Wenn die Kiewel Andrea zu einer "80er- und 90er-Jahre"-Fete lädt, kommen vielleicht nicht alle Unterhändler des schlechten Geschmacks, aber schon ein paar. Etwa der Bega Lou, der Alban Dr. oder der Anders Thomas, bei dessen Auftritten es sich so saugut mit Jägermeister-Schorlen experimentieren lässt. Dass der P. Nik und der Ötzi DJ wegen eines Zimtsterns schon ewig nicht mehr miteinander kommunizieren? Eine Schande! Ein satirisches Minutenprotokoll.
20:10 Uhr: Wie haben wir das bloss geschafft? Wie konnten wir diese nach Kiwis letzter Fete aufkommende Trübseligkeit überstehen? Wie leben? Klar, man reisst sich zusammen, hat doch jeder seine eigene Strategie, in der kiwilosen Zeit ohne gröbere Depressionen über die Runden zu kommen. Die einen haben allabendlich um 20:15 Uhr damit begonnen, vor dem Spiegel ihre Pobacken zu geisseln, andere mussten an Silvester ihre vier Carpendale Howies und drei Zucker Bens in Blei giessen, um zumindest nicht unglücklich zu bleiben. Nur die Einfallslosen haben sich an allen neun Tagen bereits im Morgengrauen einen Doppelliter Fernet-Branca zugeführt und einfach nur dichtgemacht. Trotzdem: Für uns alle war die Zeit zwischen Kiwis grossen Partynächten ziemlich gleich hart.
20:15 Uhr: Endlich! Die Kiwi schiebt sich in blauer Bluse und Hose auf die 360-Grad-Bühne. "Heute feiern wir die Hits der 80er und 90er", sagt sie, die Kiewel Andrea, die jetzt ihre heutigen Gäste vorstellt. Bei so manchem Zusehern vor dem TV-Gerät kündigt sich ein nässender Ausschlag in der Glutealregion an.
20:20 Uhr: Mit den Worten "eine grosse, wahnsinnig beliebte Band" kündigt die Kiewel Andrea jetzt die Münchener Freiheit an. Hallo? Wer singt denn da? Ohne den Zauner Stefan, den alten Sänger, kann man die Band ja überhaupt nicht ernst nehmen. Dass der neue Barde wie eine Mischung aus dem Drews Jürgen und dem Roth David Lee, dem einstigen "Van Halen"-Sänger, aussieht, hebt die Laune aber ein wenig. Wahnsinn, der Gitarrero! Shit, wir werden ja alle nicht jünger. Was, bitteschön, war bei uns intelligent designt?
Zwei Stunden "Looking for Freedom"
20:25 Uhr: Alter Schwede! Der P. Oli trällert doch glatt "I'm looking for Freedom" vom Hasselhoff David. Sieht man von Kriegen, Katastrophen, persönlichen Schicksalsschlägen und dergleichen ab, sind es vermutlich die bittersten drei Minuten unseres Lebens. In ihrer Verzweiflung wollen Zuseher die Mauer wieder errichten, andere betrinken sich, legen sich Burger essend auf den Boden und bitten Freude und Bekannte, sie dabei zu filmen. Cool bleiben, Leute, es ist alles total harmlos und die Musik einfach nur nicht sonderlich gut.
20:28 Uhr: Edit: Die Sause ist einen Scheiss harmlos. Der
20:33 Uhr: Der Sänger der Band Geier Sturzflug sieht nicht aus wie der Sänger der Band Geier Sturzflug. Das stört irgendwie.
20:39 Uhr: Der Gold Marian, der Alphaville-Barde, macht wiederum den Eindruck, als hätte er die letzten zwei Jahrzehnte in der Max-Schmeling-Halle verbracht.
Schweissflecken und schwedische Kronen
20:50 Uhr: "Ich möchte mich stellvertretend für diesen Auftritt bei Cyndi Lauper entschuldigen. Wir sind nicht alle so", schreibt jemand auf X, vormals Twitter, nach einem "Girls just want to have Fun"-Cover. An dieser Stelle wünschen wir dem Musk Elon für immer und ewig den Appendix "vormals Twitter". Zickezacke, zickezacke, hoi, hoi, hoi!
20:59 Uhr: Na schau, der Bega Lou darf jetzt endlich auch seinen 99er-Sommerhit "Mambo No. 5" husten. Auch heute wünscht sich der Bega Lou, dessen Leben offenbar auf Verschleiss angelegt ist, a little bit of Monica, Erica, Rita, Tina, Sandra, Mary und Jessica. Die müssen inzwischen auch schon ganz schön alt sein. "Dankeschön, liebster Lou!", sagt die Kiewel Andrea, bevor sie uns ihre humiden Verhältnisse in den Achselhöhlen präsentiert. "Wann dürfen wir uns auf Mambo No. 6 freuen", fragt die Kiwi. Man will sich in den Holzpyjama stürzen.
