Seit Mittwoch gibt es "Du gewinnst hier nicht die Million" nicht mehr nur exklusiv bei RTL+. Stefan Raabs Show läuft nun auch um 20.15 Uhr im linearen RTL-Programm. Zur Premiere lud sich Raab Robert Habeck in die Show ein. Für den Kanzlerkandidat der Grünen ein sichtbar ungewohntes Parkett, auf dem er Raab allerdings Paroli bot.

Christian Vock
Eine Kritik
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Es ist ein Weilchen her, so wie vieles bei Stefan Raab durch seine TV-Auszeit ein Weilchen her ist, da überraschte der Entertainer die Welt damit, dass er neben Anne Will, Peter Kloeppel und Maybrit Illner als Moderator des TV-Duells zwischen Peer Steinbrück und Angela Merkel auftrat. 2013 war das und mit Wörtern wie "erfrischend" wurde Raabs Auftritt damals bezeichnet.

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Zwölf Jahre später kann bei "Stefan Raab" von "erfrischend" keine Rede mehr sein. Nach seiner mit grossem Tamtam begleiteten Rückkehr vor die Kameras machte Raab dort weiter, wo er damals aufgehört hatte. Seine neue Show "Du gewinnst hier nicht die Million" ist ein eher liebloser Mix aus "Schlag den Raab" und "TV total" und wohl nur etwas für Fans von Raab und dem Fernsehen der 2000er. Zumindest war das bis Mittwoch so.

Robert Habeck und Raab-Humor – kann das funktionieren?

Denn da "erfrischte" Raab seine übliche Promi-Gästeliste und wieder hatte das mit Politik zu tun. "Und wir haben heute Top-Gäste, meine Damen und Herren. Es ist nicht irgendjemand heute hier bei unserer ersten Show bei RTL im richtigen Fernsehen. Heute Abend: Kanzlerkandidat Robert Habeck bei uns zu Gast!", kündigt Raab seinen Gesprächspartner an und schiebt hinterher: "Und die wunderbare Barbara Schöneberger."

Zuerst aber gibt es Alltagsgeschäft für Raab, will heissen, seinen Stand-up-Part über die Fernsehereignisse der vergangenen Woche und da habe er aus dem Vollen schöpfen können: "Das war das TV-Wochenende des Jahres", findet Raab und zählt auf: TV-Duell, Dschungel-Finale, "Caren Miosga" und "Markus Lanz" und danach der "Superbowl". Und in der Tat wurde Raab fündig, und zwar beim TV-Duell zwischen Scholz und Merz bei ARD und ZDF.

Robert Habeck während einer Parlamentssitzung

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck: Karriere, Erfolge, Rückschläge

In diesem kurzen Video haben wir einige Lebensabschnitte von Robert Habeck zusammengefasst – von einer kurzen vorstellenden Einleitung über seine Erfolge bis hin zu seinen Niederlagen, die er im Zuge seiner Karriere erlitten hat.

Hier sei ihm sofort "dieses abgrundtief hässliche Studio" aufgefallen: "Da durfte sich der Chefdesigner von poco kreativ richtig austoben", findet Raab und mutmasst, man habe ihm gesagt: "Mach's so wie das Sportstudio, nur in scheisse." Über die Moderatorinnen des Duells witzelt Raab: "Moderiert wurde das Kanzler-Duell von Sandra Maischberger und Maybrit Illner und ich glaube, das darf ich sagen als Deutschlands Kanzler-Duell-Moderator Nummer eins: Die beiden haben es gut gemacht."

Robert Habeck bei Raab: "Lag auf dem Weg"

Das kann man lustig finden oder nicht, lustiger wird es aber nicht, jedenfalls nicht, wenn man sich unter Humor mehr erhofft als Snapchat-Filter, die Raab über die Gesichter von Scholz und Merz legt. Auch nicht, als Raab zeigt, wie er vor ein paar Tagen durch das RTL-Gebäude gestromert ist und dabei live in Sendungen geplatzt ist oder ein Outfit von Moderatorin Frauke Ludowig angezogen hat. "Ich pass bestimmt rein." Raab-Humor eben.

Da ist es natürlich spannend, wie der Gast des Abends, Robert Habeck, mit Raabs Humor klarkommt. Nach knapp 35 Minuten kommt der Grünen-Kandidat ins Studio, ganz in Schwarz: schwarze Schuhe, schwarze Hose und schwarzer Sweater. Anzug und Krawatte hätten in einer Raab-Show auch deplatziert gewirkt, daher ist es interessant, wie etwa Friedrich Merz so einen Auftritt angehen würde. Beim Kandidaten der Union hätte nämlich wiederum ein Sweater deplatziert gewirkt.

Aber das ist Spekulation, nun ist Habeck da und der beginnt passend zu seiner Garderobe leger: "Schön, dass Sie Zeit gefunden haben", begrüsst Raab seinen Gast und der antwortet mit einem "Lag auf dem Weg." Raab macht weiter, spekuliert, dass es wohl gerade "eine der grössten Anstrengungen" in Habecks Karriere sei. Habeck erkennt sofort den Witz, der darin liegt, dass Raab eigentlich die Kanzlerkandidatur gemeint hat, und antwortet: "Heute hier zu 'Die Million kriegst du nicht' oder wie heisst das?"

