Zum ersten Mal in der Geschichte von "Germany's next Topmodel" wurde während des Finales protestiert. Zwei Aktivistinnen der Feministen-Gruppe "Femen" haben am Donnerstagabend das Finale der Modelshow gestört. Ausgerechnet in dem Moment, als Favoritin Luise Will aus der Sendung flog, stürmten Hellen und Zana auf den GNTM-Laufsteg. Wir haben am Freitagmorgen exklusiv mit den beiden Frauen über die Hintergründe ihrer Aktion gesprochen.
Wie geht es euch nach eurem Protest?
Hellen: Müde, wir sind etwas ausgelaugt. Wir haben ein paar blaue Flecken abgekriegt, aber sonst ist alles in Ordnung.
Aber ihr seid nicht verletzt, oder?
Zana: Nein, es gab nur blaue Flecken. Man merkt das immer einige Tage später. Ich hab ein paar abbekommen.
Hellen: Ich wurde auf den Boden geschmissen und habe blaue Flecken an den Armen und Knien.
Was wolltet ihr mit der Aktion bezwecken?
Zana: Wir sind gegen die Werte, die "Germany's next Topmodel" ausdrückt. Es ist eine Show, die falsche Frauenbilder vermittelt. Diese Sendung ist auf eine sehr junge Zielgruppe ausgerichtet, die das Topmodelwerden sehr ernst nimmt. Es wird ein falsches Bild vom eigenen Körper wiedergegeben.
Hellen: Man muss auch wirklich sagen, wie krank es doch ist, zu sehen, wie kleine Mädchen zwischen fünf und 15 Jahren dort in der Halle rumgelaufen sind. Und dann wurden diese Mädchen auch noch gefragt: "Wer will denn alles Topmodel werden, der soll bitte jetzt schreien." Und dann haben diese kleinen Mädchen ganz laut geschrien, wirklich abartig. Ich kann es nicht verstehen.
Dieses Jahr haben ja auch Minderjährige bei "Germany's next Topmodel" mitgemacht. Wie seht ihr das?
Hellen: Alleine schon das sexualisierte Finale am Donnerstagabend. Wie sich diese Mädchen auf dem Laufsteg bewegen mussten. Und beim Burlesque-Tanz wurde immer mehr Hüftschwung abverlangt. Ich meine: Hallo? Sie ist minderjährig. (Anm. der Red.: Lovelyn ist 16 Jahre alt) Heidi Klum hat sich während der gesamten Staffel wie eine Zuhälterin verhalten. Sie sorgt dafür dass die Frauen sich so benehmen und verkaufen, dass sie von der Gesellschaft für sexy empfunden werden.
Habt ihr deshalb auch den Slogan "Heidi Horror Picture Show" gewählt?
Zana: Ja, und geschrien haben wir eben: "Kein Foto für Heidi". Wir finden es echt schlimm, wie man die Mädchen bei den Entscheidungen vorführt und ihnen je nach vollbrachter Leistung ein Foto aushändigt und die Entscheidung so lange hinauszögert. Nach dem Motto: "Vielleicht kriegst du ein Foto, vielleicht nicht."
Hellen: Die Mädchen werden einfach schamlos ausgenutzt.
"Kein Foto für Heidi" haben die Zuschauer vor dem TV aber nicht gehört ...
Hellen: Sie hat es aber gehört. Wir standen direkt vor ihr. Ich konnte ihr ins Gesicht brüllen. Und sie hat es gehört.
Hat Heidi Klum reagiert? Ist sie auf euch zugegangen?
Hellen: Nein, vom Produktionsteam hiess es nur laut: "Hier wird nicht diskutiert, die verstehen das eh nicht, das ist eine Show!"
Ihr wurdet dann praktisch aus dem Saal gezerrt. Was kam danach?
Hellen: Die SAP-Arena (Anm. der Red.: in Mannheim) hat ja auch eine eigene Wache. Wir wurden in so ein Zimmer gebracht und unsere Personalien wurden aufgenommen. Dann mussten wir uns noch von einer Polizistin beleidigen lassen. Das war auch richtig krank.
Was hat sie denn gesagt, wenn ich fragen darf?
Hellen: Eigentlich das gleiche, was uns immer vorgeworfen wird. Dass wir kleine Mädchen sind und nur Aufmerksamkeit wollen.
Zana: Und, dass wir eine Schande für alle Frauen sind.
Wir haben ein Statement von ProSieben vorliegen. Wollt ihr das kurz kommentieren?
Hellen: Wenn wir es kennen würden, gerne.
