Le roi, c’est moi: Heidi Klum schickt am Donnerstag ihre Model-Restbestände nach Los Angeles. Sechs Damen, zum grössten Teil älteren Geburtsdatums, kommen neu zu "Germany’s Next Topmodel", was für dicke Backen bei den Bestandsmodeln führt. Doch die Klum macht gleich klar, wer hier das Sagen hat. Beim Thema Selbstbewusstsein herrscht indes grosse Unsicherheit.

Christian Vock
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Denken ist bei "Germany’s Next Topmodel" eine ganz spezielle Angelegenheit. Nein, nicht wie Sie gerade vermuten. Da ist bei Ihnen nach 17 Staffeln offenbar ein ganz falsches Bild entstanden. "Germany’s Next Topmodel by Heidi Klum" ist immer noch das intelligenteste TV-Model-Casting-Format, das Heidi Klum zwischen Januar 2006 und heute bei ProSieben gemacht hat. Also bitte Vorsicht mit solchen Vorurteilen!

Nein, die Sache mit dem Denken ist deshalb ein bisschen knifflig, weil die Kandidatinnen in der jüngsten Folge lernen müssen, dass Gedachtes noch einmal durchdacht werden muss, weil Heidi Klum denkt, die Show anders zu machen, als von den Kandidatinnen gedacht. Weniger verkopft bedeutet das: Heidi Klum schüttet die bisherige Belegschaft noch einmal mit neuen Kandidatinnen auf, so dass das sicher geglaubte Erreichen der Top Ten für manches Model wieder in weite Ferne rückt.

Heidi Klum holt neue alte Models nach

"Seit acht Wochen warte ich auf meine Nachzüglerinnen. Jetzt ist es endlich so weit", leitet die Klum ihren Schachzug ein. Der sieht vor, dass sechs weitere Models kurz bei Thomas Hayo und Nikeata Thompson zwischengelagert werden. Hayo soll den Damen beibringen, was man macht, wenn plötzlich jemand mit einer Fotokamera vor einem steht und einen bittet, nur mit dem Gesicht den Unterschied zwischen sexy und arrogant zu zeigen. Thompson hingegen gibt einen Crash-Kurs, wie man modelesk auf einem Laufsteg von A nach B kommt.

Dadurch sollen die Models das gleiche Update bekommen wie die bisherigen Kandidatinnen, doch ein Unterschied wird auch danach noch erhalten bleiben: Bis auf die 23-jährige Maike handelt es sich bei den Neuzugängen um alte Models. Also ältere Models. Genau genommen sind sie älter als jüngere Models, aber jünger als alte Models. Sagen wir einfach: Sie sind um die 50 Jahre alt. Und obwohl sich die Klum so auf ihre neuen Models freut, werden die zur Begrüssung erst einmal von ihr angeschrien: "Es ist endlich so weeeeeeit! Herzlich willkommen in Los Angelääääääs!"

Die Neuankömmlinge stecken es gut weg und nach dem Erstkontakt mit den Alteingesessenen bekommen alle den offiziellen Grund für die achtwöchige Verspätung genannt. Der Casting-Prozess habe so lange gedauert, weil sich die Klum so lange mit den Kandidatinnen beschäftigt habe, bis eine Auswahl stand. "Und dann gab’s nur noch das Visa-Problem", erklärt die Klum und meint damit wohl eigentlich: "Das haben wir gemacht, damit ihr euch aufregen könnt. Oder glaubt ihr wirklich, dass wir zu blöd sind, so eine Show anständig zu planen?"

Heidi Klum: "Am Ende des Tages bin ich der Boss!"

Anya ist die erste, bei der die Kandidatinnen-Neuanschaffung Wirkung entfaltet: "Ich find’s einfach super unfair gegenüber uns", meint Anya, was eigentlich irrelevant wäre, hätte nicht der Kameramann den Moment der Schnütchenzieherei reaktionsschnell eingefangen. Fast so, als ob er darauf gewartet hat. Ein echter Teufelskerl. Klum hat das Gemaule kommen sehen und nutzt die Gelegenheit nun, um zu zeigen, wer hier den dicksten Lidstrich hat: "Am Ende des Tages bin ich der Boss und ich mach die Regeln."

Aber weil die Klum am Ende des Tages auch ein fairer Boss sein will, müssen die neuen Alten Altes neu machen, also all das nachholen, was die jüngere Konkurrenz bereits hinter sich hat: Sedcard-Shooting, Schlüpper-Lauf und den "I-dont’t-give-a-Fuck-Walk". Das wird auch beim zweiten Mal nicht interessanter für den Zuschauer, daher hier die wichtigsten Ereignisse: Olivia erinnert Marielenas Anatomie an den Mathematik-Unterricht: "Die hat Brüste, die stehen wie eine Eins." Über Nicole hingegen erfahren die Jung-Models, dass sie in jüngeren Jahren mit der Klum eine Model-WG in Mailand geteilt hat.

