Es sind Finaltage in Deutschland. Mittwoch das Euro-League-Finale, Samstag das Pokalfinale, nächste Woche das Champions-League-Finale und auch das GNTM-Finale ist bereits in greifbarer Nähe. Da fügt sich das grosse "Let's Dance"-Finale am Freitag natürlich hervorragend in die Festivitäten-Saison ein. Der Showdown um die unförmige Pappkugel, die von RTL "Dancing Star" getauft wurde.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Vierzehn Ausnahme-Promis waren vor drei Monaten in der Köln-Ossendorfer-Tanzschule gestartet, um von ihren Profi-Mentoren fleissig zu lernen und sich zwischendurch von der grauen Jury-Eminenz Joachim Llambi runtermachen zu lassen. Übrigens: Wessen Herz beim Champions-League-Finale nicht für Borussia Dortmund schlägt, der hat den Fussball nie geliebt. Oder höchstens so sehr, wie der Tanz-Gott die Tango-Fertigkeiten von Ann-Kathrin Bendixen.

Ähnlich wie im Finale in Wembley, wo die Wettquoten aktuell eindeutig für Real Madrid sprechen, gibt es auch für das Cha-Cha-Cha-Finale einen klaren Favoriten. Lange bevor auf dem von Daniel Hartwich und Victoria Swarovski anmoderierten Entscheidungsabend die ersten Takte eines Wiener Walzers erklingen, waren Jury, Experten, Boulevard und Zuschauer sich einig: Höchstens drei Kandidaten haben das Zeug zum Sieger - und das sind Gabriel, Herr Kelly und Gabriel Kelly. Im Vorfeld war also klar: Alles andere als der Triumph des Angelo-Kelly-Sprösslings wäre eine Überraschung.

Aber das hat man letztes Jahr beim GNTM-Finale ebenfalls gedacht. Klare Titelaspirantin war damals Selma May. Und was soll ich sagen: Das gnadenlose Modeltraum-Fallbeil Heidi Klum sortierte sie im Finale frühzeitig aus. Zu sicher sollte sich Gabriel Kelly also nicht sein. Insbesondere im Fernsehen kann alles passieren. Auch da ist sie wieder, die Fussball-Analogie: Der Pokal hat seine eigenen Gesetze, "Let's Dance" auch. Und da sind Enttäuschungen vorprogrammiert.

Bügelbrett vor dem Kopf

Stichwort Enttäuschung: Die grösste erlebte in dieser Staffel vermutlich Maria Clara Groppler. Die mit grossen Hoffnungen auf einen veritablen Karrieresprung via Tanzfernsehen in das Projekt "Let's Dance" gestartete Comedienne wurde vom Publikum bereits in der Premieren-Entscheidungsshow als erster Promi vor die Tür gesetzt, nachdem ihr bester Gag ein mit einem nackten Mann bedrucktes Bügelbrett war, mit dem sie lieber als mit ihrem Profitänzer Mikael Tatarkin tanzen wollte.

Um die Demütigung perfekt zu machen, spendierte RTL ihr in der Finalshow, bei der die elf zuvor bereits ausgeschiedenen Kandidaten ihr Comeback als Deko-Staffage gaben, zwar viereinhalb lange Stunden, in denen sie sich auf der Vicky-Swarovski-Showbühne die Beine in den Bauch stehen musste, aber kein einziges Wort, das sie in irgendeine Kamera sagen durfte. Ein Abend für Maria Clara Groppler, noch bitterer als der Auftritt von Oliver Pocher beim SWR.

Das Highlight des Finalabends steht dagegen schon recht früh fest. Eigentlich sogar schon, bevor überhaupt der erste Wertungstanz absolviert ist. Der stets um möglichst unauffällige, biedere und schlichte Outfits bemühte Jury-Paradiesvogel Jorge González hat sich sein Meisterwerk strategisch weitsichtig für das Finale aufbewahrt.