Ich lese es mal vor: "Die beiden jungen Frauen haben den Castingaufruf für die nächste Staffel von 'Germany's next Topmodel - by Heidi Klum' wohl falsch verstanden. Das Casting war vor der Arena und nicht auf der Bühne." Bei ProSieben nimmt man es mit Humor.
Hellen: (lacht) Okay. Natürlich müssen sie es so verkaufen, aber sie haben sich gestern Abend richtig aufgeregt. Es hat sie angekotzt, dass nicht alles perfekt gelaufen ist. Sie fanden es nicht okay, dass jemand diese Show nicht toll findet und sagt: "Ja, super, ich will auch Topmodel werden und das am Liebsten mit sechs Jahren. Und am liebsten zeige ich mich auch mit sechs Jahren nackt."
Zana: Ist das alles? Keine Ahnung. Also am Donnerstagabend fanden sie es überhaupt nicht witzig.
Aber man hat euch nicht mit Anzeige gedroht, oder?
Zana: Unsere Personalien wurden aufgenommen und wir haben Hausverbot bekommen. Was nun kommen wird, wissen wir nicht.
Denkt ihr, dass euer Protest gelungen ist?
Hellen: Ja, man sieht auch bei Facebook zum Beispiel, dass die Menschen sich mit dem Thema beschäftigen. Egal ob sie positiv oder negativ über uns sprechen, es geht uns einfach darum, dass Menschen über diese Sendung sprechen und auch analysieren und sagen: "Okay, es ist nicht richtig, wie Frauen in der Show verkauft werden." Und wenn wir nur eine Hand voll Menschen erreicht haben, die dann sagen: "Die Sendung ist ja wirklich Müll und das was mit den Mädchen gemacht wird, ist nicht richtig", dann haben wir alles richtig gemacht.
Zana: Klar gibt es Menschen, die unsere Aktion nicht in Ordnung fanden, aber dass über das Thema Frauenbild gesprochen wird, ist einfach grossartig.
Glaubt ihr, dass die Sexismus-Debatte mit Brüderle und dem #Aufschrei noch einmal aufkocht?
Hellen: Klar, die ganze Show hängt ja praktisch damit zusammen.
Zana: Ich denke jetzt nicht, dass nochmal diese Brüderle-Debatte aufgegriffen wird, aber hoffentlich gibt es eine Debatte darüber, wie Frauen in unserer heutigen Gesellschaft angesehen werden und warum gibt es zum Beispiel kein "Germany's next Topmodel" für Männer?
Normalerweise tragt ihr bei euren Aktionen auch Blumenkränze auf dem Kopf. Hattet ihr diesmal keine dabei oder wolltet ihr nicht auffliegen?
Hellen: Klar, wir hatten welche in den Hosentaschen mit. Aber es lief alles so schnell, man muss sich wirklich konzentrieren. Dann kann man nicht auf alles achten. Wir waren so in Action. Uns war wichtig, dass wir keine Menschen gefährden. Dass es auch der richtige Zeitpunkt ist. Wir standen praktisch vor Heidi, wir hätten sie ja umschubsen können. Wir hätten ihr eine knallen können. Wir haben sie nicht berührt, wir haben niemanden berührt. Wir achten sehr darauf, dass es ein friedvoller Protest wird. Natürlich ist er laut und wirkt aggressiv, aber wir wollen mit unseren Aktionen nichts beschädigen und auch niemanden persönlich angreifen. Das geht nicht. Wir hätten am Donnerstagabend Gelegenheit dazu gehabt, aber wir würden so etwas nie im Leben machen. Wir wollen Stellung beziehen und mehr nicht.
Ihr habt dann wohl auch darauf geachtet, dass ihr Tickets in der Nähe der Bühne bucht, oder?
Hellen: Ja, man muss alles im Vorhinein planen. Anders geht's nicht.
Wann habt ihr den Entschluss gefasst und gesagt: Das geht so nicht, wir müssen da was machen?
Hellen: Wir fanden die Show schon immer nicht gut und richtig. Entschieden haben wir es vor drei bis vier Wochen.
Aber ihr habt zum Beispiel letztes Jahr kein "Germany's next Topmodel"-Finale gestürmt, oder?
Hellen: Nein, uns gibt es ja als deutsche Vereinigung seit Mitte letzten Jahres. Wir haben praktisch versucht in solche Aufgaben hineinzuwachsen.
Und wie kann man sich eure Arbeit vorstellen?
Hellen: Man muss viel lernen. Man geht nicht nur raus, zieht sich aus und schreit rum. Es bedarf einer organisierten Planung und man muss viel beachten. Wir müssen uns ja auch fit machen und auf Sicherheit achten. Es ist nicht so einfach wie viele Menschen denken.
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