Kein Wunder also, dass die Klum bei Nicoles Walk eine Zwischendrehung nach Art der 1990er erkennt. Ina hingegen bekommt das, was man wohl eine Punktlandung nennt, denn die Klum findet ihren "Sexy Walk", nun ja, sexy. Über 1990er-Zwischendrehungen und sexy Walks müssen sich die Neu-und-nun-in-Kürze-wieder-weg-Models Zuzel und Charlene in naher Zukunft keine Gedanken mehr machen, denn die Klum findet, dass man sich besser jetzt trennt als später. "Beim 'Sexy-Wäsche-Walk' waren ihr die anderen voraus", zaubert die Klum eine Begründung bei Charlene aus dem Hut. Ein Urteil, mit dem man als Nicht-Model im Alltag sicher gut leben könnte, bei GNTM ist so was allerdings der Todesstoss.

GNTM oder das "Ministry of Silly Walks" 2.0

Charlene und Zuzel sind also schneller wieder raus, als man Rückreiseverkehr sagen kann, verpassen so aber auch ein Stück GNTM-Geschichte. Allerdings nicht so eine "Wow, das muss man gesehen haben"-Geschichte, sondern eher deren hässliche Schwester. Die Kandidatinnen bekommen nämlich Besuch. Eine gewisse Coco Rocha, laut Selbstauskunft selbst Model, steht vor der Tür, um die Damen zu unterrichten. "Das toppt alle Teachings, die es vorher gab", behauptet die Rocha und sollte leider Recht behalten.

Denn die Modeltrainerin will den Models beibringen, wie man möglichst ulkig auf dem Laufsteg läuft. Offenbar ein aktueller Trend auf den Catwalks dieser Welt, wie die Rocha per Videobeweis zeigt. In der Praxis sehen diese Walks aus wie eine Mischung aus ganz fiesen Haltungsschäden und Monty Pythons "Ministry of Silly Walks"-Sketch. "Ist das Veräppelung?", fragt Ida dementsprechend, aber Frau Rocha geht es nicht um Physiotherapie oder Comedy – zumindest nicht vordergründig – sondern darum, dass die Damen Selbstbewusstsein entwickeln.

Ganz offensichtlich ist da entweder beim Briefing von Frau Rocha im wahrsten Sinne des Wortes etwas schief gelaufen oder aber die Modeltrainerin hat eine ganz spezielle Definition von Selbstbewusstsein. Denn selbstbewusst wäre es doch eigentlich, an dieser Stelle zu sagen: "Jetzt passt mal auf, Freunde. Ich habe bisher all eure Spässe mitgemacht, obwohl sie nichts mit Modeln zu tun haben. Aber das hier müsste selbst euch zu plemplem sein, oder? Also vielen Dank bis hierher und kann mir jemand ein Taxi zum Flughafen rufen?"

Leona: "Es ergibt keinen Sinn!"

Aber die Models schlucken die Geschichte mit dem Selbstbewusstsein und Katherine entdeckt beim Training sogar noch mehr: "Ich hab mich so eingestellt: Es ist jetzt Kunst, was ich mache", meint das Jung-Model und könnte damit nicht weiter von der Realität entfernt sein. So wie Somajia: "Ich bin da durchgelaufen wie eine Geistesgestörte gefühlt", glaubt die 21-Jährige die richtigen Worte gefunden zu haben.

Und so torkeln, taumeln, kriechen, stolpern, fallen und kaspern die Damen dann durch ihren Entscheidungswalk, die eine kurioser als die andere. Während etwa Coco für einen Spagat Applaus bekommt, muss sich Vivien anhören: "Es war nicht seltsam genug!" Ein Vorwurf, den man aus "Germany’s next Topmodel" so noch nicht kennt. "Einfach das Beste hoffen", denkt sich Vivien dementsprechend vor dem Klum'schen Urteil. Als erfahrener Zuschauer weiss man aber: Das funktioniert nicht. Man redet sich das seit 17 Staffeln zwar vor jeder Folge ein, aber am Ende kommt dann doch wieder nur der Silly Walk.

Apropos: Leona und Mirella haben beim Silly Walk Bonusmeilen gesammelt und dürfen nun eine Extrarunde drehen, damit die Klum sich entscheiden kann, wen sie rauswirft. Um es kurz zu machen: Es ist Leona und die zeigt, was sie in puncto Selbstbewusstsein eben gelernt hat: "Ich kann jetzt echt noch nicht gehen. Ich mach wirklich alles!", bettelt sie die Klum an. Doch die bleibt nicht nur hart, sondern vertauscht auch noch Opfer und Täter: "Du musst dich nicht schämen!" Doch Leona scheint so verzweifelt, dass sie gar nicht merkt, wie nah sie der Wahrheit bereits ist: "Ich kann's absolut nicht nachvollziehen. Es ergibt keinen Sinn!"

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.