Heidi Klum schickt ihre Models in der neuesten Folge "Germany’s next Topmodel" zum Filmdreh in die kalifornische Wildnis – und bei einem Unterwäsche-Casting wandeln die Nachwuchshoffnungen auf den Spuren von Heidi und Leni.

Christian Vock
Eine Kritik
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Bei einer TV-Show, egal bei welcher, sind vor allem die Leute wichtig, die da sind. Wären die Leute wichtig, die nicht da sind, wäre die Show zwar wichtig, aber eben auch ziemlich langweilig, es wäre ja niemand da. Die neueste Folge "Germany’s next Topmodel" macht von dieser Regel allerdings eine kleine Ausnahme, denn diesmal sind auch die Models, die nicht da sind, wichtig und die Klum macht auch gleich darauf aufmerksam, dass da noch jemand fehlt: "Ein paar meiner Models befinden sich noch auf der Rückreise von ihren Jobs in Europa."

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Diese Rückreise ist wichtig, weil sie bedeutet, dass diese paar Models weg, also nicht da, waren. Und nur weil sie nicht da waren, können sie überhaupt erst wieder da sein und nur weil sie wieder da sein können, geben sie Klum später die Gelegenheit, zu behaupten, im Model-Penthouse ein kleines "Sunset-Dinner" zu Ehren ihrer Rückkehr organisiert zu haben.

Wer sich jetzt vorstellt, wie die Klum ein paar Schnittchen schmiert oder einen Mett-Igel zusammenpappt: Das Dinner ist nicht für die Models, sondern weil es einen Grund braucht, die Energy-Brause des Werbepartners so zu präsentieren, dass man bei GTNM nicht sofort die goldene Luftpumpe für das schlechteste Product-Placement gewinnt.

Die Models müssen schauspielern

Klum kann sich also bei den "paar ihrer Models" für deren Abwesenheit bedanken, bei einem anderen allerdings für seine Anwesenheit: Sebastian Ströbel. Der ist Schauspieler und warum es ihn nach Los Angeles verschlagen hat, hat zwei Gründe. Zum einen, um Heidi Klum über den grünen Klee zu loben, wie "professionell, nahbar und ohne Allüren" sie doch damals war, als sie mal in seiner ZDF-Serie "Die Bergretter" mitgespielt hat. Er hatte nämlich erfahren, dass sie Fan der Serie ist und habe sie deshalb via Instagram zum Mitmachen eingeladen.

Der offizielle Grund ist allerdings, dass Ströbel den verbliebenen GNTM-Models das Schauspielern beibringen soll, denn "Schauspielerei gehört auf jeden Fall zum Modeln. Gerade im kommerziellen Bereich, also bei Werbespots oder Kampagnen. Aber genau mit solchen Jobs macht ein Model richtig Kohle. Katsching, katsching", erklärt die Klum.

Bei Sebastian Ströbel hört sich das später ein bisschen weniger dringlich an: "Es gibt auf jeden Fall eine Schnittmenge zwischen Modeln und Schauspielerei, weil natürlich beides etwas ist, bei dem man vor der Kamera irgendetwas ausdrücken muss." Deshalb seien Grundprinzipien der Schauspielerei für Models wichtig.

Also versucht Ströbel den Models diese Grundprinzipien in einem Schnellkurs einzutrichtern, doch obwohl der Schauspieler bestimmt mit jedem Model zwei Sätze spricht, fühlt sich Kandidat Moritz nicht ausreichend vorbereitet: "Ich bezweifle, dass das gut wird, weil ich noch nie geschauspielert habe." Da möchte man ihm am liebsten die Angst nehmen und sagen: "Mach dir keine Sorgen, Moritz, für die Schauspielerei braucht man kein Können, sondern nur ein Instagram-Profil."

Klum jedenfalls ist optimistischer als Moritz: "Ich hoffe auf beste Unterhaltung", freut sich Klum, aber das hoffen wir seit 20 Staffeln "Germany’s next Topmodel" auch. Das Leben ist eben nicht immer fair.

Heidi Klum: "Was für eine schlechte Einstellung"

Das denkt sich auch Ethan, als die Truppe beim Drehort in der Natur ausserhalb von Los Angeles ankommt: "Ich bin an diese Location gekommen – ich wollte direkt nach Hause." Ethan ist also da, will dem Folgen-Motto aber offenbar treu bleiben und lieber nicht da sein. Doch es ist noch nicht einmal so sehr die Natur, die Ethan zusetzt, sondern vor allem die Schauspielerei.

