Am Freitagabend widmete sich Jan Böhmermann sogenannten "Med-Influencern", Menschen, die auf Social-Media medizinische Beratung machen – beziehungsweise Werbung. Eigentliche Hauptdarsteller sind in dieser Folge aber die beiden TV-Beauty-Docs Dr. Rick und Dr. Nick.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Wissen Sie was? Ich geh' gar nicht mehr zum Arzt", beginnt Jan Böhmermann am Freitagabend seinen neuesten Streich und diesen Satz hat wohl jeder schon mal gesagt oder gehört. Oft steckt Angst dahinter, Scham oder eine Änderung des Lebenswandels, weshalb man glaubt, gesünder und fitter zu sein. Wie es um Jan Böhmermanns Lebenswandel bestellt ist, weiss man nicht, aber der Satiriker will ohnehin auf etwas anderes hinaus: "Ich geh' nur noch ins Internet. Zu Instagram und TikTok, da gibts nämlich auch Ärztinnen und Ärzte."

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Das ist auch so ein Satz, der vertraut klingt, wenn auch eher in seiner gedachten Form. Wir erinnern uns an die Corona-Pandemie, als sich so mancher selbst zum Medizin-Experten ernannte und die Ratschläge langjähriger Virologen in Zweifel zog – selbst jene Ratschläge, die gar nicht gegeben wurden. Aber will Böhmermann nun tatsächlich noch Corona und alle Querdenker-Märchen aufarbeiten?

Wozu Ärzte, wenn es das Internet gibt?

Nein, will er nicht. Ihm geht es diesmal um den pandemie-unabhängigen Zuwachs von Influencern im Bereich Medizin und schon zeigt Böhmermann einen Video-Clip, in dem ein Mann im weissen Kittel und einem Stethoskop um den Hals, seinen Zuhörern erklärt, wie man ein EKG in einer Minute versteht. Es folgen eine Medizin-Doktorandin, die auf Instagram den Versuch dokumentiert, ihren Alterungsprozess zu verlangsamen, und ein Mann mit Stethoskop, der via Instagram behauptet, die Dicke der Oberschenkelmuskulatur würde über die Lebensdauer entscheiden.

"Warum brauchen wir noch Ärztinnen und Ärzte? Medizinische Beratung gibt's doch auch als Reel, bei Insta und TikTok? Med-FluencerInnen", fragt Böhmermann rhetorisch. "Med-FluencerInnen", das seien "hoch qualifiziertes, seriöses medizinisches Fachpersonal, das auf Instagram und TikTok Content raushaut, rund ums Thema Gesundheit. Einfach so, für uns. Kostenlos." "Medizin küsst Influencen – was kann da schon schiefgehen?", fasst Böhmermann zusammen und stellt dann die wichtige Frage: "Wie erkenne ich seriöse Med-Fluencing-Profis?"

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Böhmermann gibt sich und den Zuschauern die Antwort selbst: "Mindestens eines der folgenden drei Merkmale muss zutreffen": 1. Sie nennen sich immer "Doktor oder Doc". 2. "Seriöse Med-Fluencer sehen immer aus wie bei 'Grey's Anatomy'." 3. Ein Stethoskop um den Hals. Auf ein viertes Merkmal macht Böhmermann aufmerksam, als er das Video eines Med-Fluencers zeigt, in dem dieser via Instagram über eine Krankheit aufklären will. Das sieht Böhmermann genauer hin und entdeckt einen kleinen Hinweis: "Dieser Beitrag wird unterstützt von Ipsen Pharma GmbH", heisst es dort.

Bitte keine Werbung!

Nun ist ein Med-Fluencer nicht gleich unseriös, weil er Werbung macht, der Teufel steckt hier aber im Detail. Die Krankheit, die der besagte Med-Fluencer da vorstellt, ist nämlich die primär biliäre Cholangitis (PBC), für die das werbende Pharma-Unternehmen gerade eine Zulassung eines Medikaments bekommen habe oder wie es Böhmermann formuliert: "Da hat man so ein tolles Medikament auf den Markt gebracht gegen eine Krankheit, die kaum jemand kennt, und dann kennt die kaum jemand."

Böhmermanns Vorwurf: "Wenn mehr Leute von einem echten Arzt bei Instagram erfahren, dass es diese seltene Krankheit gibt, dann gibt es auch mehr Leute, die sagen: Ich glaub, ich hab die!" – eine Werbe-Strategie, die Medizinrechtler Prof. Jens Prütting für "berufsrechtlich problematisch" hält, wie er in einem Interview erklärt. Denn Ärztinnen und Ärzte dürften gemäss Fremdwerbeverbot nicht einfach so Werbung als Ärztinnen und Ärzte machen. Der Haken: Viele Med-Fluenzer seien noch gar keine Ärzte, sondern Medizin-Studierende. "Reich werden wie ein Arzt, ohne Arzt zu sein", fasst Böhmermann die Situation zusammen.

