Knappe Entscheidung: Jan-Marten Block ist der Sieger der 18. Staffel "Deutschland sucht den Superstar". In einem Kuschelfinale holt sich Block nicht nur den Titel, sondern auch einen Plattenvertrag, einen Pokal und 100.000 Euro. Nur einer wurde fast vergessen – obwohl er den ganzen Abend unsichtbar im Raum sass.

Christian Vock
Eine Kritik
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Es hätte symbolischer nicht sein können. Als Jan-Marten Block am sehr späten Samstagabend den Siegespokal in die Höhe reckt, löst sich dabei im Gedränge das kleine "Deutschland sucht den Superstar"-Schildchen und Oliver Geissen muss den ramponierten Pokal in Sicherheit bringen. Ein kleiner Makel an einem sonst so harmonisch inszenierten Abend.

Für Block war es trotz der Pokalpanne ein Moment des Glücks, vor allem aber ein Moment, der ganz ihm gehörte. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen Gewinner, aber in diesem Jahr nicht ganz so selbstverständlich. Denn als hätte die Corona-Pandemie nicht schon für genug Unwägbarkeiten bei DSDS gesorgt, schien in dieser Staffel die Aufmerksamkeit auf allem Möglichen zu liegen, nur nicht auf den Kandidaten.

Den Anfang machte das eigentliche Jury-Mitglied Michael Wendler, als er mit Verschwörungstheorien zur Corona-Pandemie auf sich aufmerksam machte und aus der Show ausstieg. Wenig später schnitt RTL den Sänger wegen seiner Äusserungen aus den bereits aufgezeichneten Folgen wieder raus.

Das alleine wäre schon Ärger genug, doch kurz vorm Halbfinale hatte RTL selbst noch einen Paukenschlag parat, als der Sender verkündete, die kommenden Staffeln ohne DSDS-Urgestein Dieter Bohlen produzieren zu wollen. Prompt meldete sich Bohlen krank und Thomas Gottschalk sprang für ihn ein.

DSDS-Finale: Hauptsache mit Gefühl

Nein, es war wirklich keine Staffel, in der das Hauptaugenmerk auf den Kandidaten lag. Das kann man bedauerlich finden, aber im Grunde ist es nur konsequent, so wirklich im Mittelpunkt standen die Kandidatinnen und Kandidaten schliesslich nie. Denn genauso wenig wie Heidi Klum "Germany's Next Topmodel" sucht, suchten Bohlen und RTL einen Superstar. Zumindest konnte Bohlen in 18 Jahren keinen einzigen echten Superstar finden.

Nein, das einzige Ziel der Show ist die Show selbst, und die kochte in diesem Jahr auf einer kleineren Flamme als sonst. Weil ohnehin kein Publikum anwesend sein durfte, hat man sich wieder für ein kleineres Studio in Duisburg entschieden, weil man sich "in dieser Club-Atmosphäre" so wohlgefühlt habe, wie Moderator Oliver Geissen am Samstagabend erklärt.

Weil kleiner aber wohl immer noch zu gross ist, überraschte RTL die Finalkandidaten Starian McCoy, Kevin Jenewein, Karl Jeroboan und Jan-Merten Block damit, dass pro Kandidat eine Person aus Freundes- oder Familienkreis live und vor Ort dabei sein durfte. Oder wie es Oliver Geissen ausdrückte: "Wir möchten, dass ihr euch wohlfühlt."

Es wurde also ein bisschen familiärer, was der Show zwar seine gewohnte Samstagabendfernsehunterhaltungsatmosphäre nahm, aber zum Glück auch die arrangierte Familienclananfeuerungshysterie im Studio. Auch Geissen wollte seinen Teil zur Kuschelatmosphäre beitragen und löcherte die Kandidaten mit Fragen wie: "Was bedeutet es, dass dein Vater jetzt hier ist?"

Die tun nichts, die wollen nur singen

Bei so viel Gefühlsseligkeit mussten natürlich auch die Songs der Kandidaten passen und so trieben Jeroboan, Block und Co. die Ed-Sheeranisierung der Gesangsshows weiter voran: Lewis Capaldi, Rag'N'Bone Man, Kaleo und natürlich Ed Sheeran – fast alle Songs, die die Kandidaten in der Finalshow sangen, stammten aus dem R 'n' B- und Soul-Pop-Balladen-Bereich. Nichts, was dem aktuellen Radio-Mainstream wehtun könnte.

Niemandem wehtun wollte auch die Jury. Statt Kritikpunkte zu suchen und zu finden, rissen Thomas Gottschalk, Maite Kelly und Mike Singer die Kiste mit den Gesangsshowjurysprüchen ganz weit auf und überschütteten die Kandidaten mit einem Superlativ nach dem anderen, sodass all die Lobhudeleien am Ende ihre Wirkung verloren.

Denn wenn alles herausragend ist, ist eben nichts mehr herausragend: "Es tut einfach so gut, dir zuzuhören", "Du bist so ein Vollblutmusiker", "Es ist wie ein Gebet" oder "Du hast deine Seele in dieses Lied gelegt" waren nur einige von vielen Beurteilungsfloskeln.

DSDS-Finale: War da noch was?

Alles also ganz harmonisch und so wurde auch keiner der Kandidaten, wie sonst in solchen Gesangswettbewerben üblich, frühzeitig nach Hause geschickt. Alle vier Herren sangen drei Songs, erst ganz am Ende, um kurz vor Mitternacht, erfuhren Zuschauer und Kandidaten, wer "Deutschland sucht den Superstar" 2021 gewinnt und Block konnte seinen Moment geniessen.

Aber war da nicht noch etwas? Irgendjemanden vergessen? Es dauerte etwa dreieinhalb Stunden, bis jemand auf die Idee kam, auf den fehlenden Dieter Bohlen näher einzugehen. Zweimal fiel der Name "Dieter" zuvor eher beiläufig, doch erst Vorjahressieger und "Überraschungsgast" Ramon Roselly drückte seine Enttäuschung darüber aus, dass Bohlen im Finale nicht dabei ist.

Schnell holten die anderen ihre Bedauernbekundungen nach, doch da war es zu spät, um Bohlen angemessene Abschiedsworte zu bereiten. Denn egal, was man von Bohlen hält und egal, wie die Trennung verlaufen ist: Eine kleine offizielle Erwähnung nach 18 Jahren Betriebszugehörigkeit hätte RTL sicher nicht wehgetan.

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