Er erscheint mit einer graumelierten Wuschelfrisur, für die es eine schier endlose Reihe passender Beschreibungen gäbe. Da dieser Skandal-Hairstyle bei mir für den Rest des Abends immer wieder neue Assoziationen weckt, möchte ich die Top Sieben hier nicht vorenthalten. Jorge González sieht heute aus ...

1. ... wie als Kind in einen Topf mit grauer Zuckerwatte gefallen

2. ... wie ein ergrauter Rainer Langhans

3. ... als wären 31 Waschbären auf seinem Kopf explodiert

4. ... wie Albert Einstein, der im Windkanal eingeschlafen ist

5. ... als könnten 28 Fischreiher in seinem Hinterkopf nisten

6. ... wie das uneheliche Kind von Cruelle de Vil und Don King

7. ... wie dem Prinz aus Zamunda sein Vadder

"Let's Dance"-Finale: Jurytanztee

Trotz grösster Anstrengungen gelingt es da selbst Jorges traditionell durchaus frisuroriginell aufgestellten Mitjurorin Motsi Mabuse nicht, das zu toppen. Mit ihrem wasserstofferblondeten Schulterbob wirkt sie ein bisschen, als trüge sie als Hommage an unsere alternative Nationalhymne "Brüh im Lichte" eine Sarah-Connor-Gedächtnisfrisur. Und auch Joachim Llambi punktet mit seiner Finalgarderobe nicht mal annähernd in González-Sphären. Sein weisser Smoking lässt ihn hinter seinem Jurypult wirken wie ein Chefsteward beim Captains Dinner, der gleich die Aperitifs bringt.

Um den Gesamtsieger des Schwof-Jahrgangs 2024 zu ermitteln, tanzen die drei Finalisten Gabriel Kelly, Jana Wosnitza und Detlef D! Soost jeweils drei Tänze. Einen Jurytanz (zumeist nochmals den Tanz, den sie im Laufe der Staffel am wenigsten erfolgreich absolviert hatten), ihren Lieblingstanz und einen Freestyle.

Wer welchen Jurytanz bekommt, das erfahren die Promis und ihre Profitänzer via persönlicher Nachrichtenübergabe durch einen Juror, der geistesgegenwärtig die Gelegenheit nutzt, dem jeweiligen Finalpärchen ein wenig beim Training unter die Steppschuhe zu greifen. Eine Massnahme, die RTL vermutlich demnächst vor der Genfer Konvention rechtfertigen muss. Denn die Auswirkungen sind verheerend. So muss die wirklich nicht zu beneidende Ekaterina Leonova beispielsweise nicht nur einen ganzen Tag mit Detlef D! Soost und Joachim Llambi gemeinsam in einem Tanzsaal verbringen - nein, sie wird auch noch unfreiwillig Zeugin, wie die beiden plötzlich beginnen, sich an den Hintern zu fassen.

Die Jury rastet aus (v.l.): Jorge González, Motsi Mabuse und Joachim Llambi. "Let's Dance" ist auch auf RTL Plus zu sehen. © RTL / Stefan Gregorowius

Die ersten Standing Ovations des Abends gehen an den von der Wettmafia prognostizierten späteren Sieger Gabriel Kelly. Die erste Standing Ovulation hingegen durchlebt gleichzeitig Motsi Mabuse. Sie schleppt sich schnappatmend vor Verzückung zurück auf ihren Jurystuhl und holt direkt zum Superlativ aus: "Es gab bei 'Let's Dance' niemals eine bessere Samba, ever!" Gabriel-Fan Llambi ergänzt: "Du hast so viele Botafogos getanzt!" Was auch immer das ist, wenn nicht ein brasilianischer Fussballverein. Auf den Rängen jubeln Oma, Mama, Papa und Freundin Tanztalent Gabriel euphorisch zu. Der Rest der Kelly Family durfte nicht kommen: Das Studio verfügt lediglich über knapp 1.000 Zuschauerplätze.

