• "Better Call Saul", "The Mandalorian", "House of the Dragon" – seit einiger Zeit kommen immer mehr Spin-offs, Prequels oder Remakes auf den TV-Markt und es hört nicht auf.
  • Joachim Kosack, Geschäftsführer der UFA GmbH, erklärt im Interview den aktuellen Spin-off-Hype.
Ein Interview

Joachim Kosack ist Geschäftsführer der UFA GmbH und einer der erfolgreichsten Fernsehmacher Deutschlands. Wir haben mit ihm über den aktuellen Spin-off-Hype gesprochen, was dahinter steckt und welche Serie man sich unbedingt ansehen sollte.

Mehr News über TV-Shows

Herr Kosack, besonders auf dem internationalen Markt scheint es gerade einen "Spin-off-Hype" zu geben. Nehmen Sie das auch so wahr?

Joachim Kosack: Das nehme ich absolut so wahr. Nur muss man sagen, dass im angelsächsischen und amerikanischen Bereich Remakes, Reboots oder Spin-offs immer schon üblicher waren als in Deutschland. Aber, dass in Zeiten wie diesen, in denen sich der Markt so fragmentiert, die Suche nach neuen Brands ungleich schwerer wird als noch vor 30 oder 40 Jahren, ist klar. Insofern ist jede Marke, auf die man aufsatteln kann, immer ein Vorteil, weil man – zumindest theoretisch – davon ausgehen kann, dass Leute, die diese Marke mögen, dann auch mal das Remake oder das Spin-off der Marke ansehen. Man muss es schaffen, die Menschen in diesen Millionen von Produktionen zu erreichen.

Experte: Kommt darauf an, ob ein Inhalt stark genug ist

Das heisst, die Entscheidung für ein Spin-off fällt eher aus ökonomischen Gründen zur Zuschauerbindung als aus inhaltlichen?

Sicher sind Filmproduktionen wirtschaftliche Unternehmen und denken auch ökonomisch. Aber es geht vor allem darum: Hier ist eine Geschichte oder Figur so gut, dass man sie noch weitererzählen muss. Berühmtes Beispiel ist "Unter der Sonne Kaliforniens". Das ist ein ganz frühes Spin-off der Serie "Dallas". Die Macherinnen und Macher glaubten an die Kraft der Figur und haben dann die Geschichte dieser Figur weiterentwickelt. Es hat also auch immer etwas damit zu tun, ob ein Inhalt stark genug ist.

Nehmen wir "Herr der Ringe" oder die "Spider-Man"-Welt. Spider-Man ist eine super Figur und warum soll man das nicht noch einmal nutzen, wenn sie so stark ist? Es ist ein bisschen zu einfach zu sagen: Nur weil’s geklappt hat, weil etwas wirtschaftlich gut war, kann man es noch einmal machen. Es ist wirtschaftlich gut, weil es inhaltlich gut ist.

Wie sind denn die Entscheidungsprozesse, welche Serie ein Spin-off bekommt?

Da gibt es keine grundsätzlichen Regeln. Spin-offs entstehen durch diejenigen, die auch die Rechte daran haben, also die Produktionsfirmen oder die Auftraggeber in Deutschland, die Sender. Gemeinsam mit den Autorinnen oder Autoren wird dann eine Geschichte kreiert. Lange gab es wenig Remakes und plötzlich sind solche Formate wieder unheimlich gefragt. Auch im Show-Bereich wie bei "7 Tage, 7 Köpfe". Es muss entweder ein Interesse an einem inhaltlichen Moment geben oder die Marke muss so stark sein, dass man sich fragt: Fällt uns dazu nicht noch mehr ein?

Worin liegt der Reiz eines Spin-offs für einen Produzenten?

Der Reiz liegt darin, die Geschichte einer spannenden Figur zu vertiefen. Es gab um die Jahrtausendwende den Versuch eines Spin-offs von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", das war "City Lights". Hier wollte man aus einer starken Marke noch einmal etwas anderes machen. Dann wurden Figuren genommen, die schon lange nicht mehr in der Serie waren. Zudem wollte die Hauptdarstellerin nicht mitspielen und musste neu gecastet werden. Letztlich funktionierte das dann nicht, weil es keinen echten Bezug mehr zur Ur-Serie gab.

Es ist interessant, wenn es eine ganz starke Figur gibt. Seit kurzem läuft auf RTL+ unsere UFA Serial Drama-Serie "Leon – Glaub nicht alles, was du siehst" mit Daniel Fehlow auf Rügen. Leon ist seit fast 25 Jahren eine der wichtigsten, tollsten und stärksten Figuren von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Und Daniel Fehlow hat immer davon geträumt, in dieser Serie mal am Meer zu leben und dort eine Art Strandbude zu haben. Als nun die Idee aufkam, mit Leon etwas zu machen, hat man das weitererzählt, aber gleichzeitig ist es eine völlig eigene Welt.

