Sturm im Wasserglas oder rechtliches Glatteis? Jan Böhmermann hat sich für die neueste Ausgabe seines "ZDF Magazin Royale" einmal unter Wettermoderatoren umgesehen. Genauer gesagt: beim internationalen Wettergipfel in Tirol. Seine Frage: Ist das nur ein harmloses Netzwerktreffen oder der Nährboden für meteorologische Schleichwerbung?
"Ich kann Ihnen eins versprechen: Das wird heute eine richtig, richtig stürmische Sendung, die Sie nicht verpassen sollten", kalauert
Okay, ums Wetter geht es also, aber was meint Böhmermann mit "Oder?" – Wurde das Wetter etwa manipuliert? Wurde uns falsches Wetter vorausgesagt? Regen, wenn eigentlich die Sonne scheinen wird? Überfrierende Nässe statt Orkanböen? Wurde uns ein Hoch für ein Tief vorgemacht? "Das Wetter am Ende der Fernsehnachrichten und die Menschen, die uns das Wetter im Fernsehen präsentieren – was wissen wir darüber?", bringt Böhmermann nun die Meteorologen ins Spiel.
Die seien längst so etwas wie Stars, ihre Arbeit werde gleichzeitig immer bedeutsamer: "Das Wetter ist unpolitisch und hochrelevant", leitet Böhmermann die Begründung ein, warum er sich überhaupt mit Wettermoderatoren beschäftigt und zitiert dann den Europa-Ableger der US-Tageszeitung "Politico" als Beleg. Am 2. September 2022 hiess es dort: "Wetterberichte bekommen im Zeitalter des Klimawandels eine neue Bedeutung: Hitzewellen, Überschwemmungen und andere Wetterextreme werden immer häufiger und intensiver, da sich der Planet aufheizt."
Tirol, "Wohlfühl-Ort für Wetterleute"
Diese Kombination aus Prominenz und Relevanz ist es, die Böhmermann in den folgenden Minuten ins Visier nimmt, denn sie hat Folgen und diese Folgen tragen einen Namen: Schleichwerbung. Wie er darauf kommt, erklärt Böhmermann in kleinen Schritten. "Wettermoderatorinnen und Wettermoderatoren müssen sich ganz viel Scheisse anhören und darum können sie froh sein, dass es einen Wohlfühl-Ort für Wetterleute gibt", erklärt Böhmermann über "Häme und Hass", denen Meteorologen beim Thema Klimakrise ausgesetzt seien.
Und mit "Wohlfühl-Ort" meint er den internationalen Wettergipfel, der seit 2007 in Tirol stattfindet. Dorthin führt nämlich Böhmermanns Spur beim Schleichwerbungsvorwurf und es ist auch die einzige Spur – das muss man dazusagen. "Beim internationalen Wettergipfel machen unsere Wetterfrösche und -innen so richtig Gönnjamin", behauptet Böhmermann und führt als Beweis auf, wie man dort 2018 Jakobsmuscheln auf Gurke und Champagner gegessen habe.
Aber das leckere Essen sei nur ein Indiz von vielen: "Organisiert wird das von Thomas Weninger (QYINT) initiierte Event von der Agentur ProMedia Kommunikation in enger Zusammenarbeit mit der Tirol Werbung und der diesjährigen Gastgeberregion, der Region Paznaun-Ischgl", zitiert Böhmermann, wer hinter dem internationalen Wettergipfel steckt und formuliert daraus einen Verdacht.
"Hm, wenn eine Tiroler PR-Agentur, ein Tiroler Tourismus-Marketing-Unternehmen namens Tirol Werbung und eine Tiroler Tourismus-Region [… ], wenn die alle gemeinsam Wetterleute nach Tirol einladen – könnte es sein, dass es beim internationalen Wettergipfel in Wirklichkeit gar nicht um unabhängige, seriöse Wetterberichterstattung geht, sondern um … Tirol?", fragt Böhmermann rhetorisch, ehe Szenen aus Wetterberichten gezeigt werden, in denen Tirol über den grünen Klee gelobt wird. Aber nicht nur das.
Jan Böhmermann: "Schleichwerbung, das ist es!"
"Es ist so geil, was einem da alles geboten wird", meint Böhmermann und zitiert dann aus der Einladung von 2023: "Die Gastgeber bieten den TeilnehmerInnen die Möglichkeit, eigene Wettermoderationen direkt aus einer der namhaftesten Tiroler Urlaubsdestinationen in die Heimat zu übertragen. Es warten spektakuläre Drehlocations für aktuelle Aussenwetterreportagen, ein Wettergipfel-Talk zu einem relevanten Thema sowie die Vergabe des heiss begehrten 'Wettergipfel-Awards' in drei verschiedenen Kategorien." Ausserdem stünden professionelle Kamerateams kostenlos zur Verfügung, die dabei entstehenden Kosten würden vom Veranstalter übernommen.
