Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky verspricht mit seinem neuen Film "Die Hölle" Österreichs ersten Actionthriller. Kann die Geschichte um eine Frau im Kampf gegen einen islamistischen Serienmörder das erfüllen? Und was bietet sie dem Zuschauer darüber hinaus?
Die Wiener Taxifahrerin Özge Dogruol (Violetta Schurawlow) ist hart im Nehmen: Von klein auf ist sie es gewohnt, sich im Leben durchzukämpfen, tagsüber trainiert sie Thai-Boxen in der Schule eines Ex-Freundes. Vom Vater wurde die türkischstämmige Frau als Kind offenbar missbraucht, familiäre Zuneigung findet sie deshalb nur bei ihrer Cousine Ranya und deren kleiner Tochter Ada. So die Ausgangslage im neuen Kinofilm "Die Hölle" von Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky, der am Donnerstag in die österreichischen Kinos kommt.
Eines Nachts sieht Özge aus ihrer Wohnung heraus im Hinterhof eine grausam zugerichtete Frauenleiche – und bemerkt einen Schatten im gegenüberliegenden Apartment. Weil der Mörder nun also glaubt, Özge habe ihn gesehen, ist sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Die Polizei unter Leitung des zynischen Kommissars Steiner (
"Real Stuff" mit Explosionen und Verfolgungsjagden
"Das ist kein Kunstschass, sondern real stuff mit Explosionen, Verfolgungsjagden, brennenden Frauen", preist Regisseur Stefan Ruzowitzky seinen neuen Film "Die Hölle" im GMX-Interview an. Ein harter Actionthriller aus Österreich sollte es werden, inszeniert auf internationalem Niveau. Natürlich stand Ruzowitzky trotz des Oscars für sein KZ-Drama "Die Fälscher" selten im Verdacht, ein "Kunstschass"-Regisseur zu sein – ob er nun Franka Potente durch den Horrorthriller "Anatomie" schickte oder bei seinem Ausflug nach Amerika Eric Bana und Olivia Wilde in "Cold Blood" durch die verschneiten Wälder hetzte.
Vor dem Action- und Spannungs-Handwerk in "Die Hölle" darf man denn auch den Hut ziehen: Ruzowitzky ist mittendrin im Geschehen und meilenweit entfernt von einer demonstrativen Zirkus-Stuntshow wie "Cobra 11". Seine "Hölle" ist intensives Körperkino: ein brutaler, rasanter Adrenalintrip, der beim Zusehen manchmal richtig wehtun kann. Die eindringliche Filmmusik von Marius Ruhland ist wahrlich nervenzerrend – im positivsten Sinn. Eine Entdeckung ist dabei auch Hauptdarstellerin Violetta Schurawlow, die all die Attacken, Wunden und Kämpfe glaubwürdig verkauft – ihre Präsenz trägt den Film.
Reisserische Rachephantasien
Mit seiner Geschichte greift "Die Hölle" aktuelle Entwicklungen auf: Der Mörder ist ein verblendeter Islamist, der Frauen nach dem Koran für ihre "Sündhaftigkeit" bestrafen will – weshalb unsere Heldin an einer Stelle klarstellen darf, dass dieser Irre vom Islam überhaupt keine Ahnung hat. Auch wenn durch den ganzen Film die Reibungen zwischen Zuwanderern und Einheimischen ebenso spürbar werden wie die sozialen Umstände der Migranten, bildet nichts davon einen tatsächlichen Fokus – "Die Hölle" spielt eben einfach in einem bestimmten Milieu. Gerade weil der Täter solch ein Psychopath nach aktuellem Zeitgeschmack ist und ihm auf ebensolch brutale Art geantwortet wird, bleibt dabei leider nur das taube Gefühl einer reisserischen Rachephantasie zurück.
Überhaupt überwiegt hier das rein Plakative – schon von Beginn an, wenn Özge einem Mann, der sie herablassend anspricht, ohne grosses Aufhebens das Nasenbein bricht. Wenn sie später mit zerschundenem Körper nackt vor dem Spiegel steht und im Gedanken an den Täter ein kaltes "Ich bring dich um" zischt, könnte man meinen, Tarantino würde seine "Kill Bill"-Protagonistin wieder ins Actioncomic-Geschehen schicken.
Keine Frage, "Die Hölle" packt den Zuseher in seiner grellen Eindringlichkeit – aber er lässt ihn dafür auch absolut leer zurück. Ruzowitzky zeigt, dass auch ein österreichischer Film mit Verfolgungsjagden, Explosionen, Serienkillern, aufgeschlitzten Kehlen und brennenden Körpern aufwarten kann. Ob man ihm dafür gratulieren möchte, hängt wohl davon ab, was man im Kino ausser Schmerz sonst noch spüren will.
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