Mit seiner letzten Show verabschiedete sich Harald Schmidt aus dem Fernsehen, aber nicht von der Bühne.
"Schön, dass Sie so zahlreich eingeschaltet haben. Das hätten Sie mal in den letzten Jahren tun sollen". Wenn wir denn gekonnt hätten. Seit seinem Wechsel zum Bezahlsender Sky vor knapp zwei Jahren, gab es die "
Wer gestern Abend zur letzten Show auf Sky das Studio 449 in Köln betrat, spürte nichts vom Bedeutungsverlust der einstmals festen Instanz im deutschen Fernsehen. Schon im gläsernen Foyer hämmern die Beats, um das Publikum vorzuwärmen. An den Wänden, auf den Monitoren, überall Bilder von Schmidt - in den verschiedenen Epochen der fast zwanzigjährigen Geschichte seiner Show. Es könnte ein Abend wie jeder andere hier sein, wenn da nicht dieser Hauch von Melancholie zu spüren wäre.
Und erste Auflösungserscheinungen. Ein Teil des Personals an der Bar ist bereits desertiert, eine ehemalige Mitarbeiterin für die letzten Tage extra noch mal angerufen worden. "Wenn man sich dem hier verbunden fühlt, dann kommt man in so einer Situation", sagt sie, die nicht genannt werden will. Die Kaffeemaschine ist kaputt, reparieren lohnt offenbar nicht mehr.
Und die Einlasskontrollen beim Gang ins Studio sind härter als sonst. Sogar unter meinem Sakko suchen sie nach einem möglicherweise verborgenen Aufnahmegerät. Die exklusiven Rechte hat nun einmal Sky, auch für die letzte Show. Im Publikum sind viele, die schon öfter das Live-Erlebnis in Köln-Mühlheim gesucht haben. Die Stimmung ist gespannt, als Bandleader Helmut Zerlett und seine Musiker mit wenig Mühe die Reihen zum toben bringen. Zerlett ist in echt noch viel kleiner als im Fernsehen. Mit einem tragbaren Keyboard turnt er durch die Reihen. Auch Zerlett ist fast zwanzig Jahre mit dabei.
"So wie Sie heute drauf sind, brauchen wir kein Warming-Up"
Nach Zerlett kommt Schmidt auf die Bühne. Und geniesst schon ohne Kameras minutenlangen, tosenden Applaus. "Normalerweise kommt an dieser Stelle das Warming-Up", erklärt er kühl. "Doch so, wie Sie heute drauf sind, brauchen wir das nicht. Wir fangen gleich an". Sagt´s und schon spielt Zerletts Band die Erkennungsmusik. Schmidt tritt auf, ein letztes Mal, versucht mit Normalität den besonderen Anlass zu überspielen. Und kann doch nicht verbergen, dass auch er bewegt ist.
Sein berühmter Schreibtisch? In der letzten Show bleibt er komplett im Dunkeln. Schmidt hat zum Abschied seine Sidekicks aus den letzten Jahren eingeladen:
"Dankeschön für neunzehn fantastische Jahre"
"Und jetzt möchte ich Ihnen meinen musikalischen Gast ankündigen", beginnt er und stutzt, noch nicht vorbei? "Machen wir noch mal Werbung?" Er hat den letzten Break vergessen. Während der Werbepause, in der Zerlett ohrenbetäubend seine Band zum letzten Mal auf Hochtouren bringt, guckt Schmidt ins Leere, fast abwesend. Dann ist die Pause vorbei und der Profi-Moderator zurück. Judith Holofernes singt eine Hommage für Schmidt, bevor es vorbei ist. "Dankeschön für neunzehn fantastische Jahre", murmelt Schmidt, dann war´s das für ihn im TV.
Im Studio folgt minutenlanger, stehender Applaus, auch nachdem Schmidt schnellen Schrittes hinter den Kulissen verschwunden ist. Aber ein Publikum einfach klatschen lassen, kann der Theater-Mensch Schmidt nicht. Drei Mal kommt er zurück auf die Bühne und verbeugt sich mit seinem Team. Dann reicht es ihm. "Vielen Dank, die Botschaft ist angekommen", sagt er, "und jetzt machen Sie sich einen schönen Abend". Die Botschaft, das ist die Erkenntnis, dass Harald Schmidt jenseits aller Quoten jederzeit ein Theater füllen und zum Rasen bringen kann. Was er mit dieser Botschaft macht? Wir werden sehen. Der Mann ist ein Schauspieler, mit 56 Jahren liegen die ganz grossen Rollen noch vor ihm.
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