"In Tirol wird Gastfreundschaft einfach noch grossgeschrieben. Die Kosten für Wetterschalten, die Aussenwetterreportagen, die Übertragung, die Unterkunft und die leckere Verpflegung wird alles komplett bezahlt – wenn man möchte", kommentiert Böhmermann ironisch all die bezahlten Annehmlichkeiten und Extras und stellt dann fest: "Das ist im Grunde genommen eine Fernsehwerbekampagne, von der seit 17 Jahren niemand weiss, dass es sie gibt", erklärt der Satiriker und fährt fort: "Schleichwerbung, das ist es!" Das gilt es zu prüfen, wozu auch Böhmermanns Zusatz "wenn man möchte" gehört. Denn dieser Zusatz ist beim Vorwurf der Schleichwerbung zwar nicht alleine entscheidend, aber auch nicht unerheblich, denn er zieht weitere Fragen nach sich.
Was wird denn für all die Extras an Gegenleistung erwartet? Dass man in seinen Wetterbeiträgen aus Tirol Werbung für die Region macht – so wie es ja auch geschehen ist? Was passiert, wenn man es nicht macht? Wird die lobende Erwähnung Tirols als Werbung gekennzeichnet? Gab es Druck, wenn auch nur sozialen, Werbung zu machen? Was ist zulässiges Sponsoring einer Veranstaltung, was ist versuchte Beeinflussung? Was ist denn überhaupt der offizielle Grund dieses Wettergipfels? Was passiert dort, wenn sich die 35 Wettermoderatoren aus mehreren Ländern treffen? Und auch, wenn dies das geringste Problem ist: Wem wäre geholfen, wenn es statt Jakobsmuscheln Kartoffelsalat und Mett-Igel gäbe?
Wie "lebensnah" ist ein Hintergrund voller Logos?
Eine ganze Menge Fragen, die Böhmermann allerdings nicht alle beantwortet. Aber einige schon. Dazu hat Böhmermanns Team die betroffenen TV-Sender angefragt und der Hessische Rundfunk etwa antwortet Folgendes: "Gerne verweisen wir […] auf unser journalistisches Selbstverständnis, das auch dadurch geprägt ist, Berichterstattungen authentisch zu gestalten. […] Dies beinhaltet im konkreten Fall Ischgl, […] auch dessen vor Ort omnipräsentes Logo, das als integraler Gegenstand der Berichterstattung von Schleichwerbung oder Sponsoring abzugrenzen ist. Logos im Bild sind im Rahmen einer lebensnahen Berichterstattung nicht auszuschliessen."
Dieser "lebensnahen Berichterstattung" gegenüber steht aber der Umstand, dass die Image-Förderung der Region bewusst kalkuliert ist. Von "wichtiger Baustein in unserer Kommunikation" und "unbezahlbarer Imagewert" sei da etwa die Rede. Da verweist Böhmermann zu Recht einmal auf den Medienstaatsvertrag in Deutschland, in dem unter anderem steht: "Auf eine Produktplatzierung ist eindeutig hinzuweisen. Sie ist zu Beginn und zum Ende einer Sendung angemessen zu kennzeichnen."
Dazu schreibt RTL auf Nachfrage: "Die Teilnahme der Kollegen am Wettergipfel hatte keinen inhaltlichen Einfluss auf die Wetterberichte von vor Ort. In der Tat hätte es aber einen deutlicheren Hinweis geben müssen, dass Produktionskosten von Dritten übernommen wurden. Das wird so nicht mehr vorkommen." "Immerhin sind sie auf Nachfrage ehrlich", kommentiert Böhmermann. Auch andere Sender hätten sich geäussert, der Hessische Rundfunk und das ZDF hätten erklärt, dass Anreisekosten und Equipment selbst bezahlt worden seien, nur das Essen nicht.
Die "Einladung" ist das Problem
Sat.1 ProSieben, KabelEins und Welt TV hätten das "ZDF Magazin Royale"-Team an seinen Wetterdienst wetter.com verwiesen und auch der habe sich geäussert: "Die Kosten für unsere regulären Wettersendungen, die an unterschiedlichen Orten auf der Welt gedreht werden, übernimmt immer wetter.com. Immer." Klingt seriös, sagt aber nichts darüber aus, ob der Wettergipfel in Tirol zu den "regulären Wettersendungen" gehört oder nicht.
Auch der ORF gab ein Statement ab: "In früheren Jahren hatten immer wieder Meteorolog:innen des ORF am sogenannten 'Wettergipfel', einem aus redaktioneller Sicht wertvollen Vernetzungstreffen mit anderen europäischen Wetter-Redaktionen, teilgenommen. Manche auf Volleinladung, manche auf Teileinladung." Eine Wortwahl, die Böhmermann wüten lässt: "Nicht Voll- oder Teil- ist das Problem, sondern 'Einladung'!" "Heimliche Produktplatzierung und Schleichwerbung haben nichts im Fernsehen zu suchen und schon gar nicht im seriösen Informationsprogramm", erklärt Böhmermann und damit ist dann eigentlich auch alles gesagt.
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