Woche drei beim freitäglichen Abendtanztee in der Köln-Slowfox-Enklave Ossendorf. Die Partynacht der 90er-Klassiker beginnt für knapp 1.000 Zuschauer am neugestalteten TV-Dancefloor sowie die 3,8 Millionen Zuschauer zu Hause (Quote vom vergangenen Freitag) allerdings direkt mit einem Schockmoment. Kaum tänzelt das vertraglich zu allabendlicher Power-Bestlaune hochalimentierte Moderatoren-Duo aus der Studiodeko, fragt sich der langjährige "Let's Dance"-Edelfan hyperventilierend: Ist Nena die neue Co-Moderatorin von Ex-Dschungelcamp-Dompteur Daniel Hartwich? Nach kurzer Google-Recherche dann jedoch zum Glück Entwarnung: Es ist nur Victoria Swarovski nebst eigentümlicher Haarpracht.

Marie von den Benken
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Erleichterung beim Victoria-Swarowski-Fanclub, verwundertes Augenreiben beim neutralen Foxtrott-Geniesserpublikum: Hat Victoria Swarovski eine Perücke auf, oder hat sie sich tatsächlich die Frisur des jungen Mädchens nachbauen lassen, das in "The Ring" andauernd aus ihrem Brunnengrab robbt? Und falls ja: Muss ich noch schnell das Wohnzimmer aufräumen, weil Victoria Swarovski im Laufe des Abends irgendwann aus meinem Fernseher krabbelt? Plus Bonusfrage: Wird sie dann ein Nachthemd tragen, wie im Originalfilm, oder ihr Kleid von heute Abend, mit dem eine handelsübliche Dönerbude in Berlin Kreuzberg locker etwa 48.000 Dönertaschen einwickeln könnte. Ihre in funkelndem Silber in den verträumten Abendhimmel glitzernde Montur scheint Nena Swarovski nämlich aus rund 800 Tonnen Aluminium auf den Leib geschnitten worden zu sein.

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Insofern wäre es auch im Hinblick auf ihren CO2-Fussabdruck wichtig, das als eher recyclingresistent geltende Metall wieder einem vernünftigen ressourcenschonenden Verwertungskreislauf zurückzuführen. Andernfalls würde Nena Swarovski (grösster Hit: "99 Glitzersteine") die aktuelle Staffel mit einem ökologischen Fussabdruck in der Grössenordnung eines chinesischen Kohlekraftwerks beenden. Im Kontext des fortschreitenden Klimawandels ein Vorgang, der nur mit viel Kreativität in die Nachhaltigkeits-Philosophie ihres Haussenders RTL (Recycling, Treibhauseffekteindämmung, Luftverbesserung) argumentiert werden könnte. Entsprechend hart fallen die Kommentare auf ihrem Instagram-Kanal aus. Hinweise auf die Untauglichkeit dieser Haarinnovation stapeln sich, wenn auch zumeist etwas weniger diplomatisch ausgedrückt. Und das am Weltfrauentag. Schämt euch!

Von den Auswirkungen ihres neuen Styles auf die Globale Erwärmung mal abgesehen, hält zumindest (Achtung!) Victori-Haar Swarovskis Frisur einen grossen Trumpf in den Händen: Das farblich ohnehin nicht optimal zum Resthaar passende, eingeklippte Pony-Haarteil ist dem "Let's Dance"-Frisurdepartment etwas zu lang geraten. Somit verdeckt es etwa 70 Prozent ihrer oberen Augenhälften. Dadurch kann sie Joachim Llambi beispielsweise nur ab unterhalb seines Bauchnabels erkennen. Zweifelsfrei ein Vorteil. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Joachim Llambi zu Ehren des International Women's Days und aus Solidarität mit Margot Robbie, Greta Gerwig und den anderen sensationellen Frauen aus dem legendären "Barbie"-Film heute komplett in Zartrosa gehüllt ist. Bei den Academy Awards sind nämlich ausgerechnet aus dem ikonischen "Barbie"-Film weder Hauptdarstellerin Margot Robbie noch Regisseurin Greta Gerwig nominiert worden – Ryan Gosling als bester männlicher Nebendarsteller dagegen schon.

