Die Single-Börse RTL hat sich für den Sonntagabend wieder etwas Neues überlegt, um auch die Menschen mit Partnern zu versorgen, die bisher durchs sendereigene Kuppelshow-Raster gefallen sind. "Herz zu verschenken" nennt sich das Ganze und rangiert irgendwo zwischen harmlos und unnötig.

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Eines kann man RTL nun wirklich nicht vorwerfen: Dass dem Sender das Liebesglück der Deutschen egal wäre. Wo es nur geht, drehen die Kölner Fernsehmacher jeden Stein der Republik um, um für ihre Protagonisten die passenden Partner zu finden.

Da werden für Bauern Frauen gesucht, Schwiegertöchter ausgeschrieben, Junggesellen alleinstehende Damen gereicht und Nackte zur Paarwerdung auf Inseln gesperrt.

Bei so viel Dienst an der Dating-Gesellschaft ist es wirklich erstaunlich, dass RTL trotzdem immer wieder ein neues Kuppel-Format aus dem Ärmel schüttelt.

Der jüngste Streich der Kölner Partnervermittler nennt sich ganz rührselig "Herz zu verschenken", was ein bisschen nach einem Slogan klingt, mit dem Tierheime Hundewelpen an den Mann bringen wollen.

Andauernde Liebesflauten

Doch bei "Herz zu verschenken" guckt der Zuschauer nicht in traurige Kulleraugen hinter Gitterstäben, sondern in die Wohnzimmer von Menschen, die es in der Liebe nicht ganz so gut getroffen haben.

Da ist zum Beispiel das von Karsten aus Sachsen. Wie wir erfahren, herrscht bei ihm seit zehn Jahren Flaute in der Liebe. Noch dazu hatte der Pechvogel einen Unfall, nach dem er erst wieder Laufen und Sprechen lernen musste.

Auch sein Gedächtnis ist heute noch nicht wieder in Top-Form. Nun will er wie die anderen Kandidaten der ersten Folge - Thomas, Silke und Ruth - mit "Herz zu verschenken" seinem Beziehungsglück Beine machen.

"Ich hab' jetzt nicht so viel zu bieten"

Die Schicksale der Kandidaten ähneln sich dabei in gewisser Weise. Allen gemein ist eine Vergangenheit voller Zurückweisungen und Enttäuschungen, die Verzweiflung, sich deswegen an RTL wenden zu müssen und eine Fremdwahrnehmung, die nichts mit Supermodel-Massen oder Abenteurer-Image zu tun hat.

Oder wie es Karsten, der in seiner Freizeit Miniatur-Trecker sammelt, formuliert: "Wir brauchen nicht grossartig um den heissen Brei zu reden. Ich hab' jetzt nicht so viel zu bieten."

Mehr als einmal wurde RTL vorgeworfen, Sendungen wie "Bauer sucht Frau" würden die Kandidaten absichtlich der Lächerlichkeit preisgeben. Auch bei "Herz zu verschenken" hat man nach den ersten Minuten das Gefühl, dass das wieder alles in eine ganz falsche Richtung läuft.

Tut es auch, aber nicht so komplett falsch wie bei ähnlichen Formaten, bei denen man ständig den Wunsch hat, die Kandidaten vor sich selbst zu schützen.

Fremdschämen dank Sendekonzept

Dass bei "Herz zu verschenken" trotzdem immer wieder die eine oder andere Fremdschäm-Situation entsteht, dürfte weniger mit einem Wunsch des Senders nach dem Blossstellen der Kandidaten zu tun haben, als vielmehr mit dem Konzept der knapp einstündigen Sendung.

Das ist nämlich so simpel wie starr: Zuerst unterhält sich der Liebe-Suchende ein Weilchen mit dem Reporter darüber, warum er in puncto Beziehung nicht unbedingt einen Lauf hat. Dann taucht irgendwoher jemand auf, der sich plötzlich für den Herzverschenker interessiert. Es folgt ein erstes Treffen, an dessen Ende die beiden Vermittlungsfälle ein Fazit ziehen.

"Habe ich dich geflasht?"

Wenn jemand, der sich ganz offensichtlich im sozialen Miteinander etwas schwerer tut als andere, vor eine Kamera gestellt wird, um sich mit jemandem, dem es genauso geht, zu einem ersten Date zu treffen, dann muss man kein Verhaltensbiologe sein, um zu ahnen, dass das tragisch-komische Momente kreiert.

"Als ich so zum ersten Mal um die Ecke gelinst hatte, habe ich dich da so als Kerl geflasht?", fragt Karsten Claudia beim ersten Date. Die antwortet ganz ehrlich: "Es geht, es geht."

Sympathische und normale Kandidaten

Trotzdem wird der Zuschauer, der "Bauer sucht Frau" nur deshalb guckt, um sich über die Kandidaten lustig zu machen, von "Herz zu verschenken" zumindest nach Folge eins enttäuscht sein. Dazu sind die Kandidaten dann doch zu sympathisch und normal.

"Herz zu verschenken" ist im bunten Portfolio der RTL-Kuppelshows das, was die Tiefkühlpizza in der Ernährungspyramide ist: belegt mit einfachen Zutaten, man verdirbt sich nicht den Magen, aber richtig satt wird man auch nicht.

Man hätte bei RTL Pizza ja auch mal selbst machen können, alleine schon, um wenigstens einmal aus diesen Fertig-Formaten auszubrechen. Aber wozu die Mühe, wenn man die Zuschauer auch mit Konserven-Kost bei der Stange halten kann?

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