2021 beginnt RTL mit dem Ersatz-Dschungelcamp. Köln-Hürth statt Australien. Und Promis, die keine sind - ausser "herrlich doof". Die erste Kolumne zum Geschehen auf 18 Quadratmetern - inklusive Entschuldigungen für das Abgelieferte an womöglich entsetzte Väter.

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Das neue Jahr ist kaum zwei Wochen alt. Die guten Vorsätze sind schneller in Vergessenheit geraten, als sämtliche im Besinnlichkeits-Fress-Rausch über die Feiertage angefutterten Bonus-Pfunde.

Und schon wartet RTL bereits mit einem spektakulären ersten TV-Highlight des noch jungen Fernsehjahres auf. Traditionell Mitte Januar eröffnet "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" die Fremdscham-Festspiele, die der deutsche Fernsehkonsument gerne unter dem Sammelbegriff Trash-TV-Formate subsumiert.

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"Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" - für eine Fernsehsendung ein ziemlich langer Name. Länger ist eigentlich nur noch die Liste der Offenbarungseide der, naja, Promis, denen RTL dieses Jahr für das im Volksmund gerne "Dschungelcamp" genannte Auffangbecken für versehentlich mehrfach falsch abgebogene Ikonen der Irrelevanz das Prädikat "Star" verliehen hat.

Lange Namen mögen die Deutschen nicht, alles viel zu komplex. Kein Wunder, wenn die eigene Muttersprache sogar Vokabeln wie "Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz" eine Heimat gibt. Abkürzungen dagegen sind umso beliebter.

Nicht verwunderlich also, dass aus "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" schnell "IBES" wurde. Was klingt wie eine Billig-Hotelkette steht nun seit 15 Jahren für den Versuch, kulinarische Highlights wie Känguru-Hoden und Kuhurinmarinade in der heimischen Haute-Cuisine zu etablieren.

Fest steht: Friedrich Merz wird nicht der König des RTL-Dschungels

Die Abkürzung "IBES" ist natürlich auch ein hervorragender Etikettenschwindel. Ganz ähnlich wie CDU. "IBES" (das "S" steht für "Stars", hahaha) und CDU (das "C" steht für "christlich", hahaha) haben eines gemeinsam. Beide suchen ihren neuen König. Das Gute an "IBES" ist dabei allerdings: Auf RTL wird das auf keinen Fall Friedrich Merz sein.

Als es dann (garantiert Merzfrei) endlich losgeht, verrät eine mir vollkommen unbekannte erste Kandidatin, sie wäre nur hier, also dort, bei "IBES", nicht in meinem Wohnzimmer, ein Glück, weil sie "die Teilnahme am Dschungelcamp unbedingt in meinem Lebenslauf haben möchte".

Während ich noch darüber sinniere, warum sie so aussieht wie eine schlecht geliftete Nina Hagen mit den Lippen von Chiara Ohoven, lüftet RTL per Bauchbinde das erste Geheimnis der Staffel.

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Frühere Nackttänzerin Djamila Rowe ist die erste Kandidatin

Bei der offensichtlichen Kandidatin handelt es sich um Djamila Rowe. Ja, so habe ich auch geguckt. Ein kurzer Faktencheck ergibt: Djamila Rowe ist anscheinend dafür bekannt, sich zu Zeiten, als ich noch auf dem Playmobil-Ponyhof um den Weihnachtsbaum geritten bin, mal als Nackttänzerin verdingt und anschliessend eine Affäre mit einem damaligen Botschafter erfunden zu haben, die einige Monate intensiv den Boulevard beschäftigte.

Anschliessend ist sie dann aber auch schon wieder in Quarantäne, und es werden für den Rest des Abends nur noch drei der zwölf Kandidaten gezeigt. Zoe Saip, Frank Fussbroich und Mike Heiter. Oder wie Philipp Amthor sagt: Wir müssen auch diesen Menschen ein politisches Angebot machen.

