"Germany’s next Topmodel" geht in die nächste Runde. Kaum eine deutsche TV-Sendung ist gleichermassen beliebt und verhasst wie Heidi Klums Model-Casting-Show. Deshalb schalten manche lieber heimlich ein.
Oscar Wilde soll mal gesagt haben: "Es gibt nur eine Unannehmlichkeit, die peinlicher ist, als in aller Munde zu sein: nicht in aller Munde zu sein." Bei "Germany’s next Topmodel" muss man sich darüber keine Sorgen machen.
Die Sendung spaltet die Nation, wird heiss diskutiert, analysiert, kritisiert – und das schon seit Jahren. Gerade startet die 15.Staffel, und während sich die einen darauf freuen, donnerstagabends in die
GNTM 2020: Einschalten und fremdschämen
Mein Mann zum Beispiel. Der verlässt das Zimmer, wenn ich die Sendung einschalte. "Ich kann das nicht mit ansehen“, sagt er und geht. Er findet es schlimm, wie junge Menschen dort begutachtet und vorgeführt werden – und schämt sich bei peinlichen Challenges fremd.
Zugegeben, auch mir wird dabei manchmal flau. Denn leider vergisst man schnell: Die Kandidatinnen sind ganz normale, teilweise sehr junge Frauen, die einen Traum haben – und möglicherweise keine Ahnung, worauf sie sich einlassen.
Tränen als Hingucker
Zweimal durfte ich das alles selbst aus nächster Nähe miterleben. Ich arbeitete damals bei einer grossen deutschen Zeitschrift, die mit GNTM kooperierte und war live beim grossen Covershooting mit den Finalistinnen dabei. Und die waren allesamt höflich, liebenswert, nett – sogar die vermeintliche Zicke der Staffel.
Tränen gab’s dennoch, weil eines der Mädchen unglücklich mit seinem Outfit war. Nicht weiter verwunderlich, wenn ich daran denke, wie nah am Wasser ich als Teenager gebaut war. Nur das hat damals eben niemand gefilmt. Wenn bei GNTM jemand weint, guckt ganz Deutschland zu.
Alles fürs perfekte Foto
Ob Frust, Angst, Scham, Müdigkeit, Kälte oder Ekel: Wer weiterkommen will, muss all das unterdrücken oder überwinden – fürs perfekte Foto, für den grossen Traum. Und so gaukelt die Sendung Zuschauern und Kandidatinnen vor, dass Models, die Erfolg haben wollen, ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen müssen.
Doch das ist nicht wahr – und hat mit dem normalen Arbeitsalltag eines Models wenig zu tun. Hier offenbart sich, was mittlerweile jedem klar sein dürfte: Bei GNTM geht es nicht um eine realistische Darstellung des Model-Alltags, sondern um Entertainment, um Show. Um die Show.
Und, wie ist Heidi Klum so?
Deshalb gibt es hochkarätige Gast-Juroren, exotische Locations, teure Designer-Fummel, abgefahrene Shootings. Deshalb gibt es jede Menge Dramen, Tränen und Zickenkrieg. Denn das wollen die Leute sehen, ob echt oder fake. Die Einschalt-Quoten belegen das.
"Und, wie ist Heidi so?" oder "Die Gewinnerin steht doch schon von Anfang an fest, oder?" – das fragten mich nach meinem GNTM-Intermezzo auch viele meiner Freunde und Bekannten. (Wen's interessiert: Heidi ist professionell und freundlich. Und, nein, die Gewinnerin stand nicht fest. Deshalb wurden verschiedene Cover vorab produziert und erst am Morgen nach dem Finale in die Druckerei geschickt.)
GNTM als "Guilty Pleasure"
Die Fragen selbst überraschten mich nicht, sondern die Leute, die sie stellten. Auf Nachfrage hiess es dann: "Ich guck das nur wegen meiner Frau," oder: "Bei uns zuhause schaut das meine Tochter, darum..." Ja, klar. Darum kennt man die Namen der einzelnen Kandidatinnen, Juroren und Vorjahres-Gewinnerinnen – und ist bestens informiert, was in der Model-Villa so abgeht.
Mir scheint es viel eher, als sei GNTM für viele eine "Guilty Pleasure." Man guckt's, gibt's aber nicht zu. Und meckert dann, dass diese Sendung immer noch existiert. Selber schuld.
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