"Deutschland sucht den Superstar" steckt in der Krise. Um den Quotenschwund zu stoppen, wurde das Format reformiert. Gesungen wird zwar immer noch, doch es geht nicht mehr darum wie gut, sondern vor allem wie schlecht. Das Ergebnis ist an Fremdscham kaum zu überbieten.
"Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit ist zurück", faselt der Sprecher von "Deutschland sucht den Superstar". Gemeint ist offenbar
Das ist sie dann also, die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Menschen, die versuchen zu singen, und Dieter Bohlen, der sie beleidigt. In der Vergangenheit hat dieses Konzept immer gut funktioniert. "Deutschland sucht den Superstar", kurz "DSDS", ist das erfolgreichste Castingformat im deutschen Fernsehen. Seit 2002 ausgestrahlt, hat es einen wesentlichen Anteil daran, dass RTL zu einem der grössten deutschen Fernsehsender aufstieg. Doch das Interesse verblasste im Laufe der Jahre. Neue Formate wie "The Voice Of Germany" laufen "DSDS" den Rang ab.
Events statt Live-Shows
Zum Start der neuen Staffel reformierte deshalb RTL die Sendung. Die Live-Shows, bei denen traditionell alle Casting-Formate massiv Zuschauer verlieren, gibt es nicht mehr. Stattdessen ziehen die Kandidaten von Konzertbühne zu Konzertbühne für sogenannte "Events". Ob das reicht, müssen die Quoten zeigen. Der Staffelauftakt am Mittwochabend lag mit 27,5 Prozent Marktanteil zumindest deutlich über dem Vorjahr.
Severin ist der erste Kandidat. Er bewegt sich wie ein Tanzbär, singt aber gut. Ausserdem möchte er lieber an der Show teilnehmen anstatt der Geburt seiner Tochter beizuwohnen. Bohlen findet ihn "mega".
Der erste durchgeknallte Kandidat lässt nicht lange auf sich warten. David, aufgedreht wie eine vom Laster gefallene Dose Red Bull, zerhackt Bohlens eh schon scheusslichen Hit "Take Me Tonight". Heino schnaubt, als käme ihm gleich die schwarzbraune Haselnuss hoch. Singen lassen sie ihn trotzdem bis zum bitteren Ende. Dazwischen schneidet RTL heulende Hunde. Irgendwann ruft Bohlen "Gnade" und sagt: "Mach Unterwäschemodel – im Radio."
"DSDS" nach der Reform ist also genauso wie "DSDS" vor der Reform: Es wird gesungen, vor allem aber versagt, geheult, blamiert und gepöbelt. Ach ja, und ein Spanier namens Jesus robbt im Meerjungfrauenkostüm auf dem Fussboden vor das Jurypult.
Fremdschämen statt Sängersuche
So geht das immer weiter. Kandidaten singen und Bohlen sagt Sätze wie "Du kannst gar nichts" und "klingt wie eine Ziege beim Schlachten." Zur Maximierung der Pein können die anderen Teilnehmer alles draussen auf Bildschirmen live mitverfolgen. Eine jugendliche Drag-Queen tritt auf, sie lachen. Eine Partysängerin räkelt sich auf dem Pult, sie amüsieren sich köstlich. Dass sie die nächsten sind, denen es so ergehen wird, so weit reicht offenbar bei keinem der Horizont.
Um Musik geht es hier nur noch am Rande. Aber natürlich ging es das auch nie. Keines dieser Formate sucht Stars. Weder "DSDS" noch "The Voice". Die Show ist der Star. Was am neuen Konzept von "Deutschland sucht den Superstar" aber besonders auffällt ist, dass sich das Format nicht einmal mehr die Mühe macht, den Anschein zu erwecken, es caste Sänger. "DSDS" 2015 ist eine Auswahl von Freaks und Selbstdarstellern, die zum Schafott geführt werden, damit Bohlen sie richtet. In zwei Stunden Sendezeit tritt nur ein Sänger an, der auch diese Bezeichnung verdient. Es ist Severin, der erste Kandidat. Danach folgt nur noch Fremdschämen. Aber eines muss man "Deutschland sucht den Superstar" lassen: Das setzt kein anderes Format so konsequent um, wie die RTL-Casting-Show.
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