Ihren vermeintlichen Promistatus haben die drei auf unterschiedliche Weise erlangt. Frank war einer der ersten Reality-TV-Stars (schon 1989 bei "Die Fussbroichs" dabei), Mike teilt sich Tattoo-Anzahl und Frisur mit Marco Reus und Zoe war mal mit Heidi Klum zusammen.

Alles in allem ein Ensemble, das die Erwartungen der promiverwöhnten Trash-TV-Gemeinde noch nicht gänzlich zufriedenstellt. Dennoch werden die drei (jedenfalls, wenn ich die Regeln dieses Ersatz-Dschungelcamps richtig verstanden habe) in den kommenden drei Tagen die einzigen Teilnehmer sein, die RTL ins Tiny-House lässt. Wer dieses Konzept schlüssig findet, der schreibt auch Leserbriefe an Netflix, weil ihm die Serie "Dark" zu unterkomplex ist.

Vier Dreiergruppen ziehen also jeweils für drei Tage in das Tiny-House in Köln-Hürth ein. Jeweils zwei pro Selbsthilfegruppe erreichen danach das Halbfinale. Dann sind zwölf Tage rum, es folgen das Halbfinale und das Finale, und am Ende ist irgendwer um 50.000 Euro und ein Ticket ins echte Dschungelcamp reicher. Best of Twelve quasi.

Insgesamt ein undankbares Corona-Überbrückungs-Projekt. Da kämpft man sich zwei Wochen lang gegen 10 andere Y-Promis und Djamila Rowe mühsam zum Goldenen Ticket ins Dschungelcamp 2022, nur um dann dort auf eine Horde Ex-Bachelorette-Kandidatinnen zu treffen, die dafür lediglich drei bis achtmal Sex mit wechselnden Partnern haben und sich dafür anschliessend wortreich bei Instagram rechtfertigen mussten. Das ist nicht mehr mein RTL!

Das Debut-Trio Zoe, Frank und Mike lässt sich relativ einfach kategorisieren. Zoe kommt aus der "Germany´s Next Topmodel"-Schule. Dort gilt seit jeher das Motto "Stell dich nicht so an: Nackt-Shooting gehört halt zum Job, sonst musst du eben Postbotin werden". Entsprechend verinnerlicht hat sie die goldene Regel "Sex Sells" und steht schon nach wenigen Minuten erstmals oben ohne im Tiny-House, der kuscheligen 18-Quadratmeter-Villa mit Plumpsklo und genau einem Doppelbett. Tiny-House, oder wie Immobilien-Makler in Hamburg-Eppendorf sagen: Traumwohnung in Alsternähe, 2.400 Euro kalt, ein Schnäppchen".

Zoe Saip ist das egal. Wer sich mal von seiner vormals besten Freundin (für Freunde der lückenlosen Dokumentation: Victoria Pavlas, GNTM-Saison 2018) vor laufender Kamera sagen lassen musste, er hätte trotz seiner erst knapp 18 Jahre schon mit mehr als 60 Männern Sex gehabt, der weiss, wie hart das Leben als angehender TV-Star sein kann. Um sich bestmöglich vorzustellen, zitiert Zoe zur Ablenkung also kurz ihr Mantra: "Entweder man liebt mich oder man hasst mich". Ja. Oder man hat halt noch nie in seinem Leben von Dir gehört.

Viel mehr substanzielle Informationen über Zoe gibt es an Tag eins im Dschungelcamp erstmal nicht. Ausser vielleicht, dass Zoe sich "zu 70% vegan ernährt". 70% vegan. Was soll das sein? Ist das sowas wie 30% schlau? Oder heisst das, Zoe bestellt als Beilage zu ihrem 300 Gramm Steak stets 700 Gramm Pommes? Diese Frage wird die erste sein, dich ich ihr stellen muss, sollte ich ihr irgendwann mal über den Weg laufen. Bei einer Modenschau der Designerin Anja Gockel womöglich. Ich glaube, da sind wir im Adlon in Berlin mal nebeneinander durch den Casting-Raum flaniert. Damals haben wir nicht miteinander gesprochen. Ich bin mir nicht unbedingt sicher, dass sich das nach meiner "IBES"-Kolumnenserie beim nächsten Mal ändern wir, aber wenigstens eine Sache ist damit ausreichend belegt: Man kann es vom Catwalk in den Dschungel schaffen! Und damit ist nicht die Intimbehaarung von Leonardo diCaprio gemeint. Wenn Sie das jetzt nicht lustig finden, egal. Toni Garrn nämlich schon.

