Andrea Kiewels neues Format sollte "die grösste Party Deutschlands" werden. Wenn man auf einer Sause jedoch Lust auf Alpakawanderungen, wummernde Klangschalen und eine Dreistundenversion vom "Lied der Schlümpfe" bekommt, kann irgendwas nicht ganz stimmen. Ein satirisches Minutenprotokoll.
20:10 Uhr: "Kiwis grosse Partynacht" würde sich vom "ZDF Fernsehgarten" aber sowas von abheben, hiess es. Wie Tag und Nacht sollen die beiden Formate sein, was einigermassen schlüssig klingt, da es im "ZDF Fernsehgarten" ja immer hell ist, im neuen Partykeller von der
20:15 Uhr: Ja so eine Überraschung aber auch! Das ist ja der Engler Hartmut von PUR. Na klar, die neue Sause von der Kiewel Andrea hat ja auch das Motto "Abenteuerland". Da ist es nur recht und billig, dass der abenteuerliche Barde die Gastgeberin, die Kiewel Andrea aka Kiwi, ankündigt, worauf im quietschfidelen Publikum gleich die ersten künstlichen Hüften und Kniegelenke losquietschen. "Diese Show trägt meinen Namen", sagt die Kiwi, die man wegen der aus dem Kassettenrecorder dröhnenden Tschin-Bum-Musik aber kaum hört, ungemein stolz. "Seid ihr bereit für die grosse Partynacht?", fragt sie die 1.500 Berliner im Partykeller. Die checken gerade ihre Hüften und Kniegelenke und sind noch nicht ganz ready-to-rumble. Die Sat.1-Show wird übrigens drei Stunden dauern, uns also zwischen den Werbepausen mindestens vier erstklassige Songs und drei mörderisch gute Kiwi-Gags liefern. Gaudeamus igitur!
Gefangen in der Lederhose
20:20 Uhr: Die Kiewel Andrea, die unter einer riesigen Discokugel steht und einen schwarzen Strampelanzug aus glitzernder, halbwegs regenerierter Cellulose trägt, stellt jetzt die Sängerinnen und Sänger ihrer neuen Superfete vor. Das Namedropping aus der Verdammnis ist äusserst bedrückend. Kiwi meint jetzt, dass wir daheim doch Tisch und Sessel zur Seite rücken und mittanzen sollten. Logisch, wir überlegen gleich auch noch, den Möbelpacker-Notdienst zu rufen, um das 15-Quadratmeter-Wohnzimmer bis auf den 720-Zoll-Röhrenfernseher völlig leerräumen zu lassen, damit bei der Polonäse zur Mucke vom Zucker
20:21 Uhr: Jo, deaf des woah sei, dass der Gabalier Andy schon so früh antanzt? Der selbsternannte Volksrock'n'Roller singt seine Kuriosität "Hulapalu" und wähnt sich offenbar auf einer Fete mit dem Motto "Auf der Alm". Es kann aber auch sein, dass sich so kurz nach Weihnachten nur kein Handwerker gefunden hat, der den Gabalier Andy mit dem Winkelschleifer aus der Lederhose hätte flexen können. Hallo Sat1, nach sieben Minuten Show wäre jetzt ein bisschen Werbung ganz gut, oder?
20:28 Uhr: Die Anastacia stöckelt auf die Bühne und langweilt uns zum ungefähr 350. Mal mit ihrem Cover der "Tote Hosen"-Nummer "Tage wie diese". Mit "Dead Trousers" bringt die Kiwi bei der Ankündigung zuvor ihren ersten Supergag. "How good is your German?” und "Can you order a Currywurst?” will sie dann nach dem "Dead Trousers”-Song von der Anastacia wissen. Eine eigens aus Niederbayern angereiste zwölfköpfige Ü80-Gruppe kommt mit dem hohen Fremdschämfaktor nicht zurecht und verlässt umgehend den Partykeller.
"Kiwis grosse Partynacht": Zweitfrisuren wirbeln durch die Luft
20:35 Uhr: Die
20:47 Uhr: Die Band Alphaville – respektive das, was von ihr übrig ist – steht jetzt auf der Bühne und reisst ihren Klassiker "Big in Japan" an. Dass der Gold Marian, der Sänger der Formation, inzwischen ein wenig an einen Boxpromoter mit chinesischem Migrationshintergrund erinnert, macht deren Auftritt weder besser noch schlechter.
