22:15 Uhr einschalten, mit den “Stars” am Lagerfeuer sitzen und am Ende live erfahren, wer das Camp verlassen muss. Zwei Wochen lang, jeden Tag. Um am Ende genauso müde und durch und fertig mit der Dschungelwelt zu sein wie die Camper.
Das hat nichts mit Masochismus zu tun. Das ist einfach Trash-TV-Loyalität.
Contra Live-Ausstrahlung: Weniger Langeweile, weniger Schlafmangel
Von Sonja Plagmann
Das Dschungelcamp lebt davon, dass Zuschauer die Macht über Promis haben. Das dachte ich zumindest immer – bis RTL die bereits im Mai aufgezeichnete Jubiläumsausgabe herausgebracht hat. Dass plötzlich die Camper – oder RTL – bestimmen, wer rausfliegt und wer in die Dschungelprüfung muss, bringt eine völlig neue Dynamik in die Legenden-Staffel.
Die Kandidaten müssen immer auf der Lauer sein, jede Dschungelprüfung kann ihr Aus bedeuten. Und so sehen wir viel mehr Engagement und sehr amüsante Einschleim-Aktionen unter verfeindeten Campern (siehe Giulia Siegels Massage-Angebote und Thorsten Legats halbherzige Entschuldigung).
Langweilige Szenen werden rigoros rausgeschnitten
Es gibt mehr Abwechslung in den Dschungelprüfungen, weil nicht mehr immer nur die vermeintlich nervigsten oder am schlechtesten performenden Camper in die Prüfungen gewählt werden. Der Erzählstrang hingegen wirkt einheitlicher und chronologischer.
Auch der Schnitt ist flotter, alle langweiligen Szenen, die wir teilweise bei den Live-Schalten oder Prüfungen gesehen haben, werden nicht gezeigt. Das bringt Schwung rein in die angestaubten "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus"-Prozesse, die RTL nahezu ohne Änderungen jetzt schon 20 Jahre lang gezeigt hat.
Dschungelcamp bedeutete früher zwei Wochen Schlafmangel
Für mich als treue zahlende Kundin von RTL+ gibt es sowieso nur Vorteile: Das Dschungelcamp läuft für mich ohne ewig lange Werbeunterbrechungen schon ab circa 20:15 Uhr. Früher mussten Abonnenten dafür bis nach der TV-Ausstrahlung warten. Natürlich macht RTL das nicht aus Nettigkeit; es wirkt als wolle der Sender durch die zeitversetzte Ausstrahlung das hauseigene Streamingportal pushen.
Trotzdem verstehe ich den Unmut vieler Leserinnen und Leser, die uns immer wieder schreiben, dass sie ohne RTL+ gespoilert werden. Deshalb habe ich den Selbsttest gewagt, als in Folge 10 klar wurde, dass an Tag 11 entweder Gigi Birofio oder Giulia Siegel gehen müssen. Und es hat tatsächlich geklappt! Ich wurde bis zur linearen TV-Ausstrahlung von Folge 11 nicht gespoilert, wer gehen muss. Social Media und Gespräche mit Trash-TV-affinen Freunden und Kolleginnen sollte man aber meiden. Und bei allem Ärger über Spoiler profitieren auch Nicht-RTL+-Abonnenten von der teilweise zwei Stunden früheren TV-Ausstrahlung. Zumindest alle, die keine Nachteulen sind.
Das einzige, was mir bei der Legenden-Staffel fehlt, sind die Dschungelbegleitungen. Aber eigentlich spricht auch bei einer aufgezeichneten Staffel nichts dagegen, dass Begleitungen der Promis nebenan in einem Luxushotel wohnen, damit uns Dramen wie die Causa Klein/Woelke nicht entgehen.
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