Die Idee, im Rahmen einer TV-Show ein konkretes Jahr aus den 1980ern aufzugreifen, hat Potenzial. Lädt man aber die gängigen Show-Nomaden à la Atze Schröder und Sonya Kraus in die Sendung und greift auf Spiele zurück, mit denen man bereits frühen Paläozoikum Langeweile produziert hätte, muss man schlichtweg scheitern.
Die Neue Deutsche Welle zog den Menschen einen akkuraten Mittelscheitel. Der Falklandkrieg zwischen Argentinien und dem Vereinigten Königreich erschütterte sie.
Das Jahr 1982 war im Wesentlichen ein ereignisreiches, aber ist es wirklich nötig, seiner im Rahmen einer eigenen Fernsehshow zu gedenken? Sat.1 probiert es jedenfalls aus.
Neues Retro-Format setzt auf die herkömmlichen Show-Nomaden
In der neuen Retro-Showreihe "Was für ein Jahr!" schwelgt
Den Anfang machte 1982. Dass man hierfür auf Leute wie
Verrückt: Aus Moschner wird Lauper und aus Vintage Karneval
Hugo Egon Balder, der sich in den 1980er-Jahren als Schlagerfuzzi und Moderator versuchte, bevor er sich im Jahr 1990 die Show "Tutti Frutti" zur Brust nahm, betritt also die Bühne. Und zwar dem Anlass entsprechend im "Miami Vice"-Outfit.
Dazu gibt’s Ruth Moschner und
Die zwei Teams "Moschner-Schröder" und "Ceylan-Kraus" müssen ihr Wissen über 82er-Themen in mehreren "verrückten Quiz- und Spielrunden" gegeneinander antreten. Schon zu Beginn wird wie verrückt gelacht – allerdings nur im Studio, sicher nicht vor den Fernsehgeräten.
Dröge Spiele um Deutsche Mark
Das erste Spiel des Abends heisst "Ich wette, du weisst das nicht!". Kraus gegen Schröder lautet zunächst das Duell. Der Buzzer soll nur dann gedrückt werden, wenn man der Überzeugung ist, der andere würde die Antwort nicht wissen.
Kennt derjenige sie tatsächlich nicht, gehen 500 Deutsche Mark – richtig, es wird um Mark gespielt – an das Publikum. So muss anhand von ein paar Tönen etwa ein Lied aus dem Jahr 1982 erkannt werden. Verrückt!
Schröder buzzert und Kraus hat somit zu antworten. Und sie antwortet korrekt und erkennt "Do you really want to hurt me" von der Band Culture Club. Nobelpreisverdächtig!
Atze "Buzzer" Schröder checkt die Regeln nicht
Ein
Nach ein paar Fragen müssen Moschner und Ceylan ran. Auch ihnen werden primär müde machende Fragen à la "Wie nennt man das damals in TV-Shows neue telefonische Abstimmungsverfahren?" (Antwort: TED) oder "In welchem Hit taucht die Münchner Telefonnummer '32 16 8' auf?" gestellt.
Bei Letzterer buzzert Ceylan sofort, um Moschner zu einer Antwort zu nötigen, womit er preisgab, dass er selbst genau keine Ahnung hatte. Erstaunlich, denn die Lyrics von "Skandal im Sperrbezirk" der Spider Murphy Gang können heute sogar die zwischen 2014 und 2016 Geborenen auswendig.
Erste Zwischenbilanz: "Was für ein Jahr!" ist bis zu diesem Zeitpunkt leider zappelig und dramaturgisch gänzlich unspannend. Darüber hinaus sind die Kandidaten überdreht, als hätten sie sich im Vorfeld fünf Bälle Discoschnee in die Nase geworfen, was wenigstens echt 80er gewesen wäre.
