Fünf Kandidaten kämpfen sich durch die rumänische Wildnis. Nur wenn die Gruppe auch den Schwächsten ins Ziel bekommt, gibt es den grossen Gewinn. RTLs neue Show "Kopfgeld" ist eine gelungene Mischung aus Gameshow und Sozialexperiment.

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Jenke von Wilmsdorff ist wohl das, was man als Tausendsassa bezeichnen darf. Das Bonner Multitalent machte erst eine Ausbildung zum Schauspieler und war in dieser Funktion unter anderem in der "Lindenstrasse" und im "Tatort" zu sehen. Daneben machte er ein bisschen Radio und Fernsehwerbung.

Richtig gemerkt hat man sich sein markantes Gesicht dann, als er sich auf TV-Selbstversuche spezialisiert hat. In seiner RTL-Doku-Reihe "Das Jenke-Experiment" probierte er Drogen aus, zog ins Gefängnis oder in ein Sterbehospiz.

Man kann also nicht gerade sagen, dass Jenke von Wilmsdorff Herausforderungen aus dem Weg geht. Oder wie er es selbst formuliert: "Mit Grenzen kenne ich mich ein bisschen aus."

Wer Hilfe braucht, zahlt

In seiner neuen Show "Kopfgeld", die am Freitagabend startete, überlässt er die Grenzerfahrungen diesmal lieber anderen.

Ein grosses Experiment ist die Show aber trotzdem: Von Wilmsdorff schickt fünf Kandidaten nach Rumänien. Dort müssen sie zwei Tage lang in der Wildnis verschiedene Aufgaben meistern.

Am Ende der Rallye können die Kandidaten 100.001 Euro gewinnen. Nanu, denkt sich der scharfsinnige Leser, warum denn dieser krumme Betrag?

Weil RTL sich noch etwas Besonderes ausgedacht hat. Und zwar bekommt jeder der fünf Kandidaten ein Kopfgeld zugewiesen. Dieses wird nach seinem Fitness-Zustand bemessen. Der Fitteste ist einen Euro wert, der Unfitteste 50.000 Euro.

Das hat folgenden Grund: Nur wenn alle Kandidaten ins Ziel kommen, teilen sie sich die Gesamtsumme. Steigt ein Kandidat aus, ist dessen Kopfgeld futsch.

Zusätzlich können sich die Kandidaten bei den Herausforderungen Hilfestellungen kaufen, etwa einen Seilzug für 2.000 Euro oder die Abkürzung über eine Treppe für 3.000 Euro. Auch das wird vom jeweiligen Kopfgeld abgezogen.

Menschen, die von Leitern fallen

Die Kandidaten bringen nicht nur einen unterschiedlichen Body-Mass-Index zur Show mit, sondern auch ihre ganz individuellen Ängste. Model Serena beispielsweise ist "kein grosser Wasserfreund", Florian, der Unfitteste der Runde, hat Höhenangst und Nesthäkchen Josephine verursachen Leitern grosses Unbehagen: "Man hört ja auch immer wieder, dass Leute von Leitern runterfallen."

Höhenangst, Angst vor Leitern - als hätte RTL das gewusst, geht es gleich bei den ersten Herausforderungen ganz viel um Höhe.

Und um Leitern: An zwei Leitern eine Steilwand hoch klettern, über eine Schlucht sausen oder mit Strickleitern und Seilen einen nassen Berg besteigen - ein paar andere Ängste wären hier definitiv hilfreich.

Das relativ simple Grundkonzept der Show zieht seinen Reiz also aus den gängigen Spielshow-Zutaten: Gibt es einen Kandidaten, mit dem ich mitfiebern kann?

Wer schafft welche Herausforderung? Wer überwindet seine Ängste? Wer nicht? Das taugt als Unterhaltungsformat genauso gut wie jede andere handelsübliche Gameshow.

Aber "Kopfgeld" will ein bisschen mehr als das Übliche. Mehr oder weniger offensichtlich geht es bei der RTL-Show auch um ein kleines Sozialexperiment.

Bei RTL und Sozialexperiment stellen sich einem natürlich erst einmal die Nackenhaare auf, schliesslich hat uns RTL schon so manchen TV-Trash wie seine Insel-Nackedeierei "Adam sucht Eva" als Sozialexperiment verkauft.

Gameshow trifft Sozialexperiment

Aber "Kopfgeld" ist davon weit entfernt, denn in der Tat liegt ein besonderer Reiz der Show in den Reaktionen und Motiven der Kandidaten: Was tun Menschen alles für Geld?

Hilft man Schwächeren nur, wenn am Ende ein Preis winkt? Wie sehr setzen die Reaktionen der Stärkeren die Schwächeren unter Druck?

Das ist an Küchenpsychologie natürlich näher dran als an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Warum zum Beispiel wird der Wert eines Menschen für diese Aufgaben nur an seiner körperlichen Fitness gemessen? Was ist mit Empathie, Teamfähigkeit oder einfach nur Grips?

Trotzdem ist es zumindest interessant, die zurecht geschnittenen Reaktionen der Kandidaten zu beobachten: "Ich bin mega enttäuscht von mir, weil jetzt das Team darunter leiden muss", erklärt beispielsweise Josephine, als sie eine Hilfestellung kaufen muss und vergisst dabei, dass "leiden" hier ein grosses Wort ist.

Die Kandidaten verlieren ja nichts, sondern gewinnen nur ein bisschen weniger.

Auch wenn Jenke von Wilmsdorff das Ganze ein wenig bräsig moderiert, könnte vor allem die Entwicklung der Kandidaten interessant werden. Wie ändert sich die Motivation? Rückt das Geld irgendwann in den Hintergrund? Was, wenn auch die Fittesten an ihre Grenzen kommen und sich noch nicht einmal eine Hilfestellung kaufen können, weil die ihr Kopfgeld übersteigen würde?

Alles in allem ist "Kopfgeld" also durchaus eine gelungene Mischung aus Unterhaltungsshow und einem kleinen Bisschen Sozialexperiment. Da hat RTL schon weitaus Schlimmeres gemacht.

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