Nach der gnadenlos langweiligen letzten Staffel des Dschungelcamps will RTL alles wiedergutmachen. In "Ich bin ein Star, holt mich hier rein!" kämpfen die Stars aus neun Staffeln um die Chance, noch einmal die C-Promi-Show zu gewinnen. Das Problem ist nur: Das neue Format ist so lustig wie ein Besuch beim Zahnarzt.
Wissen Sie, wenn man soviel schlechtes Fernsehen über sich hat ergehen lässt wie ich, rein beruflich versteht sich, glaubt man nicht mehr an Zufälle. Die gibt es nicht. Superstars, Supertalente, Dschungelkönige: alles abgesprochen und geplant. So zumindest meine Verschwörungstheorie. Deswegen glaube ich auch nicht an den Mythos der letzten Staffel des Dschungelcamps. Dem Schnarchnasenzeltlager. Dem Treffen der anonymen Spassbremsen. Dutzende Redakteure sollen in monatelanger Arbeit Promis gecastet haben, die ihre Rollen nicht spielen wollen? Ich bitte Sie! Das kann ich nicht glauben. In einer der teuersten Produktionen von RTL? Natürlich. Der Kölner Sender ist bekannt dafür, bei Geld besonders viel Spass zu verstehen. Wer das für möglich hält, glaubt auch, dass bei "Deutschland sucht den Superstar" am Ende immer der beste Sänger gewinnt.
Also, vergessen Sie das mit dem langweiligsten Dschungelcamp aller Zeiten. Es gibt einen Masterplan! Das ist alles im Vorhinein minutiös orchestriert! Ein diabolisches Meisterwerk! Das Publikum zunächst in Unwissenheit wiegen. Ihm wochenlang den drögesten Fernsehmist des Jahres in die Pupillen zimmern. Um dann im Sommer die Bombe platzen zu lassen: "Ich bin ein Star, lasst mich wieder rein!" Neun Folgen, die besten Kandidaten aus den vorherigen Staffeln und am Ende treten die Gewinner gegeneinander an, für einen Platz im nächsten Camp. Bäm, bäm, bäm!
Wimmern, schreien, jammern
Klingt einleuchtend, oder? Der Vorspann bestätigt zumindest meine Theorie: Promis die schreien, Promis die wimmern, Promis die jammern! Und
Dann, Rückblenden der ersten Staffel. Die drei Kandidaten,
Im Bild ist Caroline Beil zu sehen, die Sträusse beschimpft, die nach ihr picken. "Das bringt dir gar nix, dieses 'du Motherfucker', 'du Arsch'", sagt Costa Cordalis zum nicht jugendfreien Ausbruch seiner ehemaligen Mitcamperin. Weil: "Die Tiere verstehen kein Englisch." Okay, zumindest der Gag war besser, als alles andere, was man vor der RTL-Laberwand schon so ertragen musste.
"Dagegen ist der Dschungel eine Lachnummer"
Aber jetzt, ja jetzt, jetzt geht es wirklich rund! Die erste Aufgabe für die drei, die sich einen Platz in der zehnten Staffel von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" sichern wollen. Berlin, Teufelsberg! Was für ein Name! Ein verlassenes US-Militärgelände. Ui, ui, ui! Werner Böhm sagt: "Dagegen ist der Dschungel eine Lachnummer." Heureka, lasst die Spiele beginnen!
Die drei klettern mit verbundenen Augen eine Leiter hoch. Angeseilt. Okay, okay, man will nicht gleich alles Pulver am Anfang verschiessen. Es ist schliesslich noch kein Wendler vom Himmel gefallen. Böhm, Cordalis und
Rechnen oder "Anita" singen?
