Eigentlich sollen in der VOX-Show "Ewige Helden" ehemalige Profisportler gegeneinander antreten, um zu ermitteln, wer der beste Athlet von ihnen ist. Doch die erste Folge der zweiten Staffel wirkt eher wie ein Rehabilitationsprogramm für die Teilnehmer.
Ein wenig erinnert es an eine Pyjama-Party im Sport-Internat. Auf der Couch ganz nah zusammengerutscht sitzen acht ehemalige deutsche Topathleten und sehen sich die Höhepunkte der Karriere von Langläuferin und Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle an.
Erste Wettkämpfe mit zehn Jahren, gefilmt vom Vater, der im Hintergrund die Tochter immer wieder anfeuert. Direkt Gold bei ihren ersten Olympischen Spielen, 2002 in Salt Lake City. Grossaufnahme von ihrem Gesicht, sie beisst sich auf die Lippe, ist noch immer ergriffen von diesem Moment.
Dann, natürlich, das Drama. Erster Dopingvorwurf 2006, eine Schutzsperre von fünf Tagen folgt. Kurz darauf sind ihre Blutwerte wieder normal, Sachenbacher-Stehle darf starten.
2014 entdecken die Kontrolleure in ihrem Urin erneut Spuren einer verbotenen Substanz: Methylhexanamin, das die körperliche Leistungsfähigkeit steigert. Zwei Jahre wird die Biathletin dafür gesperrt. Sie beteuert noch heute ihre Unschuld, sie habe die Substanz über ein Nahrungsergänzungsmittel zu sich genommen, das sie von einem Ernährungsberater erhielt.
Ihr stockt dabei der Atem. Die anderen Sportler richten sich auf der Couch auf, schauen betroffen. Einige sehen aus, als würden sie gleich weinen.
"Sing mein Song" mit Sport statt Musik
Es ist der Höhepunkt der ersten Folge der zweiten Staffel von "Ewige Helden", einem aus Schweden importierten Format, das VOX im letzten Jahr eher mittelmässige Quoten bescherte. Eine Mischung aus "Big Brother" und Xavier Naidoos "Sing meinen Song", nur mit Sport statt Musik.
Eigentlich soll es in der Show um Sportler gehen, die in Wettkämpfen antreten. In der ersten Folge zum Beispiel lehnen die ehemaligen Athleten in der Hocke an einer Wand, bis ihnen die Waden versagen.
Dazu spult ein unaufgeregter Sportkommentator die üblichen Floskeln wie "Der Muskel macht zu!" und "Den Schmerz wegatmen!" ab. Garniert mit Nonsens-Weisheiten a la "Nicht spekulieren, ansonsten besteht die Möglichkeit, dass man sich verspekuliert." Die Sportler kennen das, sie ignorieren es.
Oder sie werfen sich auf das Leuchten einer Lampe hin auf den Boden. Fahren mit Pfeil und Bogen auf Skiern mit Rollen durch die Wüste in einer Biathlon-Variante, die Evi Sachenbacher-Stehle als ihr "Heimspiel" ausgewählt hat, also den Wettkampf in dem sie einen Vorteil hat. Eine Neuerung in dieser Staffel.
Vom "Ewigen Helden" zum Dschungelcamper
Doch eigentlich geht es um das grosse Drama. Ex-Athleten aus Randsportarten, die neben dem Fussball abseits der Grossveranstaltungen ihrer Disziplinen sonst wenig Chancen im Fernsehen haben, bewerben sich für Höheres. Oder Niederes. Ex-Fussballweltmeister Thomas Hässler nahm an der ersten Staffel teil und landete dieses Jahr im Dschungelcamp.
In diesem Jahr sind unter anderem Rennrodlerin Silke Kraushaar-Pielach, Hockeyspielerin Fanny Cihlar, Stabhochspringer Björn Otto oder auch bekanntere Fernsehgesichter wie Beachvolleyballer Julius Brink, Eiskunstläuferin Tanja Szewczenko oder Turner Fabian Hambüchen dabei.
Sie alle suchen die Aufmerksamkeit nach der Karriere. Björn Otto etwa absolvierte nur drei Wochen zuvor noch seinen letzten Wettkampf. Doch Sympathien gewinnt man immer noch am einfachsten über Emotionen.
Also taucht Evi Sachenbacher-Stehle noch tiefer in ihre persönliche Krise ein. Zwar wird die Strafe ihrer Dopingsperre kurz darauf auf sechs Monate gekürzt, doch sie beendet daraufhin ihre Karriere und berichtet, wie es ihr danach erging. Florian Hambüchen erklärt entrüstet, dass die Medien einen dann "schlachten" und wirft ihnen vor, dass sie sich für die Niederlagen mehr interessieren als für die Erfolge. Die anderen stimmen zu.
Wettkampf oder Psychogramm?
Und natürlich haben sie recht. Nichts ist so interessant, grausam und ungerecht zugleich, wie der Fall von Helden und ihre Demontage. Das ist aber keine Legitimation, ihnen ein Forum zu bieten, in dem sie sich vollkommen unkritisch inszenieren können.
Immer wieder betont Evi Sachenbacher-Stehle, dass sie unschuldig sei. Das mag ihrer Auffassung nach stimmen - ändert aber nichts daran, dass sie eine verurteilte Dopingsünderin ist.
Ihre Erlösung fand die Biathletin nach dem Ende dann in ihrer Familie. Da habe sie gemerkt, was wirklich wichtig sei.
Vielleicht findet das VOX auch noch im Laufe der weiteren Folgen heraus - bei der Frage, ob "Ewige Helden" nun eher Wettkampf oder unkritisches Psychogramm sein will.
Die Vermutung geht zu letzterem. Schliesslich sollte statt Björn Otto der ehemalige Zehnkämpfer Jürgen Hingsen teilnehmen. Der Mann also, der mit einem dreifachen Fehlstart über 100 Meter in Seoul 1988 lebenslang zur tragischen Figur wurde.
Und viel mehr Drama geht ja nun wirklich nicht.
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