Wir haben nun die Kombination aus einer spannenden Figur aus "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", in einer Serienwelt, die nichts mit "GZSZ" zu tun hat, und einer Surfer-Serie. Dazu kommt noch das Zusammenspiel von Daniel Fehlow und Susan Sideropoulos, deren magische Verbindung ihrer "GZSZ"-Rollen Leon und Verena viele Zuschauerinnen und Zuschauer damals begeistert hat und die nun in dem Spin-Off ebenfalls wieder eine wichtige Bedeutung bekommt.

Muss dann dieses Spin-off genauso erzählt werden wie die Ursprungsserie oder kann man hier experimentieren?

Die Wirkungsmechanismen sollten ähnlich sein. Die Figur Leon Moreno jetzt als Hauptkommissar einer neuen Vorabendserie zu sehen – ich glaube, das wäre eine Enttäuschung. Ich erwarte Leon Moreno nicht in einem Krimi, sondern in einem Format, das mir ähnliche emotionale Trigger gibt wie das Originalformat. Das Feeling, das man im Spin-off hat, kann nicht plötzlich ein völlig anderes Genre bekommen, sondern sollte weiter eine warme, melodramatische, spannende und heitere Wirkungsstruktur emotionaler Trigger in der dramaturgischen Aufstellung haben.

Erfolg oder Flop: Erst hinterher ist man immer schlauer

Warum floppen manche Spin-offs und andere nicht? Hat man dann vielleicht die Hauptfigur überschätzt?

Für jeden Erfolg und jeden Flop gibt es immer eine individuelle Antwort. Vielleicht hat man tatsächlich den Charakter überschätzt oder die Figur in eine falsche Welt gesetzt. Hier gibt es nicht die eine Antwort. Hinterher ist man immer schlauer.

Kann ein Spin-off dem Original auch schaden, wenn es zum Beispiel floppt oder sogar besser ist?

Ich kenne kein Beispiel, bei denen das Spin-off die Hauptmarke beschädigt hat, und das glaube ich auch nicht. Am Ende muss ein Spin-off ein Format mit einer eigenständigen Erfolgs- oder Misserfolgsgeschichte sein. Es gibt natürlich immer ein bisschen die Sorge, wie weit man eine Zitrone ausquetschen kann: Wie viele Ableger kann ich aus einer gesunden Pflanze machen? Aber das stört dann weniger die Hauptmarke, sondern ist eher eine Marketingfrage. Nehmen Sie das Eis Magnum. Wie viele Magnums kann man zur Ur-Marke noch setzen?

Da gilt dann wieder das angesprochene Prinzip der starken Inhalte? Wenn auch der 17. Ableger inhaltlich noch stark genug ist, wird er gemacht?

Absolut. Und wenn er stark genug ist, wird auch der 17. Ableger am Ende noch ankommen. Es ist immer eine Frage des Inhalts. Man hat es bei einem Spin-off lediglich ein bisschen leichter, weil man die Aufmerksamkeit schneller auf sein Angebot bekommt. Wenn aber die ersten Folgen des Spin-offs nicht ankommen, dann nützt mir auch nicht, dass es ein Ableger ist.

Gibt es für Sie als deutsche Produktionsfirma den Druck des internationalen Markts beim Spin-off-Hype in irgendeiner Weise nachziehen zu müssen?

Der Druck ist sowieso da. Zum einen boomt der Markt und es wird so viel produziert wie noch nie. Zum anderen sind auch so wahnsinnig viele Player im Markt, dass man sich eben in irgendeiner Weise überlegen muss, was man Auftraggebern anbietet, um sich bei den 2.000 Einreichungen durchzusetzen. Das ist aber weniger ein Druck, sondern eher ein Ansporn. Gleichzeitig ist es ein Vorteil, wenn man sagen kann: Überall auf der Welt funktionieren Spin-offs und Remakes – dann könnten wir das doch auch. Es erweitert die Möglichkeiten.

Ein Tipp von Ihnen zum Schluss: Gibt es aktuell eine Serie, die Sie persönlich empfehlen würden?

Eine Serie, die sich lohnt und die sogar fast eine Art Spin-off ist, weil es die Figur schon in einem anderen Format gab. Das ist die Figur von Ted Lasso bei Apple TV. Das war eine Comedy-Figur eines amerikanischen Football-Trainers, der sich über den englischen Fussball lustig macht. Jahre später wurde daraus eine Serie gemacht, in der der Footballtrainer Ted Lasso mit seinem Co-Coach unter falschen Voraussetzungen zu einem englischen Premier-League-Club gebracht wird. Es ist sehr interessant, wie mit dieser Figur umgegangen wurde. Für mich eine der besten Serien der letzten zehn Jahre. "Ted Lasso" muss man gesehen haben.

Zur Person:

Joachim Kosack, geboren 1965 in Gunungsitoli auf Nias, Indonesien, war Chefautor, Producer und Regisseur für verschiedene TV-Serien zum Beispiel für "GZSZ" oder "Hinter Gittern". 2011 war er Sendergeschäftsführer von Sat.1. Heute ist er Geschäftsführer der UFA GmbH und der UFA Serial Drama GmbH in Potsdam.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.