Deutschland – das Land der Vernichter und Versenker: Komiker Mario Barth war gestern Abend mal wieder als Anwalt des kleinen Mannes unterwegs, um Fälle von Steuergeldverschwendung aufzudecken. Doch der Titel "Mario Barth deckt auf!" erzählt nur die halbe Wahrheit.

Christian Vock
Eine Kritik
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Kennen Sie eigentlich den kleinen Mann? Nein? Dabei müssten Sie ihn eigentlich kennen.

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Der kleine Mann ist nämlich offenbar überall und hat mächtige Fürsprecher. Alleine in der Politik gibt es Hunderte, wenn nicht Tausende, die alle etwas für den kleinen Mann tun wollen.

Besonders vor Wahlen ist die Sorge um den kleinen Mann regelmässig gross und auch wenn viele der besorgten Politiker selbst in ihrem Umfeld keinen einzigen kleinen Mann haben, wissen sie doch immer ganz genau, was der kleine Mann so möchte.

Seit knapp vier Jahren gibt es nun noch jemanden, der sich um den kleinen Mann sorgt: Mario Barth. Mit seiner Show "Mario Barth deckt auf!" klärt Barth einen Fall von Steuergeldverschwendung nach dem anderen auf - für den kleinen Mann.

Barth ist zwar eigentlich Komiker, aber man nimmt ihm die Sorge für den kleinen Mann ab. Schliesslich sieht Barth aus wie du und ich und spricht auch so. Barth ist also so etwas wie ein Komiker mit kleiner-Mann-Hintergrund.

Mario Barth lässt seine "Spürhunde" los

Und dieser kleine Mann, so will es das Show-Konzept, braucht dringend die Hilfe von Mario Barth, ist er doch ohne dessen "Aufdeckungen" der Staatsmacht und ihren Steuerverschwendungen schutzlos ausgeliefert.

Denn diese Staatsmacht und ihre Vertreter sind, so inszeniert es Barth, lediglich eine Ansammlung von inkompetenten Dummköpfen, die nur darauf wartet, das Geld des kleinen Mannes auf den Kopf zu hauen.

Und damit die Volksvertreter genau das nicht mehr tun, gibt es eben Mario Barth und seine "Spürhunde".

Mit "Spürhunden" meint RTL solch Investigativ-Koryphäen wie Holzhammer-Comedian Ingo Appelt oder TV-Moderatorin Ulrike von der Groeben.

Und auch gestern Abend machte diese illustre Truppe, ergänzt durch Fernseh-Anwalt Christopher Posch und kommentierend begleitet von Reiner Holznagel, dem Präsidenten des Bundes der Steuerzahler, wieder Jagd auf unnötig "rausgehauene" Euros – und natürlich wurden sie wieder fündig.

Handtaschen für die Bundeswehr, Handystörung für Gefängnisse, Gehwegabsenkungen ohne Gehweg, Mehrkosten bei der Kölner Oper, natürlich der unfertige Hauptstadtflughafen und noch vieles mehr. Deutschland trennt, so scheint es, nicht mehr viel von einer Bananenrepublik.

Deutschland, ein Land der Unfähigen?

Dass nicht jeder Euro Steuergeld sinnvoll eingesetzt wird – geschenkt. Und dass man dort, wo Steuern verschwendet werden, dies auch öffentlich machen muss – Ehrensache.

Dass man diese Kritik auch gerne einmal lustig verpacken kann, gar keine Frage. Was und wie man kritisiert, sollte dann aber schon Hand und Fuss haben.

Aber genau daran krankte es gestern Abend bei "Mario Barth deckt auf!" ein ums andere Mal.

Da ist zunächst diese Klugscheisser-Attitüde, mit der Mario Barth die vermeintlichen Geldverschwendungsfälle anprangert beziehungsweise durch seine "Spürhunde" anprangern lässt.

Das kann man lustig finden oder nicht, führt aber zu einem grösseren Problem, denn man kann sich nur als Besserwisser inszenieren, wenn es gleichzeitig jemanden gibt, der all das Wissen, das Barth vermeintlich hat, eben nicht hat. Und das sind bei "Mario Barth deckt auf!" die Behörden dieses Landes.

"Wie kann man denn in dieser Stadt einen einzigen Meter gehen, ohne dass einem die Steuerverschwendung ins Gesicht springt", klagt beispielsweise der von Barth durch Köln geschickte Jenke von Wilmsdorff, als sässen in den Kölner Amtsstuben nur Idioten.

Aber der kleine Mann kann bei solchen Sätzen mit dem guten schlechten Gefühl ins Bett gehen, dass "die da oben" "die da unten" mal wieder nach Strich und Faden beschissen und ihr teuer erarbeitetes Steuergeld aus lauter Jux und Tollerei zum Fenster rausgeworfen haben.

Das hat man ja schon immer gewusst und überhaupt und sowieso. Wenigstens deckt der Barth das endlich mal auf!

Die Sache mit der Ausgewogenheit

Ja, wenn dem nur so wäre, denn der Titel "Mario Barth deckt auf!" erzählt noch nicht einmal die halbe Wahrheit.

Die angeblichen Fälle von Steuerverschwendung, die Mario Barth auch gestern Abend wieder aufgedeckt haben will, sind in der Regel schon alle längst bekannt. "Mario Barth kramt vermeintliche Fälle von Steuerverschwendung hervor und bebildert sie für RTL neu, damit er Behörden durch den Kakao ziehen kann" wäre eigentlich der ehrlichere Titel.

Noch ehrlicher wäre es, wenn Barth es nicht nur bei der erstbesten Pointe belassen, sondern ein bisschen tiefer bohren würde – auch wenn die vermeintliche Verschwendung dann vielleicht gar nicht mehr so verschwenderisch aussieht. Wie zum Beispiel bei den Kölner Mülleimern.

Über eben diese Mülleimer ereifert sich Barths Kollege von Wilmsdorff, dass sie wegen der integrierten Müllpresse zum einen 8.000 Euro pro Mülleimer kosten und zum anderen einer extra Leerung bedürfen.

Was für eine Geldverschwendung, prangert von Wilmsdorff an – und belässt es bei dieser Pointe.

Hätte er einmal bei der Stadt Köln nachgefragt, wie es zum Beispiel Journalisten von der Deutschen Presse Agentur (dpa) getan haben, hätte er erfahren, dass die modernen Mülleimer durch die integrierte Presse die drei- bis siebenfache Menge an Müll aufnehmen können und deshalb von der Stadt an viel benutzten Orten aufgestellt worden seien, weil man dort mit dem Müllentsorgen nicht mehr hinterher komme.

Mario Barth, der "grösste Steuergeldverschwendungsstopper"

Aber wozu Ausgewogenheit, wenn man sich wesentlich einfacher Applaus abholen kann. Die Idioten, das sind eben immer die anderen.

Dafür lässt sich Barth lieber vom Off-Sprecher als "grössten Steuergeldverschwendungsstopper aller Zeiten" feiern.

Da passt es ins Bild, dass dem grossen Steuerverschwendungsstopper mit dem Präsidenten des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holzapfel, auch gestern wieder ein Bruder im Geiste zur Seite stand.

Dass der Bund der Steuerzahler aber nichts anderes als eine Lobbyvereinigung ist, die nicht nur den Kampf gegen die Steuerverschwendung auf der Agenda hat, sondern auch den Kampf dafür, dass der Staat – und damit Schulen, Kitas und Co. - möglichst wenig Geld bekommt, auch das wird nicht erwähnt.

Aber das würde ja auch nur wieder eine Pointe versauen.

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