- Hannes Jaenicke setzt seine erfolgreiche Doku-Reihe "Im Einsatz für ..." fort. Jetzt setzt er sich für Schweine ein.
- Im Interview mit unserer Redaktion kritisiert der Schauspieler und Tierschützer insbesondere die Massentierhaltung.
- Er erläutert aber auch, warum Schock-Bilder in Dokus seiner Ansicht nach keine Lösung sind.
Herr
Hannes Jaenicke: Die Reihe "Hannes Jaenicke: Im Einsatz für ..." gibt es seit 2006. Begonnen hatten wir mit eher exotischen Themen wie Regenwald-Vernichtung, Polkappen-Schmelze, Überfischung, Meeresverschmutzung, Wilderei, Elfenbein- und Nashornhandel. In den vergangenen Jahren wollten wir eher Themen mit Deutschland-Bezug in den Vordergrund stellen, etwa das Aussterben deutscher Singvögel, Fischkonsum und Lachsfarmen, die Rückkehr der Wölfe. Es gibt eine wütende Diskussion, ob wir Wölfe abschiessen sollten oder nicht. Ob Wölfe unsere Kinder nun fressen oder nicht. Jetzt haben wir einen Film über Massentierhaltung gemacht. Nach all den Skandalen mit Gammelfleisch, Vogelgrippe, Pferde-Lasagne, Tiertransporten und Tönnies fand ich das Thema brisant, und unsere Redaktion hat uns von Anfang an voll unterstützt.
Sie verzichten auf die klassischen Schock-Bilder. Warum?
Weil wir zuallererst mal zeigen wollten, was für ein intelligentes, soziales, lustiges, neugieriges Tier so ein Schweinchen ist. Und wie wenig wir über es wissen, obwohl wir es täglich an der Fleischtheke oder auf unserem Teller sehen.
Glauben Sie nicht, dass Schock-Bilder auch einen Effekt mit sich bringen?
Das diskutieren wir, seit wir diese Filme machen. Ich bin seit über 40 Jahren Greenpeace-Mitglied und kenne so ziemlich alle Videos, in denen Wale geschlachtet werden. Hat der Walfang aufgehört? Nein. Die Norweger und Faröer jagen mehr denn je, die Isländer jagen wieder und die Japaner jagen immer noch. PETA, deren Arbeit ich bewundere, zeigt seit Jahren, wie Nerzen bei lebendigem Leib das Fell abgezogen wird. Haben diese Videos das Tragen von Pelzen beendet? Nein. Die BBC wiederum zeigt seit Ewigkeiten, wie wunderschön die Welt ist und dass wir sie bitte schützen sollen. Hat das etwas gebracht? Nein. Die Frage ist, wie man den Zuschauer am besten abholt, ohne ihn zu erschrecken und ohne weichzuspülen. Das ist ein schmaler Grat.
Es gibt hier also kein richtig oder falsch?
Nun ja, wir haben Erfahrungswerte. Unser erster Film über Orang-Utans und Regenwald-Vernichtung führte uns nach Borneo. Per Zufall kamen wir an Filmmaterial, auf dem die Konfiszierung eines rasierten Orang-Utan-Weibchens zu sehen war, das in einem Holzfäller-Puff angeboten wurde – für umgerechnet 50 Cent. Keine schönen Bilder, aber ich wollte sie unbedingt im Film haben, weil es für mich das perfekte Sinnbild dafür war, was der Mensch der Natur antut. Eine Totale dieser Szene wurde dann im Film auch gezeigt. Und was passierte? Die Quote war bombastisch – bis zu diesem Moment. Viele Leute haben ausgeschaltet. Das war für mich eine Lektion.
Wieso hat das Schwein denn eine so schlechte Lobby, während jeder Delfine oder Pinguine liebt?
