Am Mittwochabend schickte RTL seinen Casting-Dauerbrenner "Deutschland sucht den Superstar" zur Primetime in die 14. Staffel. Unter dem Motto "No Limits" wagten sich verrückte Vögel und einige wenige Gesangstalente vor die Jury.
Dabei spiegelt das Motto gleichzeitig das Problem der Castingshow wider: Alles ist erlaubt. Und genau deshalb singen die einen gemeinsam mit ihrem heulenden Hund, während die anderen sich für den grossen Auftritt in den Bauch tackern.
Das mit dem Motto ist bei DSDS so eine Sache. Eigentlich könnte es auch lauten: Schräg, schräger, am schrägsten. Für das Format selbst endete die letzte Staffel trotz dieser Strategie eher schlecht als recht.
Beim Finale 2016 sahen im Schnitt 3,6 Millionen Zuschauer zu. Für RTL, das einst über 12 Millionen Castingfans vor die Bildschirme lockte, ein Rekordtief. Dennoch geht es Jahr für Jahr weiter.
Deshalb ist 2017 – wie immer –
Robin, der singende Pizzabäcker
Robin ist unscheinbar. Einer, dem auf den ersten Blick wahrscheinlich niemand viel zutraut. Einer, der bis vor kurzem arbeitssuchend war und jetzt als Aushilfe Pizza backt. Mit seinen 20 Jahren ist er dankbar, mitmachen zu können: "Ich bin so froh, hier sein zu dürfen."
Einmal von einer grossen Karriere als Musiker träumen. Für einen klitzekleinen Moment nicht nur unter der Dusche singen. In den Augen der Jury sieht Robin nicht nach dem "Star" aus, den sie angeblich suchen. Aber er ist nützlich, sorgt er doch für den gewünschten Überraschungseffekt.
Nach den ersten Tönen von Andreas Bouranis Hit "Hey" wird dann klar: Der Pizzabäcker, der noch nie Gesangsunterricht hatte, erweist sich als Naturtalent. Wie gross die Überraschung darüber ist, dass Robin etwas kann – nämlich singen – fasst Michelle unverblümt zusammen. "Du kamst da rein und ich war mir sicher, das wird nichts; das habe ich dir überhaupt nicht zugetraut."
Er bekommt von allen Jurymitgliedern ein Ja. Robin steht für die tiefsinnige Lehre an den Zuschauer, die da lautet: "Auch jemand, der nicht aussieht wie ein Hollywoodstar, kann vielleicht etwas."
Hellseherische Hiobsbotschaften und heulende Hunde
Weil Robin etwas kann, muss eine Kandidatin vorgeführt werden, die nicht singen kann. Da trifft es zum Beispiel die gutmütig und naiv wirkende Stephanie. Zu allem Übel wird sie vor laufender Kamera zu einer schrägen Tarotkartenlegerin geschickt.
Die prophezeit ihr, der Weg bei DSDS sei nicht der richtige für sie. Stephanie soll lieber Kinder bekommen und eine Familie gründen. Spannende Sichtweise.
Ob das genug der Schmach ist? Weit gefehlt. Denn die Kandidatin blinzelt oft mit den Augen – ein gefundenes Fressen. Alle Bilder von ihr, die sie stark blinzelnd zeigen, werden zusammengeschnitten. Dazu dröhnt "Deine Augen machen bling bling." Als Zuschauer wünscht man der jungen Frau schon jetzt, jemand hätte sie von der Teilnahme abgehalten.
Allerdings kommt es noch schlimmer. Die ersten Sekunden ihrer Performance von "Du wirst alle Jahre schöner" sollen ein Mal mehr beweisen, wie peinlich DSDS sein kann. Schlimmer als der schiefe Gesang ist die Jury – weil niemand Stephanie unterbricht. Und weil der ein oder andere sie anfeuert. Einfach, um noch mehr peinliche Momente für die Quote rauszuschlagen.
Apropos Quote. Ein anderes probates Mittel neben der Blamage ist die Skurrilität. Hierfür hält unter anderem Strassenmusikerin Nicolette her, die mit ihrem Hund auftritt. Im Refrain heult der Vierbeiner, ansonsten singt Nicolette und begleitet sich mit der Gitarre. Dabei fällt sie weder mit schiefen, noch mit Gänsehaut-Tönen auf.
Wer dagegen auffällt? YouTube-Sternchen Shirin David. Sie kann mit ihren 21 Jahren zwar sprechen – allerdings leider nicht aus Erfahrung. Ihr Argument gegen Nicolette: "Ich kann mir dich einfach nicht auf einer Bühne vorstellen." Vielen Dank für die Blumen. Und der Zuschauer mag sich Shirin, die in ihrem zarten Alter bereits ein künstliches Gesicht wie aus Wachs hat, kaum ungeschminkt vorstellen.
Ein Tacker für den Showeffekt
Von Kandidat zu Kandidat wird der Zuschauer mal mit Talent, mal mit Peinlichkeit versorgt. Schmerzgrenze gibt's keine. Schliesslich lautet das Motto "No Limits".
Bei einem Teilnehmer ertönt das Lied "Geh' doch zu Hause, du alte Scheisse", nachdem er vier Mal verneint wurde. Ein Unbelehrbarer kehrt sogar trotz ablehnender Worte binnen Sekunden zurück und sorgt dank seines schrägen "Gesangs" dafür, dass die Jury das Studio verlässt.
Und damit bei all den Blamagen die Emotionen bedient werden, kommt der zurückhaltende 17-jährige Sandro ins Spiel. Konzentriert und gefühlvoll schmettert er "You raise me up." Shirin weint. Die Jury ist gerührt. Das reicht aber nicht.
Michelle gibt ihm die goldene CD für den Recall – dadurch überspringt Sandro eine Runde und ist automatisch beim zweiten Recall in Dubai dabei. Keine Sorge, er tackert sich nicht vor Freude in den Bauch.
Das übernimmt der tätowierte und absichtlich gruselig gestylte Abschlusskandidat, der "Schrei nach Liebe" von den Ärzten zum Besten gibt. Damit kommt er übrigens ebenfalls in den Recall.
Und statuiert zum Abschluss das letzte Exempel: Wer böse aussieht, kann trotzdem sympathisch sein. Denn es gibt keine Grenzen. Weder für den guten Geschmack, noch für das wertvolle Widerlegen von verstörenden Vorurteilen.
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