Was haben wir nicht alles über Pisa diskutiert. Über unser Bildungssystem. Über Elite-Unis und Ganztagsunterricht. Dass wir dringend mehr investieren müssen in Schulen. Und dann? Ja dann überlassen wir die Berufsausbildung unserer Töchter einer Fernsehshow. Doch zu früh gemeckert. In der gestrigen Folge präsentierte sich "Germany's Next Topmodel" einer Elite-Uni ebenbürtig. Und ein Mädchen lernte auf die harte Tour.
Wer wünscht sich nicht, dass sein Kind im Lebenslauf stehen hat: "Ausbildung: Heidi-Klum-Universität; Studiengang: Germany's next Topmodel; Schwerpunkt: Laufen lernen mit Professor
Aber Moment! Ist das nicht ein bisschen scheinheilig? Das übliche elitäre Rumgepöbel? Lernen wir nicht angeblich fürs Leben und nicht für die Schule? Und wo kann man besser fürs Leben lernen als an der Seite von
Und in der Tat kriegt man bei "Germany's next Topmodel" nicht nur den Master im Modeln, sondern auch noch eine Menge Soft Skills, ohne die es im modernen Berufsleben inzwischen gar nicht mehr geht.
Der Lehrplan war gestern Abend jedenfalls wieder picke packe voll.
Lektion 1: Problemlösungsbewusstsein
Zunächst stand Problemlösungsbewusstsein auf dem Stundenplan und ohne grosse Vorkenntnisse wurde Nachwuchsmodel Kim gleich einmal an die Tafel gebeten.
Die Aufgabe: Wie reagiert man, wenn die eigenen sekundären Geschlechtsmerkmale via Boulevardmedien der Öffentlichkeit präsentiert werden? Oder wie Kims Freund seine Partnerin über diese Neuigkeit informierte: "Du bist bei 'Bild.de' auf der ersten Seite. Man sieht deine Tittys! Die rechte!"
In der vorherigen Folge hielt ein Klebeband nämlich nicht, was es versprach und schon lag beim "Entscheidungswalk" Kims rechte Brust frei, was die umherstreifenden Paparazzi sofort ausnutzten.
Dieser Fauxpas ruinierte nicht nur den guten Ruf von Klebebändern in der Textilindustrie, sondern auch gleich Kims Laune. Mit einer Melange aus Panik und Hysterie reagierte Kim auf die jüngsten Entwicklungen, was ihre Kommilitoninnen ebenfalls in Aufruhr versetzte.
Doch Seminarleiterin Klum glättete routiniert die Wogen: "So was kann natürlich immer mal passieren. Man muss einfach die Kraft finden und drüber stehen und nach vorne sehen und nicht nach hinten." Das ist Problemlösungsbewusstsein! Und Heidi Klum verweist gleich noch einmal auf ihre Sprechstunde: "Wenn ihr Probleme damit habt, ich bin immer für euch da."
Lektion 1: Bei "Germany's Next Topmodel" lernt man Probleme zu lösen, die man ohne "Germany's Next Topmodel" gar nicht hätte.
Lektion 2: Zeitmanagement
Wer von Casting zu Casting springen muss, das wissen die Model-Azubis bereits, für den ist Zeitmanagement das A und O. Heidi Klum macht trotzdem eine Lernzielkontrolle und veranschaulicht richtiges Zeitmanagement an einem Praxisbeispiel.
Die Damen müssen - die Gründe sind hier irrelevant - das nächste Shooting nämlich auf Eisklötzen in einem Kühllaster machen. Klingt erst einmal nach einer Herausforderung, aber Heidi Klum lässt die Model-Klasse an ihrer Weisheit teilhaben: "Beim Eis-Shooting müssen die Posen der Kandidatinnen sofort sitzen. Denn je länger das Shooting dauert, desto mehr beginnen die Mädchen zu frieren."
Hammer-Tipp! Und auf alten Fotos sieht man trotzdem jünger aus! Lara jedenfalls hat die Zeitmanagement-Einheit besonders schnell kapiert, was Klum zu einem Lob bewegt: "Du hast von ganz alleine eine richtig gute Pose gefunden!"
Na wenn das mal nicht einen Smiley-Stempel ins Hausaufgabenheft gibt!
Lektion 3: Umgangsformen
Bei dieser Unterrichtseinheit liess der Lehrplan ein wenig Flexibilität zu, weshalb diese Lektion aus der Situation heraus entstand.
Die Elena C. hatte nämlich ein bisschen Stress mit ihren Klassenkameradinnen, weshalb sie beim Telefonat mit der Heimat ihrem Kummer Luft machte: "Das war so schlimm gestern. Ich kann dir gar nicht erzählen, was hier abgeht", erzählt sie ihrem Papa, Schauspieler Mathieu Carrière.
Und Lehrbeauftragter Carrière liefert prompt: "Versuch, die anderen nicht zu beleidigen!" Ein wichtiger Hinweis, den sich mancher Fernsehsender im Umgang mit seinen Zuschauern merken sollte.
Lektion 4: Haltung
Um Missverständnisse zu vermeiden: Bei der Unterrichtseinheit "Haltung" ging es nicht um Eigenschaften wie Courage, eigenständiges Denken oder Unangepasstheit. Damit hat "Germany's Next Topmodel" nach wie vor nichts am Hut.
Nein, hier geht es darum, in Fantasieschuhen möglichst unfallfrei den "Entscheidungswalk" aufzuführen. Fantasieschuhe deshalb, weil man nur mit viel Fantasie drauf kommt, dass das überhaupt Schuhe sind.
Im Handel sind die wohl eher als Stelzen erhältlich.
Damit das Ganze aber auch einen Kontext hat, hat man sich "Weltraum" als Motto für das Folgenendgestöckel ausgedacht. Deshalb laufen die Damen dann auf Knöchelbrechern und in Alien-Kostümen an einem australischen Felsstrand entlang, während sich Klum und Co. ein Urteil über die Leistung der Damen bilden.
Während also die Mädchen in Metallringkostümen an der Küste entlang laufen, und Michael Michalsky mit Federhütchen auf dem Kopf und Thomas Hayo im Cowboy-Outfit mit Heidi Klum über "Attitude" und "High Fashion" diskutieren, hat man bei diesem Bild den Eindruck, dass Fernsehen nicht absurder sein könnte. Aber egal, die Klum sagt, das sei prüfungsrelevant.
Camilla tat das offensichtlich nicht, denn ihre Leistung stufte die Jury als ungenügend ein und schickte das Mädchen nach Hause.
Ist aber auch verdammt hart, diese Heidi-Klum-Uni, wenn nur eine einzige Studentin den Abschluss bekommt. Da ist es nicht verwunderlich, wenn Thomas Hayo der scheidenden Camilla für ihren zweiten Bildungsweg Mut macht: "Du hast 'ne grosse Karriere vor dir in Sachen Beauty."
Na dann.
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