Es kann nur einer Dancing Star 2024 werden

In der Verschnaufpause zwischen Runde 1 und Runde 2 gibt es diverse Tanzdarbietungen ohne Beteiligung der Finalisten. Dabei wird dem neutralen Beobachter schmerzhaft deutlich: Irgendwann in grauer Vorzeit (also Februar) waren bei "Let's Dance" noch Stefano Zarrella, Lina Larissa Strahl, Eva Padberg oder Tillman Schulz dabei. Namen, die schon längst in den ewigen Tanzjagdgründen verschollen sind.

RTL muss bei nur noch drei verbliebenen Kandidaten während der über vier Stunden langen Finalshow so viel Zeit schinden, dass zwischendurch sogar noch Zeit für Programmhinweise bleibt: Swarovski verkündet, dass der "Let's Dance"-Gewinner der Herzen, Tony Bauer, neues Jurymitglied bei "Supertalent" wird. Offenbar gibt es da ein Joint Venture, denn auch Swarovski selbst und Ekaterina Leonova sind dabei.

Anschliessend wird klar: Das Sprichwort "It takes Two to Tango" mag stimmen, aber perfekt wird besagter Tango nur, wenn diese Two Gabriel Kelly und Malika Dzumaev sind. Llambi schwärmt, Kelly wäre "der beste Tänzer dieses Jahr". Auf dem Dancefloor steht irgendwann kurz vor Mitternacht die letzte Tanzrunde an. Detlef Soost freestyled zum Song "Who let the Dogs out" - Profipartnerin Ekaterina Leonova trägt passend dazu Hundeohren und -schwanz. Karneval in Köln dieses Jahr leicht verfrüht.

Was ich Soost jedoch hoch anrechne, ist, dass er in den gesamten 13 Wochen kein einziges Mal erwähnt hat, dass er ja ziemlich gross und schon älter ist, so mit 1,90 Meter und 100 Kilo, und es daher bei filigranen Tanzschritten womöglich schwerer hat als jemand, der so kompakt ist wie beispielsweise Ann-Kathrin Bendixen. Okay, ich weiss, Satire sollte man kennzeichnen. Aber dafür ist keine Zeit, denn Jana Wosnitza legt ein lupenreines Tränen-Finish hin. Der RTL-Moderatorin, der während der Staffel oft die Fähigkeit abgesprochen wurde, echte Emotionen zu offenbaren, zeigt sich hoch emotionalisiert. Schluchzend liegt sie sich mit Profipartner Vadim Garbuzov in den Armen, für den sie sich den Sieg noch viel mehr als für sich wünschen würde. Ihr von Beyoncé inspirierter Freestyle endet mit einem furiosen Spektakel zu "Who run the World? Girls!" Wenn man daran denkt, was neulich auf der Terrasse des "Pony"-Clubs auf Sylt passiert ist, vielleicht lieber nicht alle Girls. Jana Wosnitza aber in jedem Fall. Feminismus kann nämlich auch Spass machen.

Am Ende steht Gabriel Kelly nach drei Tänzen mit lupenreinen 90 Jurypunkten dar. Optimale Ausbeute. Jeweils vier Punkte dahinter liegen gleichauf Detlef D! Soost und Jana Wosnitza. In einem Fotofinish, in dem die Zuschauer das letzte Wort haben, schnappt sich das Duo Soost/Leonova die Bronzemedaille. Silber geht an Wosnitza/Garbuzov.

Das bedeutet im logischen Umkehrschluss natürlich: Die Zuschauer krönen erwartungsgemäss den Kelly-Family-Nachwuchs mit Tanzpartnerin Malika Dzumaev zum Tanzkaiser des Jahres 2024. Drei Monate Tanzakrobatik von mal mehr, mal weniger bekannten Prominenten gehen zu Ende. Aber in der heutigen Zeit vergehen die Monate so schnell: Schon im Februar 2025 geht es weiter mit "Let's Dance". Treffen wir uns dann alle wieder hier?

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © RTL / Stefan Gregorowius