20:52 Uhr: Kiwi intoniert jetzt irgendeinen Song von irgendeiner Band, was äusserst ungut ist, angesichts des Auftauchens vom P. Oli aber eh schnell ein Ende findet. Das Problem: 50 Prozent der Partygäste können mit dessen Musik genau null anfangen, der Rest tut sich mit ihm persönlich schwer, was der Stimmung im Partykeller nicht so zuträglich ist.
Der Ötzi DJ zur Kiwi: "Ich liebe dich"
20:56 Uhr: Wow, jetzt wird’s hart. Österreichs Calimero, der Ötzi DJ, taucht auf und hat seinen ersten DJ-Mixer, den er an Heiligabend von Mutti geschenkt bekommen hat, mitgebracht. Er steht auch wirklich für drei Sekunden hinter dem DJ-Pult, dackelt dann aber eh nach vorne, weil er selbst schnallt, dass es blöd rüberkommt, wenn man "DJ" im Namen stehen hat, aber mit dem Drücken und Schieben von Knöpfen und Reglern noch nicht so vertraut ist. Nicht mitsingen, Kiwi! Bitte nicht mitsingen! Obwohl sie dann doch mitgesungen hat, sagt der Ötzi DJ "Ich liebe dich" zur Kiwi, ehe er seine Eierschale ins Publikum wirft und oben ohne von der Bühne geht.
21:00 Uhr: Jetzt mal Werbung schauen und den Kopf frei kriegen.
21:15 Uhr: Die Band Santiano und der Evans Nathan kommen auf die Bühne und lassen die Lust auf Hochprozentiges eskalieren. Die Shanty-Rocker aus dem Norden Schleswig-Holsteins und der Highlander singen den Song "Wellerman", der nichts mit dem im August verstorbenen Boxer René Weller, dessen Kämpfe auch nie vom Alphaville-Sänger promotet wurden, zu tun hat. Nur dass das klar ist!
21:20 Uhr: Die Band Culcha Candela wärmt jetzt im Partykeller den "Kool & the Gang"-Burner "Celebration" auf. Die Kamera schweift jetzt regelmässig ins Publikum, worauf man prinzipiell immer wegschauen will, aber nicht kann, weil man ja immer hinschauen muss. Man weiss, dass eine Traumatherapie um die Ecke wartet.
Wo ist die Mähne vom Engler Hartmut?
21:24 Uhr: Die Band PUR singt jetzt ihren Megahit "Abenteuerland". Sie bemühen sich eh sicher. Viel wichtiger: Es ist ja einfach so schade, dass sich der Engler Hartmut schon vor Jahren das elendslange Hinterteil seiner Frise absägen hat lassen. Da konnte man seinerzeit auch nie wegschauen. Das ihm schon länger fehlende Teil fehlt einem selbst richtig und muss doch in irgendeinem fucking Glasgefäss mit Formaldehyd in irgendeiner fucking Vitrine in irgendeinem fucking Museum abhängen, oder? Sofort Hand hoch, wer nicht vor dem abgesägten Frisenteil vom Engler Hartmut kurz in die Knie gehen und "Danke für alles!" sagen würde!
21:44 Uhr: Der voXXclub vergeht sich an ABBA und bringt ein Medley aus Hits der schwedischen Truppe. Nicht mal deren Hologramme haben sich das verdient. Unter dem "Kiwis grosse Partynacht"-Logo, das drei Kakaotrinker aus dem Publikum fünf Minuten vor Beginn der Show auf einem Commodore-64 kreiert haben, strampelt die Kiwi im Strampelanzug zur Musik. Es ist zum Verzweifeln. Vielleicht sollte man doch wieder in die Kirche eintreten?
22:15 Uhr: "Wir freuen uns wie verrückt auf dein Duett mit Ben Zucker", sagt die Kiwi jetzt zur Ott Kerstin. Nein, wir freuen uns nicht wie verrückt auf das Duett. Im Gegenteil, es macht uns grosse Angst, weshalb wir jetzt sofort mit Alpakas wandern, gemachte Erfahrungen in Collagen und Skulpturen ausdrücken und unsere Köpfe in wummernde Klangschalen legen wollen.