Diavorführungen in der kackbraunen Sitzgruppe
Nach der ersten Runde trifft man einander in einer Retro-Sitzgarnitur, um Hochgeistiges zu verhandeln und alte Fotos aus 1982 zu bestaunen. Es gab Sonya als Achtjährige auf Malle, den schulbetüteten Bülent im Alter von sechs Jahren und die ebenfalls sechsjährige kleine Ruth mit süssem Kätzchen.
Nur vom damals 16-jährigen Schröder wurde kein Foto gezeigt, da dieser Sat.1 dann wohl in Grund und Boden geklagt hätte.
Patrick Bach taucht auf und wird mit "klugen" Fragen gelöchert
Ein weiteres Spiel der Show ist "Wer bin ich"? – natürlich eine Reminiszenz an die 80er-Kultsendung "Was bin ich?" mit dem legendären Robert "Welches Schweinderl hätten’s denn gern?" Lembke.
Die überdrehten Vier müssen Augenmasken aufsetzen und danach den Namen eines prominenten Gastes nach dem "Ja/Nein"-Schema erraten. Der Gast, der ziemlich jung gebliebene Schauspieler Patrick Bach, von dem Ceylan sicher noch nie gehört hat, darf natürlich nur nicken oder den Kopf schütteln und selbst nicht antworten.
Das übernimmt Retro-Hugo für ihn. Dass Moschner nach Ceylans Frage, ob es sich beim Gast um eine Frau handeln würde, was natürlich verneint wird, wissen wollte, ob sie denn ein Mann sei, macht eines am heutigen Abend deutlich: Wenn es um nichts geht, geht es auch nie ums Denken.
Selbst Balder, der als erfahrener Show-Cyborg den Abend im Grossen und Ganzen professionell wegmoderierte, ist am Verzweifeln.
Langweilige Spiele und ein Finale ohne Biss
Dann gibt es noch die Spiele "Würfel deinen Star!", "Hit-Medley" und "Geldsack". Jedes einzelne dauert gefühlt so lang wie einst die Zeit von 1982 bis Ende 1998. Und sie sind so langweilig, dass sie an dieser Stelle auch keines weiteren Wortes gewürdigt werden.
Vor dem Finalspiel liegt das Team "Kraus-Ceylan" jedenfalls in Führung. Dort stellt Balder dann beiden Teams 20 (sehr einfache) Fragen – und zwar alle auf einmal, ohne dass dazwischen geantwortet werden darf. Heisst: Die Kandidaten müssen sich die Antworten merken – und zwar unabhängig von der Reihenfolge.
Danach müssen die Teams nacheinander jeweils eine Antwort aus dem Gedächtnis heraus nennen. Wer sich als erster an keine mehr erinnern kann, war raus. Moschner, der bereits im dritten Durchlauf die Antworten ausgehen, wird als erste erlöst. Da ihr Teampartner Schröder folgt, ist klar, dass das ohnehin führende Team "Kraus-Bülent" sowohl die Finalrunde als auch den gesamten Abend gewonnen hat.
Insgesamt erspielen die beiden 10.721 Deutsche Mark für ihr Publikum, was jedem in ihrer "Fanzone" sitzenden Zuschauer satte 88 Mark einbringt. Ein reines Schmerzensgeld, das der TV-Zuschauer am heimischen Bildschirm mindestens ebenso verdient hätte.
Fazit: Allzu häufig wird man wohl nicht mehr zurückblicken
"Was für ein Jahr" wird nicht nur nicht in die Fernsehgeschichte eingehen, sondern wohl auch relativ bald sein Ende finden. Die Show, aus der sich durchaus etwas hätte machen lassen, nutzt ihre Chancen nicht und schickt zudem Kandidaten ins Rennen, deren inflationäre TV-Präsenz ohnedies längst nervt.
Dass interessante Promis wohl kaum den Weg in Retro-Hugos Show gehen werden, liegt am trivialen Format, das zu sehr auf "Hihi"- und "Haha"-Comedy setzt und nichts von Belang aus dem zugrunde liegenden Jahr aufgreift. Und so kommen eben nur die Show-Nomaden - und die gähnende Langweile.
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