Die fiese Jury-Chefin war einmal. Heidi Klum bringt ihre Mama mit zum Dreh und hält den Kandidatinnen beim Umstyling die Händchen. Kuschelkurs schön und gut, nur: Wo bleibt da der Spass für’s Publikum?
Alles so schön gemütlich hier. Isst
Der beste Beweis: Die alte Heidi Klum quälte ihre "Määäädels" mit grosser Lust beim obligatorischen Frisörtermin. Da wurden lang gezüchtete Mähnen schon mal raspelkurz rasiert oder natürliches Blond in Feuerwehrrot umgefärbt. Die neue Heidi Klum klärt ihre Kandidatinnen schon einen Abend vor dem Umstyling darüber auf, was auf ihrem Kopf passieren soll. Bei den meisten ist das: nicht viel. Da sind hell getönte Augenbrauen schon das grösste Drama.
Selbst die obligatorische Verweigerin – Lisa steht ein harter Schnitt bevor, weil ihre Haare total kaputt sind – kann in diesem Jahr auf Verständnis der Modelmama hoffen. Heidi Klum nimmt sich Zeit für die 17-Jährige, besorgt ihr sogar ein Telefon, damit sie sich per Ferngespräch von Mama trösten lassen kann. Früher hätte es höchstens einen Kameraschwenk aufs verheulte Gesicht in so einer Situation gegeben.
Der neue Kuschelkurs ist gut für die Kandidatinnen, nicht für die Zuschauer. Denn nett ist auch ein bisschen langweilig. In Los Angeles scheint immer die Sonne, geben sich die Mädchen gegenseitig Tipps, imitiert Wolfgang Joop den völlig ungelenken Catwalk-Stil eines Schützlings – aber eben so, dass alle lachen und keine weinen muss. Seit jeher war "Germany’s Next Topmodel" in der Kritik, weil es keine Rücksicht auf Verluste nahm. Aber pure Harmonie? Dafür gibt es den Shopping-Kanal.
So ganz nimmt man Heidi Klum die 360-Grad-Drehung einfach nicht ab. Beim Shooting hängen ihre Models 20 Meter über dem Erdboden, es soll so aussehen, als würden sie an Luftballons in Richtung Himmel fliegen. Als Stefanie der Jury-Chefin etwas von ihrer Höhenangst entgegenruft, verzieht die nur kurz und merklich irritiert das Gesicht: "Die Arme, ne." Aus ihrer Situation erlösen will sie die Schülerin nicht.
Auf dem schmalen Grat zwischen fiesem Juror und liebem Papa wandelt auch Wolfgang Joop. Er redet von den Kandidatinnen als "Skulpturen" und "Modelware", die später einmal "Deodorant und Käseecken anbieten" werden. Schon im nächsten Moment verdrückt er fast ein Tränchen bei dem Gedanken, dass eines der Mädchen die Heimreise antreten muss. Man habe sich ja gerade so gut aneinander gewöhnt.
Und noch ein Zeichen gegen knallharte Selektion wird gesetzt: Fünf Teilnehmerinnen kommen einfach so während des Fototermins in luftigen Höhen eine Runde weiter. Ihr Foto lässt die Modelmama ihnen per Post zukommen, am finalen Walk müssen sie gar nicht erst teilnehmen. "Stell dir vor, es ist Entscheidung, und keiner geht hin", sagt Heidi Klum da versonnen in die Kamera.
Bleibt die Sendung so lau, wie sie ist, könnte es ausserdem bald heissen: Stell dir vor, es ist Donnerstagabend – und keiner schaltet ein. © Glutamat
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