Deshalb geht er bereits missmutig in seine Szene und weil das Klum und Ströbel auffällt, fragen sie ihn direkt danach. Ethan versucht gar nicht erst zu schauspielern, sondern kommuniziert sein Gefühlsleben ganz transparent: "Ich mag Schauspielern überhaupt nicht. Ich finde, das ist gar nicht mein Ding."

"Schade, dass du da so rangehst", zeigt sich Klum enttäuscht. Ihr mache bei ihrer Arbeit auch nicht alles gleich viel Spass, aber "Ich bleib trotzdem immer professionell und zieh die Nummer durch." Deshalb empört sich Klum auch bei Sebastian Ströbel: "Was für eine schlechte Einstellung. Auch das echt so vor uns zu zeigen." Ja, entweder schlecht oder ehrlich, die Grenzen sind fliessend. Klum hätte ja auch professionell bleiben können und akzeptieren, dass Schauspielerei eben nicht Ethans Ding ist.

Alleine schon, weil Klums These, Modeln und Schauspielern gehörten zusammen, auf wackligen Beinen steht. Wenn Schauspielern zum Modeln gehört: Warum engagieren Designer dann nicht einfach Schauspieler, die Models spielen? Es gibt so viele arbeitslose Schauspieler, gerade in Los Angeles. Und warum beim Modeln aufhören? Was für Laufsteg und Werbedreh gilt, gilt doch wohl auch für andere Branchen.

Warum nach passenden Bewerbern suchen, wenn man Schauspieler nehmen kann, die den gesuchten Beruf einfach spielen? Und warum lange einen Gefässchirurgen ausbilden, wenn doch ein Schauspieler einfach einen Gefässchirurgen spielen kann? Eine herausragende Lösung für den Fachkräftemangel. Sollte man mal weiter verfolgen.

Gesicht oder Dekolleté der Intimissimi-Kampagne?

Nicht schauspielern, sondern nur für Fotos posieren, müssen die Models dann nach dem Filmdreh mit Sebastian Ströbel. Der Schlüpfer-Hersteller Intimissimi, für den bereits Klum selbst und ihre Tochter Leni vor der Kamera herumgehopst sind, hat die Damen der Truppe zu einem Casting gerufen, um das neue Kampagnen-Gesicht zu finden. "Es geht halt um den Job, den glaub ich, alle von uns wollen", klärt Kandidatin Zoe die Zuschauer auf. Trotzdem hat man das Gefühl, dass es eigentlich darum geht, möglichst häufig "Intimissimi" zu sagen.

Das ist übrigens gar nicht so einfach. Probieren wir es doch mal zusammen, um die Zunge zu lockern. Nur für den Fall, dass Sie mal in die Verlegenheit geraten, das neue Gesicht von Intimissimi werden zu können. Also mal alle zusammen folgenden Fantasiesatz zum Üben: "Im Team Intimissimi muss Miss Issimi mit Miss Mimimi im Mai in Rimini intim mit Minipli Schlüpper vorführen."

Und, hat’s geklappt? Dann bewerben Sie sich doch im kommenden Jahr, denn in diesem geht der Job an Model Eva. Sie wird "das Gesicht der neuen Intimissimi-Kampagne", auch wenn es erstaunlich ist, dass ein BH-Hersteller ein Gesicht sucht. Aber "Eva ist das Dekolleté der neuen Kampagne" klingt eben nicht so poetisch.

Um den Deckel auf die Folge zu machen, organisiert die Klum dann noch einen Entscheidungswalk in einer Western-Kulisse. "Wild, wild, wild West" ist Klums Motto und dafür hat sie Paris Jackson als Gast-Jurorin organisiert. Warum? Vielleicht ist Paris Jackson ja Wild-West-Expertin, weil sie als Kind mal wild getobt hat und ausserdem westlich vom Osten wohnt.

Et voilà: Wild-West-Expertin. Am Ende des Tages ist aber nur wichtig, dass Klum noch einmal Ethans Unlust beim Schauspielern aufgreifen kann. Sie suche ein "Allround-Talent" verkündet Klum spät, aber gerade noch rechtzeitig, um Ethan deshalb rauszuwerfen. Oder anders formuliert. Ethan ist nun nicht mehr da und vollendet damit das Folgen-Motto in Perfektion.