- Jenke von Wilmsdorff ist bekannt für seine schonungslosen Experimente.
- In seiner neuen Show bei ProSieben ist am Montag sein Schönheitsexperiment zu sehen.
- Im Interview verrät der 55-Jährige, was ihn dort erwartet hat und was die Zuschauer aus seinen Experimenten mitnehmen sollen.
Herr von
Jenke von Wilmsdorff: Das Besondere an diesem Schönheitsexperiment ist, dass ich mein Gesicht geteilt habe, um die Möglichkeiten der Kosmetik und die der Schönheitschirurgie zeitgleich in nur einem, nämlich meinem Gesicht vergleichen zu können. Ich habe dafür links nur kosmetische Produkte benutzt, um zu sehen, wie weit ich dadurch verjüngt werden kann und die rechte Gesichtshälfte für die plastische Chirurgin reserviert.
Es wird ein Wettrennen und Vergleich mit der spannenden Frage, was mich um wie viele Jahre verjüngen kann und wie weit ich gehe. Das Spannende an dem Experiment ist: Wann greift die Sucht? Wann wird Botox und Hyaluron so selbstverständlich, dass ich immer mehr will? Aber wann sehe ich nicht mehr aus wie ich? Diese Reise führt zu erschreckenden Erkenntnissen.
Wie kommen Sie auf die Themen für Ihre Experimente?
Die Themenideen haben wir, mein engstes Team und ich. Wir setzen uns regelmässig zum Brainstorming zusammen und diskutieren über die gesellschaftlichen Themen unserer Zeit und sammeln so Ideen auch für andere Formate.
Wie viel Arbeit steckt in einer Dokumentation, bis diese im Fernsehen erscheint?
Das ist unterschiedlich. Beim Schönheitsexperiment haben die Dreharbeiten drei Monate gedauert. Vier bis sechs Wochen vorher beginnt die Recherche für ein Thema. Mit Recherche dauert ein Experiment meist viereinhalb Monate, darunter geht es nicht. Die Postproduktion dauert dann noch einmal vier bis sechs Wochen für eine zweistündige Dokumentation, bevor das Werk im Fernsehen zu sehen sein wird, aber sie läuft parallel zu den Dreharbeiten.
Gab es in der Vergangenheit Themen für Experimente, die Sie abgelehnt haben?
Es gibt unterschiedliche Gründe, etwas abzulehnen. Wenn es unmöglich ist oder als Experiment keinen Sinn macht, entscheiden wir uns natürlich alle dagegen. Ein Experiment muss unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Es muss ein gesellschaftlich relevantes Thema sein, das Experiment muss eine Innenansicht erlauben.
Es gab einmal ein Experiment zum Thema Tod, mit dem habe ich zwei Jahre lang gehadert. Zu gross waren meine Berührungsängste. Schliesslich bin ich für zwei Wochen in ein Hospiz gezogen, habe Tür an Tür mit den Menschen gelebt, denen nicht mehr viel Lebenszeit blieb. Ich habe viel mit ihnen geredet und geweint. Es wurde mein emotionalstes Experiment.
Viele Ihrer Experimente waren sehr extrem - wie gehen Sie mit diesen Erfahrungen um?
Alle Experimente waren extrem. Jedes einzelne. Manche Experimente fordern mehr meinen Körper, andere meine Psyche. Ich erzähle seit 20 Jahren extreme Geschichten im Fernsehen, schon lange vor den Experimenten, und ich habe gelernt, damit umzugehen. Nach einem Experiment nehme ich dann erstmal eine Auszeit von drei bis vier Wochen, um den Kopf wieder freizukriegen und dem Körper viel Gutes zu tun.
Haben Sie sich auch schon einmal professionelle Hilfe gesucht?
Es ist bis jetzt nicht nötig gewesen, eine Psychologin oder einen Psychologen aufzusuchen, weil ich etwas nicht alleine verarbeiten konnte. Aber ich bin ein grosser Freund der Psychologie und Gesprächstherapie und finde, dass die Menschen das viel zu selten und viel zu spät machen. Genau wie eine Körperhygiene gibt es auch eine Seelenhygiene. Ich bin sehr interessiert in diesem Bereich und erkenne in mir Signale, die andere Menschen vielleicht nicht direkt zuordnen können.