Vermutlich, weil es Delfin und Pinguin bei Aldi oder Lidl nicht als Billigfleisch gibt! Trotzdem hat es kein anderes Tier geschafft, so tief im deutschen Sprachgebrauch verwurzelt zu sein wie das Schwein. Einerseits ist es ein Glückssymbol ("Schwein gehabt"), es drückt Selbstmitleid aus ("Kein Schwein interessiert sich für mich") und wir beschimpfen uns gegenseitig als "dumme Sau" und "Drecksau". Was mich am meisten fasziniert, ist die schizophrene Trennung zwischen unseren Haustieren, die wir vergöttern, und Nutztieren, die wir quälen. Nur eine Zahl am Rande: Deutschland gibt 5,6 Milliarden Euro pro Jahr für Hundefutter und Accessoires aus. Aber an der Fleischtheke beim Discounter gilt die Devise "Geiz ist geil". Schon die Vokabel "Nutztier" stört mich. Tiere sind nicht dazu da, benutzt, genutzt und ausgenutzt zu werden. Fast jeder Mensch behauptet, dass ihm Tierwohl wichtig ist. Trotzdem greifen 99 Prozent zum Billigstprodukt von Herrn Tönnies. Diese Themen fanden wir spannend.
Was wollen Sie damit erreichen?
Wir wollen den Zuschauern und Zuschauerinnen zwei Dinge zeigen: Erstens, was für ein smartes und reinliches Tier sie da essen. Und zweitens, wie wir mit ihm umgehen, wie es in der Massentierhaltung produziert wird. Ausser Milchkühen werden keine Tiere so gequält wie Schweine. Nicht einmal ein Prozent unseres Fleisches ist Bio und die Industrie tut alles, damit keiner sieht, wie es in der Massentierhaltung zugeht. Stichwort Kastenstand, Antibiotika-Missbrauch, Verstümmelung der Tiere, Spaltenböden, auf denen sie mit ihren hochsensiblen Nasen knietief im eigenen Kot stehen. Die Leute haben ein Recht zu wissen, was sie essen und wie es produziert wird. Mein persönliches Highlight im Film ist ein Interview mit dem Philosophen
Würden Sie so weit gehen, dass jeder, der Fleisch isst, auch einmal selbst schlachten sollte?
Auch diese Idee halte ich nicht für falsch, denn jedem Fleischverzehr geht ein Tötungsakt voraus. Das verdrängen die meisten Menschen. Mir gefällt Prechts Vorschlag trotzdem besser. Jeder kann danach selbst entscheiden, ob er dieses System als Konsument unterstützen möchte oder nicht. Und er hat das Recht zu erfahren, wie sein Kotelett oder Schnitzel in diesen hermetisch abgeriegelten Fabriken produziert wird.
Was würde passieren, wenn mit Hunden oder Katzen so umgegangen würde?
Die Chinesen machen das ja. Bei uns würden die Menschen empört ausrasten. Das Unglück dieser Erde ist, dass sich der Mensch immer noch für die Krone der Schöpfung hält und mit Tieren und Ressourcen dementsprechend arrogant und ignorant umgeht. Ich drehe das gerne um: Man stelle sich einmal vor, wir Menschen stünden in einem Streichelzoo. Dann kommen andere Spezies vorbei, wuscheln uns durchs Haar, tätscheln uns die Wange, den Popo, kraulen uns unterm Kinn und im Schritt. Was würden wir tun? Wir würden zurückschlagen und zwar zu Recht. Mit welchem Recht behandeln wir Tiere so, als wären wir etwas Besseres? Wir sind doch auch nur eine weitere Spezies.
Jan Böhmermann hat vor ein paar Jahren mal gesagt: "Ich verurteile Menschen, die kein Fleisch essen." Was halten Sie von ihm?
Das ist natürlich Bullshit. Wir haben schon zusammen gearbeitet und grossen Spass gehabt. Ich bin Fan von Böhmermann, der wird immer besser! Und seine Redaktion macht einen fantastischen Job.
Wir treiben auch den CO2-Ausstoss mehr und mehr in die Höhe. Ist die Tierschutz-Debatte wichtiger als die Frage, ob wir zu viel fliegen?