21:10 Uhr: Der ein bisschen rappende und eurotanzende Alban Dr., der gelernte Zahnarzt aus dem schönen Sverige, springt in seinem schneeweissen Praxisgewand auf die Bühne, und reibt uns seinen Track "Halleluja" rüber. Scharf darauf, dem kariösen Publikum ein paar schwedische Kronen anzudrehen, kann er sich beim Bewegen der Lippen kaum konzentrieren.
Streit um den letzten Zimtstern
21:16: Der P. Nik, der mit dem Ötzi DJ schon seit Jahren im Clinch liegt, weil der Ösi-Calimero bei einer Weihnachtssause im Jahr 2002 am Tisch zum allerletzten Zimtstern gegriffen und ihn unter der geklöppelten oder gehäkelten Eierschale versteckt hat, statt ihn mit dem P. Nik zu teilen, singt deren an sich gemeinsamen Hit "Ein Stern (…der deinen Namen trägt)". Schön, dass Sie jetzt auch die Hintergrundgeschichte zu diesem Welthit kennen.
21:34 Uhr: Kühl, der Gitarrero von der Münchener Freiheit, war schon in den 1930er-Jahren in der Band. Darauf gleich eine Jägermeister-Schorle!
21:40 Uhr: Während die Band Bell, Book & Candle auf der Bühne steht, lässt sich die Kiewel Andrea die Achselhöhlen ordentlich durchföhnen.
Die Omis und der Singer Mike
21:50 Uhr: Die Kiewel Andrea interviewt jetzt auf ihrer 80er- und 90-Jahre-Party den Singer Mike. Danach singt der Singer Mike "Verdammt ich lieb dich" von Deutschlands prominentestem Genom-Multiplikator, vom Reim Matthias. Zwei Grossmütter im Publikum wollen mehr vom Singer Mike. Der kann sich nur eine platonische Beziehung vorstellen.
22:12 Uhr: Der Logan Johnny, der bis dato so gut wie jeden ESC für sich entscheiden konnte und exakt so aussieht wie der, Gott hab ihn selig, Swayze Patrick heute aussähe, reicht uns seinen Evergreen "Hold me now". Die ESC-Aficionadas rund um die gigantische 360-Grad-Bühne, von der ein 120x120-Zentimeter-Poster über dem Bett der Kiewel Andrea hängt, versuchen, ihre Schlüpfer startklar zu machen, scheitern aber an ihren Skinny-Jeans.
In der Not frisst der Teufel Fliegen
22:39 Uhr: Die Münchener Freiheit und ihr Drews David Lee stellen uns ihren neuen Song vor – er heisst "Komm mit mir" oder so. Vor den Toiletten in der "Kiwi-Arena" bilden sich gigantische Schlangen. Der mediokren Neuvorstellung folgt der Megahit "Ohne dich". Der ist natürlich prinzipiell auch eher dings, aber hey: In der Not frisst der Teufel Fliegen.
22:45 Uhr: "Von ihm werden wir noch oft hören", kündigt die Kiewel Andrea den jungen Ösi-Künstler Nikotin an. Er scheint den Hölzel Hansi, der 1998 auf der DomRep mit seinem Mitsubishi Pajero in den Kultstatus abgezweigt ist, leiwand zu finden. Und covert dessen "Kommissar". Dass Nikotin unter seiner Lederjacke als Zebra verkleidet ist, stört gar nicht so.
Der P. Nik bleibt an er Oberfläche
23:15 Uhr: Der P. Nik, laut Kiwi "tief im Herzen" ein Rocker, muss sich den Fragen der Gastgeberin stellen. Dass der Zwist mit dem Ötzi DJ nicht thematisiert wird, macht das Interview natürlich völlig unspannend. Unspannend ist auch die Nummer, die uns der P. Nik jetzt auftischt. Sie geht ebenso null auf den Zimtsternkonflikt ein.
23:18 Uhr: Freunde der 80er- und 90er-Jahre, es ist 23:18 Uhr! Welche Koryphäe aus Kiwis Kosmos des üblen Geschmacks könnte als Highlight des Abends noch antanzen?
23:21 Uhr: Ach du Schande! Es ist der Alban Dr., Amalgam-Apologet, Implantat-Kaiser und Bühnenkasper in Personalunion, der uns mit seinen tanzenden Ordi-Assistentinnen die Armseligkeit "It's my Life" überreicht. Für seine weiblichen Fans will der Alban Dr. nach der Show in der Kabine für zwei Stunden eine Popup-Praxis aufmachen.
23:24 Uhr: Dass am Ende noch "Ich liebe das Leben" von der Leandros Vicky, die gar nicht anwesend ist, bemüht wird, überrascht dann doch. "Das ist mein Lieblingslied und die Hymne von 'Kiwis grosser Partynacht'", sagt die Kiewel Andrea im Finale ihrer Sause. Danke schön, Kiwi! Es war schon wieder gar nicht mal so gut.
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