Kandidat zwei der ersten Testgruppe ist Mike Heiter. Schon sein Outfit, seine Frisur, ein kurzer Blick auf seinen Instagram-Account und die ersten drei Sätze, mit denen er in seinen Dschungelshow-Auftakt startet, legen den Verdacht nahe, er hätte bei der Vergabe von Hirnschmalz ein Placebo erhalten.

Mike Heiter jedenfalls war mal mit Elena Miras zusammen – und das erklärt vermutlich einiges. Ansonsten glaubt er fest an seinen Sieg, denn: "Ich bin auf alles vorbereitet, aber auch irgendwie nicht". Ein schöner Titel für seine Memoiren. Auch er stellt sich dem Publikum gekonnt selber vor: "Ich habe 2017 bei Love Island mitgemacht. Den Rest kennt man ja." Äh. Ach so. Echt? Ehrlich gesagt: Nein.

Frisurenbewusster Mike Heiter mag die Mütze nicht

In Köln-Hürth ist es, dafür muss man nicht Jörg Kachelmann sein, im Januar tendenziell kälter als in Australien. Folgerichtig stellt RTL den Kandidaten Wärme spendende Mützen zur Verfügung. Mike hat, schon haben wir den ersten Höhepunkt der Staffel, Angst um seine kunstvoll zurechtgeföhnte Frisur und verschmäht die Mütze. Lieber erfrieren als Bad Hair Day. Oder wie Mike es ausdrückt: "Wieso denn Mütze? Wir gehen doch jetzt im Haus rein". Herzlich Willkommen zu zwei Wochen Grammatik-Trainingslager mit Mike Heiter bis wolkig.

Nur konsequent von RTL, dass sie Team Heiter kaum drei Minuten später zur ersten Prüfung antreten lassen, bei der sie in einem Wasserbecken nach Schlüsseln tauchen müssen. Wasser. Neben Mützen der einzige natürliche Feind von Mike Heiters Haaren.

Zusammengefasst darf man sagen: Jede Dönerbude in Berlin hat eine höhere Promidichte als die 18-Quadratmeter-Dschungelersatz-Bude in Köln-Hürth. Zum Glück ist Desirée Nick nicht dabei. Ihr Ego hätte bei diesem winzigen Wohnangebot nicht mal durch die Tür gepasst.

Gerade noch so durchgepasst dagegen hat Frank, der dritte Kandidat im Bunde. Frank glänzt direkt oscarverdächtig in seiner Rolle als alter, weisser Mann. Ihm gelingt der Sexismus-Hattrick: Erst fallen ihm beinahe die Augen aus, als er minutenlang ungeniert und sabbernd dabei zusieht, wie Zoe sich umzieht und dabei ihre Abneigung gegen BHs dokumentiert. Dann legt er fest, dass Zoe in den kommenden WG-Tagen für Kochen, Aufräumen und Putzen verantwortlich sei. Ein Weltbild aus dem schönen Jahr 1953. Aus demselben Jahr stammt übrigens seine Frisur.

Zum krönenden Abschluss eröffnet er Zoe, nachdem sie bei der ersten Prüfung keine Sterne einspielen kann: "Wenn man so schwach ist, warum macht man dann hier mit?" Ja gut, Frank. Ich sage mal so: Du bist ja auch zur Schule gegangen.

Um trotz des knapp 13-minütigen Unterwasser-Labyrinth-Prüfungs-Debakels doch noch etwas Star-Glamour in die Sendung zu bekommen, hat RTL Julian F. M. Stoeckel und Melanie Müller zum Kaffeekränzchen gebeten.

