Als Victoria Swarovski zur Primetime am Freitagabend (3. Mai) in einem aus alten RTL-Testbildern der 90er und 40 Tonnen Silberstrass handgeknüpften Abendkleid-Traum an der Seite von Daniel Hartwich, dem James Bond des Vorabendprogramms, die Showtreppe in Köln Ossendorf heruntergleitet, ist die "Let's Dance" Fangemeinde bereits in heller Aufregung.
Bereits am Vortag war aus Produktionskreisen durchgesickert, dass Publikumsliebling Tony Bauer aus gesundheitlichen Gründen freiwillig den Tanzwettbewerb verlassen wird. Und als wäre das nicht Strafe genug für die tanzverliebten Slowfox-Bundestrainer an den heimischen Endgeräten, wird Tony von Ann-Kathrin Bendixen ersetzt, die vergangene Woche letztlich die Show verlassen musste, nachdem sie wochenlang von Jury-Abrissbirne Joachim Llambi bewertet wurde, als wäre sie Patient Zero für chronische Tanzallergie.
Als die Tanzoffensive unter der Juryleitung des Trios mit vier Fäustlingen, Dr. Joachim Llambi, Jorge González und Motsi Mabuse, startet, bleibt es emotional. Es ist "Magic Moment"-Woche. Traditionell der Abend, an dem die prominenten Kandidaten ihre tränenrührigste Geschichte auspacken und von Heulkrämpfen geschüttelt einen Freestyle hinlegen, den sie meistens irgendeinem Familienmitglied widmen, das einen besonderen Schicksalsschlag zu verarbeiten hatte. Jana Wosnitza etwa, die Wunderwaffe des Deutzer Familiensenders, vertanzt die Krebserkrankung ihrer Mutter. Sarah Connors kleine Schwester Lulu entscheidet sich für eine eingedrehte Hommage an ihren Ehemann.
Jana gut, dann halt 30 Punkte
Jana startet mit der Dance-Version des Kampfes ihrer Mutter gegen eine (sorry für die Wortwahl) absolut beschissene Krankheit und rührt Publikum wie Jury. Vor allem Motsi Mabuse, die heute als Reinkarnation von Donna Summer auf dem Jurypult sitzt. Auch Jorge zeigt sich emotional beflügelt – und das liegt nicht an den Schulterpolstern von der Länge der Startbahn West am Frankfurter Flughafen, die er heute als Outfit gewählt hat. Schlecht für die Sichtoptionen der Zuschauer in den 15 Reihen hinter ihm, aber für den kubanischen Tanzexperten ein womöglich lebensrettendes Fashion-Accessoire.
Notfalls kann auf seinen Schultern nämlich jetzt ein Rettungsflugzeug landen. Und das scheint durchaus notwendig zu sein, denn nach Janas Tanz verspürt er "Gänsehaut in meinem Herz". Eine romantische Vorstellung, anatomisch allerdings gleichzeitig auch besorgniserregend. Glücklicherweise übersteht González sowohl die Tanzoffenbarung von Jana Wosnitza als auch sein eigenes, vor Emotionserregtheit triefendes Urteil weitestgehend ohne bleibende gesundheitliche Schäden.
Das ist günstig, denn sonst hätte er das intertanzfamiliäre Resümee verpasst, das Janas Profitänzer Vadim Garbuzov ihr schenkt: "Du hast dir die Seele vom Leib getanzt." Viele Kenner deutscher Redewendungen buchen sich euphorisch sofort Tickets für die kommende Woche, um Garbuzovs nächstem Sensationssatz live im Studio beiwohnen zu können. Wenn der Fernsehgott gerecht ist, fällt nächsten Freitag auf jeden Fall der Satz: "Du hast mir die Haare aus dem Kopf gefressen!"
La Le Lulu
Lulu Connor, die ihren Mann in einem Berliner Nachtclub kennen gelernt hat (Berghain, ick hör dir trapsen), widmet ihren Magischen Moment ihrem Hochzeitstag. Sie tanzt eine von Hochzeitscrasher Massimo Sinató choreographierte Liebeserklärung an ihre Ehe. Auch der Song ist handverlesen ausgewählt: "Ich bin zu 'Endless Love' eingelaufen bei unserer Hochzeit." Wie viele Grössen sie dabei verloren hat, wird nicht thematisiert. Pünktlich zu "Let's Dance" jedenfalls hat sie ihre Originalgrösse wiedererlangt. Sinató-Fan Jorge González lobt neben Körper, Tanzstil und Bewegungsradius von Lulu vor allem auch die Choreographie von Massimo. Choreographie, oder wie Jorge González sagt: "Kojojafie!"
Als dritter Magic-Moment-Tanzpromi in Serie erhält auch Mark Keller jurygeprüfte 30 Punkte für seinen Tanz, den er seiner kurz nach seiner Geburt verstorbenen Mutter widmet. Vor lauter Begeisterung spendiert Victoria Swarovski der tanzverliebten Nation einen echten Vadim-Garbuzov-Moment und fragt Mark Keller: "Bist du bereit auf deine Punkte?" Leider antwortet der noch sichtlich von sich selbst ergriffene Lieblingssänger von Rudi Carell nicht mit "Ja, ich bin scharf für meine Punkte!"
