Dschieäääääntieeeäääm ist wieder da. Wer bei einer solche Aussage noch Puls bekommt, der ist wahrscheinlich ungefähr siebzehn, weiblich und checkt noch vor dem Aufwachen seine Social-Media-Accounts. Der gestrige Auftakt von "Germany's next Topmodel" jedenfalls war so, als hätte ProSieben Instagram verfilmt.
Das neue Intro von "Germany's next Topmodel" sagt bereits Einiges aus. Ganz in schwarz-weiss gehalten, tanzt
Ihre Posen deuten an, was sie in den folgenden Wochen ihren Kandidatinnen versuchen wird beizubringen und die Schwarz-Weiss-Optik spielt auf die beiden Teams ihrer Co-Juroren
Etwas skeptischer denkend kann man das neue Intro auch ganz anders interpretieren: Ich, Heidi Klum, tanze hier alleine, weil es in der Show ja eigentlich nur um mich geht. Und ich, Heidi Klum, mache das vor einem schwarz-weissen Hintergrund, weil wir hier eben so denken: schwarz oder weiss, hübsch oder hässlich, sexy oder nicht-sexy, willig oder selbst denkend, zu gebrauchen oder nicht.
Natürlich würde das so niemand sagen, schliesslich geht es in der Show nicht darum, was ist, sondern was wie wirken soll. Deshalb wird von Minute eins an gleich mächtig auf die Sahne geklopft, wie toll diese Staffel doch werden wird.
"Nervenaufreibende Shootings" und "spektakuläre Live-Walks" werden versprochen und ausserdem starte "Germany's next Topmodel" mit "einer noch nie dagewesenen Herausforderung: dem Boat Camp."
Schöne neue Instagram-Welt
Damit auch genügend Mädchen davon erfahren, ist Heidi Klum dorthin gegangen, wo notorische Selbstinszenierung zum guten Ton gehört: "Vor ein paar Monaten habe ich einen Aufruf bei Instagram gestartet", erzählt Heidi und zeigt ein Instagram-Video, in dem sie irgendwo am Strand um neue Kandidatinnen wirbt.
Instagram-Strand-Videos gehören bei Models einfach dazu. Nirgendwo sonst lässt sich die Traumfigur besser in Szene setzen.
Dass diese auf Selbstoptimierung getrimmte Scheinwelt wirkt, zeigen dann die Aussagen der Mädchen während des Castings: "Ich nehme mir vor, in dieser Staffel mein Bestes zu geben", erklärt eine Kandidatin und eine andere wird noch dramatischer: "Ich kann mir einfach keinen anderen Beruf vorstellen ausser das Modeln."
Beängstigend: "Germany's next Topmodel"-Traum seit der Grundschule
Am besten verinnerlicht, wie diese Welt funktioniert, hat aber die 18 Jahre alte Céline aus Koblenz. In ihrem Instagram-Bewerbungsvideo steht sie am Strand (wir erinnern uns!) und gieckst ihren Text in die Handy-Kamera - ganz so, wie sie es von ihren echten Model-Vorbildern ihr ganzes Leben lang gelernt hat, denn: "Ich rede davon ja schon, seitdem ich in die Grundschule gehe. In der ersten Klasse wurde ich dafür noch ausgelacht – und jetzt sitze ich hier."
Ja, jetzt sitzt sie hier und mit ihr noch Dutzende andere Mädchen, die mit dieser Scheinwelt grossgeworden sind und ernsthaft an einen Model-Durchbruch mit Hilfe der Show glauben.
So wie Neele aus Hamburg, die auf Youtube Fitness- und Ernährungstipps gibt und die dort nach eigenem Bekunden polarisiert. "Entweder die Leute lieben mich oder sie hassen mich. Es gibt nichts dazwischen", erzählt die 20-Jährige und vergisst dabei die Millionen Menschen, denen ihr Treiben höchstwahrscheinlich einfach egal ist.
Jeder ist seiner Marke Schmied
Für "Germany's next Topmodel" ist so eine Youtube-Geschichte aber natürlich Gold wert, schliesslich gilt es, in dieser Scheinwelt noch ein bisschen mehr zu scheinen als andere, um in Erinnerung zu bleiben.
Deswegen gibt es bereits in Folge eins: "Maja mit den langen Achselhaaren", "das Hashtag-Mädchen", die Zwillinge, das Wurstsalat-Mädel und eben auch die Youtube-Frau.
Und bei so vielen Markenzeichen will auch Juror Thomas Hayo nicht der Letzte sein und präsentiert seinen neuen Signature-Spruch. "Come on", war gestern, heute sieht Hayo überall ein "match made in heaven", wenn seiner Meinung nach ein Juror besonders gut zu einer Kandidatin passt. Ja, auch als Juror musst man in dem ganzen GNTM-Blubb mal sein Zeichen setzen.
"Germany's next Topmodel": nichts, für Leute, die Fernsehen lieben
Nun kann man es niederschmetternd finden, welche Spuren elf Jahre "Germany's next Topmodel" offenbar bei jungen Mädchen hinterlassen haben. Man mag es auch befremdlich finden, wenn die Juroren in einer "Isch prophezeie dir eine Weltkarriere, Schätzelein"-Manier die Teenager begutachten und umwerben.
Und ja, man kann es auch zynisch finden, wenn Heidi Klum "Personality" von den Mädchen fordert, aber eigentlich Vermarktbarkeit meint.
Am Ende des Tages ist und bleibt "Germany's next Topmodel" aber, Zuschauerzahlen von drei Millionen hin oder her, einfach ein ebenso monotones wie vorhersehbares TV-Format.
Aufgebauschte Geschichtchen wechseln sich ab mit den immer gleichen Shootingszenen, nur unterbrochen von gestelzten Dialogen. Und irgendwo dazwischen darf dann wieder einer der Werbepartner unauffällig auffällig seine Produkte unterbringen.
Für alle, die gutes Fernsehen lieben, wäre all das zum Schreien – wenn es nicht schon zum Heulen wäre.
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