Nicht enden wollende 45 Minuten quälen sich Daniel Hartwich und Sonja Zietlow mit den beiden "IBES"-Urgesteinen durch alte Geschichten und tonnenweise Archivmaterial, das in erste Linie belegt: Stoeckel war zu seiner Zeit im Dschungel etwa 50 Kilo leichter und Müllers Brüste sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von Gott so geschaffen worden. Es sei denn, mit Gott ist Professor Werner Mang gemeint. Sofern der noch praktizieren darf, immerhin ist er ja auch für das Gesicht von Dunja Rajter verantwortlich.

Julian F. M. Stoeckel: "Mike Heiter ist so herrlich doof"

Julian F. M. Stoeckel, sowas wie das Party-Maskottchen von West-Berlin, findet dann doch noch ein paar Worte, die sich nicht um ihn drehen. Ihm gefällt Mike am besten, denn: "Mike Heiter ist so herrlich doof". Von Stoeckel doof gefunden, Das ist in etwa so, wie von Donald Trump als Held gefeiert zu werden.

Aber auch Melanie Müller hat noch einen Satz für die Ewigkeit im Gepäck. Auf die investigative Markus-Lanz-Gedächtnisfrage von Sonja Zietlow, was sie so aus ihrer Zeit im Dschungelcamp mitgenommen hätte, antwortet sie: "Ich bin immer noch gerne in der Natur". Das klingt wie eine Drohung an Zoe, Mike und Frank. Ich möchte keinem der drei wünschen, dass sie in sieben Jahren sagen: "Was ich von der Dschungelshow mitgenommen habe? Ich kacke immer noch gerne in Mülltüten!"

Nachdem sich besagte Hürth-Dschungel-Combo aus den von zahlreichen ausgefallenen Weihnachtsfeiern übrig gebliebenen Elfen-Kostümen, die RTL ihnen für den Gemütlichkeitsfaktor in der WG spendiert hat, geschält hat und dafür in Badekleidung geschlüpft ist, "verkacken" (O-Ton Zoe) sie direkt die erste Prüfung. Ein Wasserbassin von der Grösse einer Telefonzelle, gespickt mit dem einen oder anderen knapp 40 Zentimeter langen Wassergetier, ist zu viel für Zoe. Sie holt null Sterne, und das Spiel ist vorbei. Zoe (übrigens angetreten in einem Bikini-String, im hinteren Bereich so zart besaitet wie handelsübliche Zahnseide) hat aber eine Erklärung: "Ich hasse das, wenn ich nicht sehe, was auf mir drauf liegt". Ich hoffe, sie erzählt morgen noch mehr von ihren Blind Dates!

Zoes Geschrei traumatisiert die Wasserschlangen

Schuldbewusst zieht sie sich anschliessend in den kleinen Rauchergarten vor dem Tiny-Home zurück und redet mit sich selber. Zu Recht, immerhin hat sie mit ihrem Versagen und den begleitenden Kreisch-Attacken einen frustrieren Frank und traumatisierte Wasserschlangen zurückgelassen. Und ja, mit Wasserschlangen meine ich Wasserschlangen und nicht das Gemächt von Mike Heiter.

Publikumswirksam entschuldigt sie sich bei ihrem Vater, der sie doch immer zum Durchhalten erzogen hatte und eventuell nicht stolz auf Zoes heutige Leistung sein könnte. Ein wimmerndes "Es tut mir leid, Papa" verhallt in der klirrende Kälte der Hürther Nacht – und dann ist Tag eins des "IBES"-Methadon-Programms auch schon vorbei. Morgen gibt es dann hoffentlich endlich das, was ein grosser Dschungelcamp-Poet mal "Kasalla" genannt hat: Action!

Damit möchte ich mich dann auch für heute verabschieden. Morgen geht es mit den ersten drei Topstars auf der Jagd nach dem Goldenen Dschungel-Ticket 2022 weiter. Ich werde hier an selber Stelle wieder alles dokumentieren. Es tut mir leid, Papa.

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