Ähnlich und doch anders liegt der Fall bei den zwei "Schönheitsdocs" Dr. Rick und Dr. Nick, die verschiedene Botox-und-Co.-Standorte sowie eine eigene Fernsehserie haben. Dort werben sie mit Vorher-Nachher-Bildern von Eingriffen, was nicht nur für Böhmermann, sondern auch für den Gesetzgeber problematisch ist. "Denn die kann Leuten Lust machen auf Schönheitsbehandlungen, die riskant sind und medizinisch überhaupt nicht notwendig", so Böhmermann. Da ein entsprechendes Urteil aber noch nicht rechtskräftig sei, würden die beiden "Beauty-Docs" erst einmal mit ihrer Werbung weitermachen. Grund genug für Böhmermann, die beiden Ärzte und ihren Werdegang unter die Lupe zu nehmen.

Dr. Rick und Dr. Nick – "geiler als sie eigentlich sind"?

"Im Dezember 2023 nannten sich Dr. Rick und Dr. Nick auf ihrer Website noch 'Arzt für ästhetische Eingriffe'. Aber dann: nicht mehr. Weil das Landgericht Bochum Ende 2023 mit 'ner dicken, fetten Gesetzesspritze vorbeigekommen ist und Dr. Rick und Dr. Nick den Arzt für ästhetische Eingriffe einfach weggespritzt hat", erklärt Böhmermann, dass diese Bezeichnung eine "Fehlvorstellung hinsichtlich der Qualifikation" auslösen könne. Die beiden hätten sich, so Böhmermann, einen "Fantasie-Titel" zugelegt, "um sich ein bisschen geiler zu machen, als sie eigentlich sind."

Apropos Titel: Bei der Gelegenheit sucht Böhmermann nach den Doktorarbeiten der beiden. Die von Dr. Nick alias Dominik Bettray findet er auch, die von "Dr. Rick" allerdings nicht. Könne er auch gar nicht, denn Henrik Heüveldop, wie "Dr. Rick" eigentlich heisst, habe in Ungarn studiert und dort bekäme man das "Doktor" beim Studienabschluss einfach dazu. Allerdings sei das kein richtiger Doktor-Grad mit einer Dissertation, man dürfe deshalb nicht "Dr." schreiben, sondern nur "dr. med.". "Dr. Rick ist also eigentlich bloss Studienabsolvent dr. med. – mit kleinem D – Henrik Stefan Werner Heüveldop", so Böhmermann.

Das müsse Heüveldop eigentlich auch durch die Kleinschreibung kenntlich machen, was aber lediglich auf dem Praxisschild geschehe. Bei seinen Social-Media-Auftritten oder im Firmen-Logo schreibe er einfach alles in Grossbuchstaben, sodass die Titellosigkeit niemandem auffalle. Das dürfte nun vorbei sein, zumindest bei den Zuschauern des "ZDF Magazin Royale".

Kein Inhalt, aber Transparenz bei Inhaltslosigkeit

"Medizinische Influencer*innen: Diagnose Selbstvermarktung" nannte Jan Böhmermann die jüngste Folge seines "ZDF Magazin Royale" und man hätte bei diesem Titel auch denken können, Böhmermann würde sich diesmal mit möglichem Unsinn auseinandersetzen, den man so auf Youtube, Instagram und Co. von selbsternannten Experten zu hören bekommt. Aber Jan Böhmermann bleibt dem Was fern, konzentriert sich stattdessen auf das Wie. Das ist auch gut so, denn sonst könnte man ihm, dem Nicht-Mediziner, ähnliche Vorwürfe machen.

Das wäre dann zwar immer noch eine andere Sache, weil Böhmermann und sein Team mit journalistischer Sorgfalt und mit Experten arbeiten, aber so macht er sich zumindest medizinisch nicht angreifbar. Zumindest fast nicht, denn als er einmal doch inhaltlich wird und mal so eben die Bioresonanztherapie abräumt, macht er das zwar einigermassen launig, aber eben auch einigermassen dünn. Mit nur einer einzigen Studie und ohne grosse Erklärungen zu geben.

Erklärungen liefert er bei den beiden Beauty-Docs Dr. Rick und Dr. Nick, pardon, dr. med. Rick und Dr. Nick, dafür umso mehr. Dabei sagt er auch nichts über die Qualität der Arbeit der beiden, sondern sorgt lediglich für Transparenz bei deren Marketing-Instrumenten. Ob das die Klientel der beiden sonderlich stören wird? Wahrscheinlich ist in der Beauty-Welt auch hier der Schein wichtiger als das Sein. Aber jetzt weiss immerhin jeder Bescheid.