In der Schweiz dürfen Bürgerinnen auf nationaler Ebene erst seit 1971 wählen und abstimmen. Eigentlich ist das kein Grund zum Lachen. Oder doch? Zum Internationalen Frauentag jedenfalls kommt mit "Die göttliche Ordnung" eine preisgekrönte Komödie über den Kampf für das Frauenstimmrecht in die Schweizer Kinos.

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"1971 war die Welt in Bewegung", erzählt die Protagonistin aus dem Off vor Aufnahmen der tanzenden 68er-Bewegung. Nur um nach einem Schwenk auf ein idyllisches Schweizer Dorf fortzufahren: "Aber hier bei uns war es so, als würde sie stillstehen."

Frauen dürfen ohne Erlaubnis des Ehemannes nicht arbeiten, junge Frauen werden wegen einer Liebelei ins Gefängnis gesteckt und der Mann kann als Familienoberhaupt das Geld verprassen: Die Schweiz aus dem Film "Die göttliche Ordnung" ist wahrlich kein Paradies.

Erzählt wird die Geschichte einer Hausfrau und Mutter, die sich in einem kleinen Dorf für das Frauenstimmrecht einsetzt. Mit kleineren Nebenhandlungen wird eine eigentliche Geschichte des Schweizer Patriarchats erzählt, unter dem alle zu leiden haben – Frauen, Männer und Kinder.

"Frauen in der Politik sind gegen die göttliche Ordnung"

Es ist schwer zu glauben, aber viele Ereignisse, die im Film vorkommen, haben sich historisch genau so zugetragen. Die Inhaftierung junger Leute wegen "liederlichen Lebenswandels" oder "Arbeitsscheue" bis in die 1980er-Jahre gehört etwa zu den dunkelsten Kapiteln der Schweizer Geschichte.

Die Schweizer Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe hat sorgfältig recherchiert, bevor sie das Drehbuch zum Film schrieb: Nebst Besuchen im Frauen-Archiv und Gesprächen mit Kämpferinnen für das Frauenstimmrecht las sie eine Dissertation über Frauenwahlrechtsgegnerinnen, von denen es in der Schweiz nicht wenige gab. Anschliessend liess Volpe das Drehbuch von einer Historikerin prüfen. "Diese sollte sicherstellen, dass die Atmosphäre im Film stimmt", erklärt die Regisseurin.

Und diese Atmosphäre beschreibt Volpe als "eng". Die Rollenbilder seien damals sehr starr gewesen. "Frauen in der Politik, das ist schlicht gegen die göttliche Ordnung", lässt sie im Film eine Frauenstimmrechtsgegnerin sagen. Bei diesem titelgebenden Satz handelt es sich um ein Originalzitat aus der damaligen Zeit.

Zum Frauenstimmrecht gezwungen

Dass der Filmstart mit dem Internationalen Frauentag zusammenfällt, ist für Volpe ein wichtiges Symbol. Am 8. März wird die Gleichstellung der Geschlechter gefeiert.

Die grösste Errungenschaft des seit über 100 Jahren weltweit etablierten Frauentags ist zweifellos die Einführung des Frauenwahlrechts in fast allen Demokratien der Welt.

Während die meisten westlichen Länder in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Frauenwahlrecht einführten, dauerte es in der Schweiz etwas länger.

Appenzell-Innerrhoden zog auf kantonaler Ebene erst 1991 nach

Seit 1971 dürfen Frauen auf Bundesebene abstimmen und wählen. Im Kanton Appenzell-Innerrhoden durften Frauen auf kantonaler Ebene erst ab 1991 mitbestimmen, nachdem das Bundesgericht den Kanton zur Einführung des Frauenstimmrechts gezwungen hatte.

Für Aussenstehende ist häufig erklärungsbedürftig, warum das Frauenstimmrecht in der Schweiz so spät eingeführt wurde. Volpe hat ihre ganz eigene Erklärung: "Die Schweiz ist ein sehr konservatives Land. Es gibt grossen Widerstand gegen Veränderung."

Dass in der Schweiz die Männer darüber abstimmen mussten und das Frauenstimmrecht nicht wie andernorts von der Regierung verordnet wurde, lässt Volpe als Entschuldigung nicht gelten.

"Als die umliegenden Länder längst schon das Frauenstimmrecht kannten, wurden Frauen von Schweizer Politikern nach wie vor nicht ernst genommen. Petitionen und Motionen verschwanden einfach in den Schubladen der Bundesräte."

Volpe ist überzeugt, dass auch in der Schweiz das Frauenstimmrecht viel früher eingeführt worden wäre, hätte die Regierung andere Signale ausgesendet. "Man ist in der Schweiz extrem veränderungsresistent, das merkt man ja auch heute noch, wenn abgestimmt wird."

Demokratie und Gleichberechtigung wieder hochaktuell

Der Film richtet sich nicht nur an ein Schweizer Publikum. Die Regisseurin – eine italienisch-schweizerische Doppelbürgerin, die in Berlin und den USA lebt – bemühte sich stets um eine Aussensicht. "Ich wollte ein sehr schweizerisches Thema so erzählen, dass es für alle interessant ist", sagt Volpe.

Das ist ihr offenbar gelungen: Eine dänische Vertriebsfirma sah den Film und fand, dass sich die Geschichte in der ganzen Welt vermarkten lasse. Der Film ist bereits nach China und in andere Länder verkauft worden.

Dass "Die göttliche Ordnung" auch ein ausländisches Publikum interessiert, führt die Regisseurin darauf zurück, dass der Film nicht nur vom Frauenstimmrecht handelt. "Es geht auch um Zivilcourage, Demokratie, Gleichberechtigung und den Kampf um Gerechtigkeit – das sind nach den Wahlen in den USA wieder hochaktuelle Themen!"

Und wie sieht es gegenwärtig in der Schweiz aus? Volpe überlegt nicht lange: "Es gibt noch wahnsinnig viel zu tun. Frauen verdienen in der Schweiz immer noch weniger als Männer. Dort fängt es an. Aber das noch grössere Problem ist, dass wir alle einen tiefen Sexismus verinnerlicht haben."

Petra Volpe wurde 1970 in der Schweiz geboren. Sie studierte Kunst in Zürich sowie Dramaturgie und Drehbuchschreiben an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam. Seit 2001 arbeitet sie freiberuflich als Drehbuchautorin und Regisseurin.
Die Komödie "Die göttliche Ordnung" handelt von einer Schweizer Hausfrau, die für das Frauenstimmrecht kämpft. Die Schweizerin Petra Volpe hat das Drehbuch geschrieben und Regie geführt.
Als erster Spielfilm in der Geschichte der Solothurner Filmtage gewann die Komödie den Prix de Soleure. "Die göttliche Ordnung" ist auch Favoritin für den Schweizer Filmpreisexterner Link, der am 24. März vergeben wird. Der Film läuft ab dem 9. März in Schweizer Kinos.

  © swissinfo.ch

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