22:22 Uhr: Der Harris Malik, der Sohn vom Harris Ricky, der in Deutschland das Genre "Talkshow" revolutioniert hat, knallt uns "Baby One More Time", den Song von der Spears Britney, vor den Latz. Das geht eigentlich.
Undercut-Overkill auf der Bühne
22:26 Uhr: I wer narrisch, der Gabalier Andy rollt sich ein weiteres Mal auf die Bühne. Sein "The Best" von der in diesem Jahr verblichenen Turner Tina, die jetzt unterirdisch unrund wird und irgendwas nach "I Can’t Stand The Lederhosen-Andy"-Klingendes murmelt, geht mächtig in die Trousers.
22:33 Uhr: "Was kommt raus, wenn sich Kerstin Ott und Ben Zucker zusammen auf der Bühne treffen und ein Duett singen?", fragt die Kiewel Andrea relativ deppat. Ernste Antwort: In erster Linie mal nichts Gutes auf der Party, in zweiter ein Undercut-Overkill auf der Bühne und in dritter eine veritable Depression vor der Kiste.
22:38 Uhr: Nur so ein Gedanke: Kann die Kiwi nächstes Mal nicht einfach die Schlümpfe einladen und sie eine dreistündige Version ihres berühmtesten Songs trällern lassen? Also den mit "Der Flötenschlumpf fängt an" und "Aus Schlumpfhausen, bittesehr" und so weiter. Regievorschlag: Der Flötenschlumpf soll – wie im Lied gleichsam – auch in der Sendung starten und dann die anderen Schlümpfe die verbleibenden drei Stunden bis zum Ende von "Kiwis grosser Partynacht" einfach ihr "Lalalalala" singen lassen. Okay, ganz am Anfang und ganz am Ende kann die Kiewel Andrea auch was sagen, wenn sie darauf besteht.
Es wird noch unangenehmer
22:48 Uhr: Gibt es ausser einem Indianer, einem Polizisten, einem Soldaten, einem Bauarbeiter, einem Biker, einem Cowboy und der Kiwi noch jemanden auf diesem Planeten, der auf den Song "YMCA" steht?
22:53 Uhr: Sasha covert Whitney Houston! Alpakas, Collagen, Klangschalen!
22:58 Uhr: Der Ötzi DJ, dem inzwischen irgendjemand backstage demonstriert hat, wo man am DJ-Mixer zum Beispiel kurz drehen oder drücken kann, steht jetzt hinter seinem Weihnachtsgeschenk auf der Bühne und martert unsere ohnedies schon malträtierten Lauscher mit seiner Version des "Kings of Leon"-Songs "Sex on Fire". "Du hast sexy gesungen", sagt die Kiwi.
23:05 Uhr: Die Gastgeberin interviewt jetzt die Jungs vom voXXclub, die sie offenbar schon lange kennt: "Was haben wir zusammen schon für verrückte Sachen gemacht. Eigentlich gibt es nichts, was ihr nicht mit mir gemacht habt", sagt sie zu den Fünf. Ernsthaft jetzt: Und es sind wirklich noch drei weitere Ausgaben dieses Formats geplant?
23:25 Uhr: Der Maffay Peter, der vorher kurz mit der Kiewel Andrea sprechen musste und danach sehr befreit wirkt, schnulzt sich mit der in Deutschland weltberühmten Anastacia durch eine englische Version seiner Nummer "So bist du" ("That is you"). Sie ist nicht gut, aber man freut sich für den Maffay Peter, dass er die Kiwi gut verdaut hat.
Die Leandros Vicky dreht das Licht auf
23:30 Uhr: Noch viel erfreulicher ist jedoch, dass sich die Leandros Vicky nach ihrem "Ich liebe das Leben", einem Schlager der alten Schule, jetzt anschickt, das Licht anzumachen und "Kiwis grosse Partynacht", von der man sich künftig fernhalten sollte, endlich zu beenden. Nur die Schlümpfe können die nächsten Kiwi-Sausen noch retten.
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