- Die "Sachsenklinik" bekommt Unterstützung: Tan Caglar verkörpert die Rolle des Viszeralchirurgen Dr. Ilay Demir.
- Das Besondere: Der Schauspieler sitzt im Rollstuhl.
- "Es ist schön zu wissen, dass die Produktion von 'In aller Freundschaft' diesen Weg geht und somit eine kleine Revolution im deutschen TV darstellt", erklärt Caglar im Interview.
Tan Caglar wurde mit einer Rückenmarkserkrankung geboren. Das hindert den Deutsch-Türken allerdings nicht daran, von einem Karriere-Höhepunkt zum nächsten zu eilen. Er ist Rollstuhl-Basketballprofi, Motivationstrainer, Berlin-Fashion-Week-Model, Buchautor, preisgekrönter Comedian und jetzt auch Schauspieler. Ab dem 10. August ist der 41-Jährige in der Rolle des Viszeralchirurgen Dr. Ilay Demir in der erfolgreichen Serie "In aller Freundschaft" (immer dienstags um 21 Uhr im Ersten) zu sehen.
Er ist der erste Schauspieler im Rollstuhl, der einen Arzt im deutschen Fernsehen verkörpert. "Ich bin sehr froh und stolz, dass ich diese Rolle spielen darf – auch als eine Art Vorreiter", freut sich
Herr Caglar, Ihr Lebenslauf ist mit zahlreichen Stationen vollgepackt – schlafen Sie auch noch irgendwann? Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?
Tan Caglar: (lacht) Wenn der Tag ein paar Stunden mehr hätte, wäre ich sehr einverstanden. Das Schöne ist aber, dass alles, was ich tue, sich gegenseitig nährt. Wenn ich Basketball spiele, freut sich mein Kopf danach wieder mehr zu arbeiten und Texte zu schreiben. Andersherum ist es genauso. Ich bin sehr froh, dass sich da nichts im Weg steht.
Nachdem Sie mit Mitte 20 aufgrund einer Rückenmarkserkrankung endgültig auf den Rollstuhl angewiesen waren, litten Sie zwei Jahre unter Depressionen. Wie haben Sie sich da herausgekämpft?
Neben der Familie, die mir sehr geholfen hat, war es vor allem der Sport, der mich aus dieser schweren Phase rausgeholt hat. Ich habe sieben Jahre als Profi in der 1. Bundesliga Rollstuhlbasketball gespielt. Das war für mich die Rückkehr ins normale Leben.
Wie bewältigen Sie heute Ihren Alltag: Was können Sie alleine, wo brauchen Sie Unterstützung?
Ich kann so weit alles machen, was ich vorher auch gemacht habe, man muss es nur anders machen. An etwas Essenziellem scheitere ich zum Glück nicht. Was mich tatsächlich etwas nervt, ist das Betanken meines Autos. Da bin ich immer froh, wenn jemand dabei ist und das für mich übernimmt. Das hat aber mehr was mit Faulheit zu tun, wenn ich ganz ehrlich bin.
Rat von Tan Caglar: So sollte man mit Menschen mit Behinderungen umgehen
Fällt es Ihnen schwer, um Hilfe zu bitten?
Früher ja – heute ist es für mich der Inbegriff von Unabhängigkeit. Denn wenn ich nicht um Hilfe bitten könnte, würde ich in vielen Bereichen nicht weiterkommen. Eigenständigkeit heisst auch: Annahme von Hilfe, um seine Ziele zu erreichen.
Viele Menschen haben Angst, etwas falsch zu machen, wenn sie einen Menschen mit Behinderung treffen. Was können Sie diesen mit auf den Weg geben?
Ich kann immer nur empfehlen, sich ganz normal zu verhalten. Vor allem in der Sprache. Man macht keinen Fehler, wenn man zu einem Rollifahrer sagt: "Geh mal da rüber". Oder: "Komm, wir laufen da mal hin". Das ist organisch und das, was wir hören wollen. Normalität. Oder finden Sie: "Roll mal da rüber" besser?
Stichpunkt Inklusion: Wie und wo herrscht in der Politik und Gesellschaft noch dringend Handlungsbedarf?
In der Infrastruktur kann noch einiges gemacht werden. Auch in der Kunst und Kultur. Mehr Möglichkeiten, um öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Es ist schon sehr hart, dass man an etwas nicht teilnehmen kann, nur weil vor Ort keine Barrierefreiheit gegeben ist oder zumindest geschaffen wird.
Erster Fernseh-Arzt im Rollstuhl: "Kleine Revolution im deutschen TV"
Sie sind der erste Schauspieler im Rollstuhl, der einen Arzt im deutschen Fernsehen verkörpert. Was ist das für ein Gefühl?
Ein überfälliges! Ich bin sehr froh und stolz, dass ich diese Rolle spielen darf – auch als eine Art Vorreiter. Es ist schön zu wissen, dass die Produktion von "In aller Freundschaft" diesen Weg geht und somit eine kleine Revolution im deutschen TV darstellt. Es ist das Jahr 2021 – es wird auch Zeit!
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie den Zuschlag für die Rolle bekommen haben?
Ich habe mich auf der einen Seite sehr gefreut – auf der anderen Seite ratterten direkt Fragen durch meinen Kopf: Ob ich die medizinischen Fachbegriffe wohl fehlerfrei aussprechen werde! Wie ich genau aus meinem Rollstuhl heraus operieren soll. Aber natürlich vor allem, wie mich die Kolleginnen und Kollegen aufnehmen. Und ich muss sagen: Es war alles kein Problem! Es ist wie im sonstigen Leben: Für alles gibt es eine Lösung. Dazu kommt, dass mich die Crew sowie die Schauspielerinnen und Schauspieler von Tag eins an sofort mit offenen Armen empfangen haben. Ich hätte es kaum besser treffen können.
Was können Fans von Ihnen in den neuen "In aller Freundschaft"-Folgen erwarten?
Dr. Demir ist ein sehr forscher Arzt, der sich nichts von Autoritäten sagen lässt. Er spielt mit den Unsicherheiten seines Umfelds, aber bringt seinen Patienten umso mehr Empathie entgegen. Aber vor allem Humor zählt zu seinen Stärken, mit dem er eine gewisse Lockerheit in die Sachsenklinik einbringt.
Ab dem vierten Quartal 2021 werden Sie auch in einer besonderen Rolle im Berliner "Tatort" zu sehen sein. Können Sie uns dazu schon etwas verraten?
Ich darf an der Seite der Kommissare, gespielt von Meret Becker und Mark Waschke, ihren Assistenten namens Malik Aslan in der Mordkommission spielen. Malik ist ebenfalls ein sehr lockerer und ironischer Typ – das hat er mit Dr. Ilay Demir gemeinsam. Ich freue mich übrigens sehr, dass ich als Polizist eine weitere, eher untypische Rolle für jemanden im Rollstuhl spielen darf. Aber sowas ist ja genau mein Ding, und ich finde es grossartig, dass immer mehr Produktionen getreu dem Motto meines Comedyprogramms denken: "Geht nicht? Gibt's nicht!" © 1&1 Mail & Media/spot on news
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.