"Ein bisschen hätten Sie sich vorbereiten können"

Es ist gut vorstellbar, dass Habeck tatsächlich nicht genau zugehört hat, als ihm sein Wahlkampf-Team erklärt hat, wohin es geht. Aber der Grünen-Politiker macht nicht den Fehler, hier irgendetwas kaschieren zu wollen, stattdessen erlebt man kurz vertausche Rollen: Raab der höfliche Gastgeber, Habeck der Mann für den Humor. Dann aber wechselt auch Raab wieder auf die Humor-Ebene, bittet Habeck im Spass, das Ganze noch einmal zu machen und sagt dann: "Ein bisschen hätten Sie sich vorbereiten können."

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Die ersten Marken sind gesetzt und so beginnt ein interessantes Ringen zwischen Habeck und Raab. Der Moderator fragt den Politiker, ob er in die Auswahl der Grünen-Merchandise-Artikel einbezogen werde und Habeck antwortet: "Nein, das passiert so. Auf wundersame Weise. So wie ich mich manchmal wundere, in welchen Shows ich bin." Es passiert oft, dass Raabs Gäste versuchen, witziger zu sein, als ihr Gastgeber. Es passiert aber nur ganz selten, dass das auch gelingt. Und Habeck gelingt es.

Weil er weiss, dass alle wissen, dass Raabs Humor nicht seiner ist. Dass er die Show wahrscheinlich nie freiwillig gesehen hat und vielleicht sogar, dass Raab vor ihm vielleicht mehr Respekt hat, also vor anderen Gästen, die er vor der Kamera allzu oft abgekanzelt hat. Und sollte es Raab doch probieren, wird Habeck wissen, wie er souverän darauf zu reagieren hat. Und Ampel-Witze wird er ohnehin schon alle kennen. All das weiss auch Stefan Raab.

Robert Habeck ist "Green as Fuck"

Deswegen steckt er an dieser Stelle ein und fragt souverän zurück: "Was war denn das beschissenste, wo Sie vor heute Abend waren?" Eine Antwort bekommt er nicht, aber Raab versucht offenbar, kein Klamauk-Interview zu führen und fragt mit Blick auf eine sich verändernde Medienlandschaft: "Das man jetzt überall hin muss, um alle zu erreichen – das macht's schon sehr anstrengend, oder?" Da kehrt auch Habeck aufs seriösere Parkett zurück, spricht über Social Media und darüber, dass er vor zehn Jahren nicht gedacht hätte, einmal in Raabs Show zu sitzen. Dabei tut er allen den Gefallen, immer noch nicht zu wissen, wie die Show heisst.

Raab nimmt’s gelassen, will wissen, ob Habeck das TV-Duell zwischen Scholz und Merz gesehen habe. "Nee", gesteht der Grünen-Kandidat, aber nicht aus Häme, sondern weil: "Ich kenn' die ja." Dann wird es kurz ernster, denn Raab fragt nach dem Umgangston im Wahlkampf und, ob man nach einer Geschichte wie dem Unionsantrag zur Migration sich zwar erst im Bundestag angehe, sich danach aber wieder versöhne. "Da jetzt nicht, das war wirklich ein dicker Hund", stellt Habeck klar. Das sei kein Streit um normale Inhalte gewesen, das habe die Debatte im Bundestag, aber auch in der Gesellschaft, verändert, wie man auch an den vielen Demonstrationen gegen Rechts habe sehen können.

Danach schlendert Raab wieder in das Metier, das er beherrscht. Denn Raab hat für verschiedene Parteien "Wahlwerbespots" gedreht, die aber eigentlich nur kurze Liedchen im Funk-Soul-und-Country-Stil sind, wie Raab sie schon tausendmal gemacht hat. Und auch wenn Raab über seinen Grünen-Song behauptet "Es geht um Robert Habeck in dem Song" und ihn deshalb "Green as fuck" nennt, geht es im Grunde nicht um die Parteien und ihre Kandidaten, sondern um Stefan Raab.

Zwischen Höflichkeitsapplaus und gespieltem Lächeln

Von Habeck gibt es trotzdem einen Höflichkeitsapplaus – vielleicht auch, weil er ein wenig besser wegkommt als seine Kollegen. Der Song über Christian Lindner besteht aus Beleidigungen, sodass Habeck seinen ehemaligen Koalitionspartner ein wenig in Schutz nimmt. "War schon ein bisschen fairer für uns", findet Habeck.

Ein Höflichkeitsapplaus funktioniert beim SPD-Song mit dem Titel "Die SPD ist nicht so scheisse, wie ihr meint" dann nicht mehr. Stattdessen gibt es von Habeck nur ein gespieltes Lächeln. Denn zu einem belanglosen Text sieht man in dem Video zum Song im Grunde nur einen Mann, der sich in ein Gewässer entleert. Das ist selbst für Stefan-Raab-Humor unterirdisch.

Der Rest der Show plätschert mit Werbung für den ESC-Vorentscheid, mit Barbara Schöneberger und dem Kandidaten-Spiel dahin, und vielleicht fragen sich Habeck und Raab ja auf dem Heimweg, was ihnen der Auftritt gebracht hat. Für Habeck war es ein Abend, den er vielleicht ungern, aber souverän und galant gemeistert hat, ohne dem Raabschen Geist zu erliegen, auf dem politischen Gegner herumzutrampeln.

Und Raab? Der kann sich mit dem Glanz schmücken, im Bundestagswahlkampf eine Rolle gespielt zu haben. Nach Habeck soll noch Friedrich Merz kommen, die Einladung an Christian Lindner ist auch ausgesprochen. Und so könnten beide, Habeck wie Raab, den Abend aus verschiedenen Richtungen kommend als das bezeichnen, was er vielleicht am ehesten war: erfrischend.

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