Das lässt auch den glühenden Feministen Llambi nicht kalt, der voller ungewohnter Weichheit sogar das eine oder andere Kompliment verteilt. Das grösste davon an Lina Larissa Strahl, der er "eine recht ordentliche Technik" bescheinigt. Für den euphoriesparsamen Chefjuror ein fast schon historisches Loblied. Ryan Goslings Sieg in der Kategorie Nebendarsteller scheint für Filmexperten wohl bereits beschlossene Sache. Genommen werden kann ihm die begehrte Oscar-Trophäe eigentlich nur noch, wenn Victoria Swarovskis Perücke für ihre Darstellung in "Durchblick: Impossible" nachnominiert wird.

Mögen die Tanzspiele beginnen

Stichwort Perücke: Auch Jury-Azubi Jorge González steht traditionell mit dem Konzept handelsüblicher Frisuren auf Kriegsfuss und trägt heute eine Lametta-Perücke, die sogar Loriots Opa Hoppenstedt aus seiner Weihnachts-Melancholie gerettet hätte. In der juryinternen Haar-Fiasko-Challenge möchte aber auch Motsi Mabuse ihre Siegchancen wahren und präsentiert auf ihrem Kopf eine Art Kunstarrangement aus Achterbahn und Land der Raketenwürmer. Aber auch hier muss ich als offizielle Klimawandel-Beauftragte des deutschen Showgeschäfts mahnend daran erinnern, dass nicht alles Gold ist, was vom Kopf absteht. Für Motsi Mabuses Perpetuum Mobile auf dem Kopf sind vermutlich mehr Kubikmeter Haarspray in die ewigen FCKW-Jagdgründe geblasen worden, als Sascha Lobo in seiner gesamten bisherigen Karriere verbraucht hat.

Getanzt wurde dann aber auch noch, obschon die am letzten Freitag per Zuschauervoting in Tanzfrührente geschickte Maria Clara Groppler sich die gesamte vergangene Woche hingebungsvoll darum bemühte, das redaktionelle Konzept von "Let's Dance" als ungerecht und manipulativ zu entlarven, ihr Ausscheiden zu einer grossen Verschwörungstheorie hochzujammern und das Format als comediennefeindliches Patriacharts-Mündel zu canceln. Dass ihr miserables Abschneiden im Zuschauerranking eventuell auch damit zusammenhängen könnte, dass das Mitführen von Bügelbrettern zu von TV-Teams begleiteten Tanzstunden dich nicht zwangsläufig zur neuen Carolin Kebekus macht, scheint MC Groppler offenbar auszuschliessen.

Unbehelligt also von dubiosen Handlungssträngen um Ex-Teilnehmerinnen schwingen die verbliebenen Tango-Novizen unbeeindruckt auch in Show Zwei ihre mal mehr, mal weniger filigranen Tanzbeine. Stefano Zarrella beispielsweise, der zur Optimierung seiner Wiedererkennungswerte ein Oberhemd trägt, bei dem Farbgebung und Design die Vermutung nahelegen, Salvador Dalí hätte es kreiert. Mit verbundenen Augen. Nach einem Schlaganfall. Auf LSD. Da bei "Let's Dance" aber weiterhin Tanzschritte und keine Mode-Fauxpas bewertet werden, zeigt sich die Euphoriekurve der Jury ungebrochen steil. Motsi Mabuse bescheinigt dem Bruder von Giovanni Zarrella sogar: "Du hast deine Seele rausgelassen!" Das erklärt einiges. Vielleicht sogar, warum viele die aalglatte Kamerageschmeidigkeit der Zarrella-Familienprotagonisten für seelenlos halten.

Zarrella ella ella eh eh eh eh eh

Wie schon in der Vorwoche platziert ein grosser Werbepartner von TikTok-Hobbykoch Stefano auch an diesem Abend parallel zu seinem Auftritt eine Werbetafel mit seinem Gesicht quer über den TV-Bildschirm. Ein Fest für echte Zarrella-Fans, die erstmals zwei Zarrellas gleichzeitig im Fernsehen sehen, ohne dass Giovanni Zarrella involviert ist. Zum Glück hat der anschliessend tanzende Biyon Kattilathu keinen Werbepartner, denn dann würde dauernd ein Kopiergerät durchs Bild rollen. Obwohl, jetzt wo ich so darüber nachdenke: Das wäre ein sehr lustiger Move von Oliver Pocher gewesen, wenn er eine Live-Werbefläche gebucht hätte, während Biyon Kattilathu tanzt, auf dem das neue Lifecoaching-Programm von The Real Dalai Karma vorgestellt wird. Sollte Biyon Pech bei der weiteren Karriereplanung haben, kann er übrigens immer noch Juli Zeh heiraten, ihren Namen annehmen, fortan Biyon Zeh heissen und zukünftig als Beyoncé leben.