Ja. Der Gesamtverkehr macht im Moment weltweit etwa 18 Prozent des CO2-Ausstosses aus. Allein die Fleischproduktion liegt bei 23 Prozent. Darüber redet aber keiner. Es gibt eine Oxford-Studie, die ich liebe: Ich kann als Veganer viermal pro Jahr rund um den Globus fliegen und habe immer noch eine bessere CO2-Bilanz als ein Fleischesser.
Aufgrund Ihrer angeblichen Vielfliegerei ernteten Sie vor einigen Jahren Kritik. Fliegen Sie immer noch so viel?
Nein. Ich lebe seit 2008 am Ammersee. Ich war bis 2001 in den USA verheiratet und habe aus dieser Zeit ein kleines Hippie-Häuschen dort. Inzwischen ist daraus eine Wander-WG geworden, die ich mit drei meiner engsten Freunde teile. Ich bin nur noch zum Arbeiten drüben, ansonsten lebe ich trotz der bayrischen Politik mit grosser Begeisterung in einem kleinen Dorf in Oberbayern. Eine Apotheke, ein Buch- und Zeitschriftenladen, ein italienisches Restaurant und ein Bioladen. Das war's (lacht).
Wie ernst nehmen die US-Amerikaner das Thema Tierschutz?
Es gibt wie bei uns ein grosses Gefälle zwischen Stadt und Land. In New York, San Francisco oder Los Angeles bietet jedes Steakhouse mittlerweile vegane Speisen an. Fährt man jedoch raus aus der Stadt und aufs Land, dann sieht das Frühstück in etwa so aus: Steak, drei Spiegeleier obendrauf, dazu Speck und Bratkartoffeln. Wenn du dem Trump-Wähler in der Provinz sein Fleisch wegnimmst, hast du einen Bürgerkrieg. Das wäre vermutlich fast so, als würde man ihm die Waffen wegnehmen.
Es ist ein globales Problem, ähnlich wie Corona. Sehen Sie da einen Zusammenhang?
Sehr gute Frage. Corona ist nachweisbar ein zoonotisches Virus. Sprich: Wir haben es mit einem Virus zu tun, das von der Natur auf den Menschen übergreift, weil der Mensch zu tief in Gebiete vordringt, in denen er nichts verloren hat. Der Ukraine-Krieg wiederum beweist, wie abhängig wir von Getreide und Futtermittel-Anbau sind. Alles hängt mit allem zusammen. Ein Drittel der weltweiten Agrarflächen ist ausschliesslich für die Futtermittelproduktion für unseren Fleischkonsum da. Wir vernichten den grössten CO2-Speicher, den wir haben – nämlich den Regenwald, um Futter-Soja für "Nutztiere" anzubauen.
Mit Ihrer Doku-Reihe engagieren Sie sich bereits seit vielen Jahren. Welche Plattformen nutzen Sie darüber hinaus, um auf Ihre Themen aufmerksam zu machen?
Tatsächlich habe ich mit meinem Kollegen Daniel Roesner und einer sehr engagierten Produzentin aus Berlin einen Film ("Die Meeresretter") gemacht, der vergangenes Jahr in der ARD lief. Es war ein Versuch, das Thema Meeresschutz als Umwelt-Thriller zu fiktionalisieren. Ursprünglich sollte es eine Reihe werden, wir sassen schon am Drehbuch für Teil 2. Die Kritiken waren super, aber vier Millionen Zuschauer waren der ARD zu wenig. Die Reihe wurde sofort eingestampft. Das ist in den USA anders: Dort gibt man solchen Formaten erst einmal eine Chance. Mit meinen Dokus und den "Amsterdam-Krimis" habe ich da mehr Erfolg. Ausserdem schreibe ich ab und zu ein Buch und habe eine Stiftung gegründet: "The Pelorus Jack Foundation". Damit unterstützen wir kleine Umweltgruppen und Einzelkämpfer, die von den grossen Organisationen nicht unterstützt werden. Das sind Menschen, die in Indonesien, Afrika oder Südamerika ihr Leben riskieren, um Habitate und Tiere zu schützen. Viele von ihnen hatten wir in unseren Dokus und kennen sie gut.
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