Sie sollen eine Gleichung lösen, indem sich die drei mit Megafonen anbrüllen. Heidewitzka, da haben die Redakteure von RTL aber ganze Arbeit geleistet! Costa Cordalis scheint das Konzept trotzdem nicht verstanden zu haben. Er singt "Anita". Falls ihnen vor knapp vier Wochen in der Gegend des Berliner Teufelsbergs Vögel aufgefallen sind, die aus freien Stücken gegen Fensterscheiben flogen: Jetzt wissen Sie warum.
Dustin Semmelrogge seilt sich in einen Fahrstuhlschacht ab. Unten ein Zettel: Der Schauspieler soll das nächste Spiel sabotieren. Was wird das wohl sein? Auf dem Rücken von Krokodilen tanzen? Haifischen die Weisheitszähne ziehen?
Es ist ein Quiz. Wie, ein Quiz? Ja, wirklich, ein Quiz. Also langsam werde ich ein bisschen misstrauisch. Wann kommen sie denn jetzt, die wahren Aufgaben? Die Folter, die Qual, der Dschungel?
Die Lachschleife hilft auch nicht weiter
Ich höre Lacher. Meine können es nicht sein, lustig war bisher wenig. Es ist eine Lachschleife, wie aus einer schlechten US-Sitcom. Irgendwie habe ich den Eindruck, das Sommerdschungelcamp verhöhnt mich. Aber das kann nicht sein. Gleich muss es kommen. Der Knaller! Der Burner! Das grosse Finale!
Es ist ein Quiz. Ja, schon wieder. Mit ein bisschen Schleim auf dem Kopf. Gähn. Die drei versichern sich, dass sie es jeweils dem anderen gönnen, eine Runde weiter zu kommen. Oh Gott, oh Gott, oh Gott! Gleich schaue ich mir eine Folge von "Die Bachelorette" an. Das ist dagegen ja ein Thriller. Jetzt sagt Costa auch noch: "Ich will zurück in den Dschungel, weil das macht mir Freude."
Aber so funktioniert das doch nicht! Das Dschungelcamp macht nur Freude, wenn es den Promis keine macht! Versteht das denn hier keiner? Irgendwas läuft hier schief! Das kann doch alles nicht wahr sein! Habe ich mich etwa getäuscht? Ist das hier nur das grosse Resteverwerten? Ein zehn Jahre altes Best-of der ersten Staffel? Mit maximal zwanzig Minuten neuem Sendematerial? Das Sommerloch lässt grüssen? Das wäre doch Beschiss am Zuschauer! Das will ich nicht glauben. Also, gleich! Der Knaller! Der Burner! Das grosse Finale!
105 Minuten ohne Höhepunkt
Die Sendung ist vorbei. Ja, wirklich, einfach so. Schluss, aus, fertig. Costa Cordalis ist eine Runde weiter. 105 Minuten ohne einen einzigen Höhepunkt. 105 Minuten meines Lebens ohne einen ehrlichen Lacher. 105 Minuten, die ich dazu hätte verwenden können, etwas Unterhaltsameres zu tun. Wie mir ein Frühstücksbrett gegen den Kopf zu schlagen. Und jetzt? Noch acht Folgen von diesem belanglosen Dahinplätschern? Im Ernst? So ganz ohne Kick für den Augenblick?
Ich brauche dringend eine neue Verschwörungstheorie. Zügig, um nicht zu sagen: zackig. Wie wäre es mit: Das alles ist nur der Auftakt zur wahren Mission des neuen Formats. Den König der Könige küren. Der sich in der letzten Staffel absichtlich zum Gespött machte, um jetzt als Superheld zurückzukehren. Der sich todesmutig an einem Seil hinabstürzte, ungeachtet schwerer Verletzungen, die er dabei erlitt. Der Mann unter den Memmen: der Wendler! So muss es sein. Was für ein perfider, genialer Plan von RTL! Chapeau! Ich wusste, ihr lasst mich nicht im Stich. Ansonsten wäre dies ja einfach nur die "Und täglich grüsst das Sommerloch"-Variante einer einst grossartigen Show. Und das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.