Wie haben sich Ihre Experimente auf Ihr persönliches Leben ausgewirkt? Haben Sie aus den Erfahrungen Konsequenzen gezogen?
Jedes Experiment hinterlässt bei mir natürlich Spuren. Nach dem Fleischexperiment habe ich aufgehört Fleisch zu essen und ziehe das bis heute durch. Nach dem Plastikexperiment habe ich sehr viel Plastik vermieden. Ich habe damals viel Plastik aus meiner Küche entsorgt und mir Glasbehälter angeschafft. Leider ist coronabedingt der Fokus auf unseren Plastikmüll wieder ein Stück weit verloren gegangen. Es entstehen erneut irrsinnige Mengen an Plastikmüll.
Letztendlich habe ich von allen 21 Experimenten bisher etwas mitgenommen. Eine Bewusstseinsveränderung, eine andere Sicht auf die Gesellschaft und auch auf meine Verantwortung in dieser Gesellschaft. Ich habe mich immer ein Stück weit verändert, sogar verbessert.
Welche Experimente oder Selbstversuche würden Sie gerne noch machen?
Es gibt noch so viele Themen, die ich gern machen würde, auch andere Formate und Sendungen. Und genau das haben wir vor. Das war einer der Gründe, warum ich zu ProSieben gewechselt bin. Wir werden in den nächsten Jahren gemeinsam viel neues Programm machen. Ab sofort gibt es auch meinen neuen Podcast zu den Experimenten – "Jenke. Der Podcast" auf FYEO.
Es gibt noch so viele Dinge, die ich spannend finde, dass ich mir keine Sorgen mache, dass mir irgendwann die Themen ausgehen. Das richtige Thema für ein Experiment klopft ja auch ein Stück weit immer an meine Journalistentür. Vor zehn Jahren war es noch unvorstellbar, ein Experiment zum Thema Schönheit zu machen, aber inzwischen ist die Schönheits-OP selbst bei Jugendlichen ein grosses Thema und auf so manchem Weihnachtswunschzettel finden wir grosse Lippen und kleine Nasen.
Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, wie lange Sie die Experimente noch machen wollen?
Ich werde noch als 80- oder 90-Jähriger Experimente machen. Dann vielleicht aber nicht mehr fürs Fernsehen. Und wenn, dann springe ich nicht mehr aus einem brennenden Hubschrauber heraus. Aber Moment mal, warum eigentlich nicht? Das ist für mich kein Beruf, sondern Leidenschaft. Und es ist ein ganz grosses Glück, dass ich diese Tätigkeit ausüben darf. Dass ich immer neue Geschichten, Themen und Menschen kennenlerne. Da denkt man anders als ein Mensch, der mit 67 Jahren in Rente geht und froh ist, sich endlich mal um andere Dinge kümmern zu können. Ich kümmere mich jeden Tag um Anderes und Neues.
Was möchten Sie mit Ihren Experimenten bei den Zuschauern erreichen?
Ich möchte erreichen, dass die Menschen sich für ein Thema öffnen, von dem sie glauben, schon alles zu wissen. Auch beim Thema Schönheits-OPs glaubt ja jeder, alles zu wissen, wenn man die Leute auf der Strasse so fragt. Ich bin aber der Meinung, dass wir noch lange nicht alles wissen. Also stelle ich mir Fragen: Wie kann ich mehr Information liefern? Wie kann ich mit Vorurteilen aufräumen?
Das geht für mich am besten in der Art und Weise, wie ich meine Dokumentationen gestalte. Neben der klassischen Reportage gehe ich zusätzlich noch in ein Experiment und liefere eine Innenansicht: Wie fühlt es sich an zu trinken, im Gefängnis zu sitzen oder eben zur Schönheitschirurgin zu gehen? Diese zusätzlichen Informationen öffnen die Zuschauer dann wieder für ein Thema, von dem sie glauben, alles gewusst zu haben. Mein Anspruch ist, dass die Menschen etwas länger und besser informiert nachdenken, bevor sie sich eine Meinung bilden. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir uns ausführlich und komplex informieren. Und das Experiment ist eine wunderbare Form, genau das zu tun.
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