Von einem echten Street-HipHopper wie Detlef D! Soost hätte man dann eigentlich ein paar Geschichten aus seinem wilden Leben als Berlins begehrtester Tanzcasanova erhofft. Jahre des ungezügelten Flirtens, Memoiren eines Frauenhelden. Quasi ein "Mäh-Chick-Moment". Aber nein, Corona-Massnahmen-Experte Detlef D! Soost ist erwachsen geworden. Das "D" steht für seriös. Er lässt sich nicht dazu hinreissen, aus dem Tanznähkästchen zu plaudern, sondern widmet seinen magischen Tanzmoment seiner Frau und seinen drei Kindern. Wenn ihm morgen ein Aktenordnerschrank und ein Job als Sachbearbeiter bei einer Versicherung wächst – ich habe früh genug gewarnt!
Von Flamenco-Händen, Foxtrott-Füssen und Samba-Armen
Seine Frau, Kate Hall, ist eine begnadete Sängerin. Das liegt bei Familie Hall in der DNA. Kate Halls Vater Carnegie Hall beispielsweise hat in London sogar einen eigenen Konzertsaal. Kate begleitet den Magic Moment ihres Mannes mit Livegesang. Dass ihre Performance der Grund ist, dass Familie Soost als erste des Abends mit 30 nicht die volle Punktzahl, sondern nur 27 Punkte erhält, ist eher unwahrscheinlich – zumal Joachim Llambi von Gesang etwa so viel Ahnung hat wie Annalena Baerbock von Völkerrecht.
Nachdem am Ende gefühlt jeder ausser Detlef 30 Punkte abgeräumt hat, treten die sechs verbliebenen Paare in Duell-Tänzen gegeneinander an. Dabei gewinnt Jana gegen Lulu. Detlef siegt gegen Mark, vor allem, weil er "bessere Flamenco-Hände" hatte. Das jedenfalls sagt Handchirurg Joachim Llambi. Wenn er jetzt für den Rest der Staffel noch Foxtrott-Füsse, Samba-Arme und Rumba-Beine entwickelt, ist ein Durchmarsch ins Finale wahrscheinlicher als ein Aufstieg des HSV.
Im letzten offiziellen Wettbewerbs-Tanz des Abends gewinnt Gabriel Kelly dann weniger überraschend gegen die für Tony Kelly nachgerückte Comebackerin Ann-Kathrin. Natürlich ist Gabriel Kelly in dieser Paarung der bessere Tänzer und wäre auch der bessere Tänzer gewesen, wenn Ann-Kathrin vergangene Woche nicht ausgeschieden wäre. Es ist allerdings ohne Frage höchst respektabel, dass sie sich erneut dem Wettbewerb stellt, obwohl viele ihr Ausscheiden in der vergangenen Woche für "zu spät" oder "überfällig" hielten und sie für ihren erneuten Auftritt nur ein paar Stunden Trainingszeit hatte, während die anderen – offenbar ohnehin bereits besseren – Tanzkandidaten die gesamte Woche in Ruhe trainiert hatten.
Das muss man sich erstmal trauen. Von den "Experten", die Ann-Kathrin seit Wochen in den Kommentarspalten der Social-Media-Jauchegruben durchbeleidigt haben, hätte kein einziger diesen Mut gezeigt. Und das allein macht auch Ann-Kathrin Bendixen zu einer Siegerin dieser Saison "Let's Dance".
Auch Joachim Llambi drückt ein paar Tränchen raus
Einen vermutlich als Tränenrekord in die Geschichtsbücher eingehenden Auftritt legt dann Tony Bauer auf das Parkett. Sein Abschiedstanz wird begleitet von grosser Trauer ob des ungeplanten Abschieds des Duisburger Jungcomedians. Selbst Joachim Llambi drückt sich am Ende einige Tränen aus dem ansonsten zumeist recht barsch wirkenden Sakko.
Fraglos hat sich Tony, das darf man ihm tröstend durchaus mit auf den weiteren Weg geben, mit seiner schnörkellosen und ehrlichen Art einen verdienten Dauerplatz in der Entertainmentwelt ertanzt. Und das ist für ihn vielleicht langfristig betrachtet noch wertvoller als ein Weitertanzen im laufenden "Let's Dance"-Wettbewerb.
Neben Tony, der zwar nicht wirklich aus ganz freien Stücken seine Siegchancen einbüsst, verhält sich das gnadenlose Publikum anschliessend antizyklisch und schickt nicht wie erwartet Ann-Kathrin Bendixen ein zweites Mal nach Hause, sondern goutiert offenbar ihre Bereitschaft, eine im Prinzip aussichtslose Situation dennoch anzunehmen und aus einer vollkommen defensiven Aussenseiterposition trotzdem so viel Spass wie möglich zu haben.
Mit diesem Sympathievorsprung überflügelt Ann-Kathrin die eigentlich favorisierte Lulu. Und so ist es verblüffenderweise die Schwester von Sarah Connor, die in der kommenden Woche, wenn die "Let's Dance"-Familie erstmals in der Historie im Musical Dome Köln gastiert, nicht mehr dabei sein wird. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Ich aber schon! Also bis Samstag!
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