Zwischen "Höhle der Löwen"-Finanztest-Dummie Tillman Schulz und dem Sambakönig von Duisburg, Joachim Llambi, entwickelt sich, ähnlich wie bei Pocher und Kattilathu, vermutlich keine unzerstörbare Männerfreundschaft mehr. Frauenrechtler Tillman Schulz verweist Llambi, der dessen Profitanzpartnerin Patricija Ionel als "Mädchen" bezeichnet hatte, mit der Aufklärung „"Sie ist eine Frau und kein Mädchen" in die Schranken. Zum Ausgleich erneuert Llambi sein Urteil aus der ersten Show: Ein Punkt, die niedrigste mögliche Jurybewertung. Schulzhasser Llambi kann diese Entscheidung aber immerhin begründen: "Das war eine Steh-Rumba!" Dass er damit meint, Schulz wäre das Viagra der Tanzszene, darf wohl ausgeschlossen werden.

Das Tanzen der Anderen

Anschliessend notiert der aufmerksame "Let's Dance"-Beobachter eine weitere wichtige Frage in sein Tanztagebuch: Wem hat Sophia Thiel bei RTL einen Partner ausgespannt? Anders ist kaum zu erklären, dass sie ihren Paso Doble zu einer leicht flamencoisierten Version des Eurodance-Megahits "Rhythm is a Dancer" von Snap tanzen muss. Wenn der Musikauswahl-Praktikant von RTL seinem Stil treu bleibt, tanzt Detlef D! Soost kommenden Freitag einen Langsamen Walzer zu "Das Lied der Schlümpfe", in einer Version von Rammstein.

Model Eva Padberg tanzt mit Profi Paul Lorenz. Sie knickt während ihrer Tanzdarbietung um, bringt ihren Cha-Cha-Cha aber dennoch wackelig, aber professionell zu Ende. Nüchtern betrachtet die schlechteste Vorstellung des Abends. Padberg profitiert aber davon, dass Paul Lorenz aussieht wie ein unehelicher Sohn von Bryan Adams und David Bowie und dass am Weltfrauentag unbedingt ein Mann die Promitanzenklave verlassen sollte.

RTL-NFL-Geheimwaffe Jana Wosnitza wagt sich derweil an den ersten Contemporary des Jahres. Oder wie Jorge González sagt: "Contemporari". Motsi Mabuse ist dennoch begeistert: "Du bist eine Secret Geheimwaffe." Nächste Woche möchte Jana sogar noch weitergehen und mindestens ein blauer Bluechip sein, oder sogar ein sunny Sonnenschein.

Ann-Kathrin Bendixen ist noch immer nicht im echten Wettbewerbsmodus angekommen, hat dafür aber eine Weisheit für die Tanzgeschichtsbücher parat: "Nur weil man jung ist, heisst das nicht, dass man alt wird!" Selbstverständlich habe ich anschliessend 21.332-mal für Ann-Kathrin angerufen, denn sie muss es unbedingt in die dritte Show schaffen. Dort hoffe ich dann auf weitere Bonmots wie "Nur weil man schläft, heisst das nicht, dass man wach ist". Insgesamt erinnert mich dieses Vergleichsdrama an einen legendären Satz aus meiner "Germany's Next Topmodel"-Zeit: "Nur weil man blond ist, heisst das nicht, dass man dumm ist – man kann auch beides sein!"

Am Ende eines langen Tanzabends bleiben zwei Erkenntnisse. Erstens: Ekaterina Leonova hat den gleichen Wäschekorb wie ich. Und zweitens: Das Zuschauer-Rettungspotenzial für Tillman Schulz ist aufgebraucht. Der Franjo Pooth der Investorenbranche scheidet aus. Ob er – ähnlich wie Maria Clara Groppler – jetzt die Anschlusswoche dafür nutzt, sich als von RTL rausgemobbtes Opfer zu inszenieren, das verrate ich nächsten Samstag direkt hier.

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