Die 2024er Saison "Let's Dance" entwickelt sich mehr und mehr zu einer tanzbaren Remake-Version des Silvester-Klassikers "Dinner for One".

Marie von den Benken
Eine Kritik
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Same procedure as every week: Nachdem in der Vorwoche Duisburgs blondierteste Comedy-Hoffnung Tony Bauer aus gesundheitlichen Gründen das Promi-Trainingscamp für Dancing Star Anwärter mit Foxtrott-Hintergrund verlassen musste, trifft es diese Woche den Grandseigneur der Dean-Martin-Doppelgänger: Mark Keller. Für Bauer rückte vor sieben Tagen Ann-Kathrin Bendixen zurück auf den Tanzflur der grossen Hoffnungen, einen Freitag später freut sich Sarah Connors Schwester Lulu auf ein unverhofftes Slowfox-Comeback trotz vorheriger Roter Karte durch das RTL-Fachpublikum mit seinem gnadenlosen Zuschauer-Voting-Tribunal.

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Ausgerechnet die Weltpremiere des mit grossen Erwartungen vordekorierten "Let´s Dance – Das Musical"-Specials muss Mark Keller also nun tanzverhindert von der Zuschauertribüne aus verfolgen. Gerade für Keller, dem die riesigen Bühnen der imposantesten Konzerthäuser stets gerade gross genug erschienen, vermutlich sowas wie die Höchststrafe.

Beschissener können sich auch die beiden bajuwarischen Fussball-Thomasse (Tuchel und Müller) vom FC Hollywood unter der Woche nicht gefühlt haben, als ein weitestgehend meinungsisolierter Referee im Estadio Santiago Bernabéu zu Madrid die Abseits- und VAR-Regeln ausgerechnet im Champions-League-Halbfinale neu erfunden hat. Anders als Keller allerdings hat der FC Bayern München eine lange eigene Historie an originellen Schiedsrichter-Entscheidungen zu ihren Gunsten in entscheidenden Finalspielen. In Summe leidet Keller also mehr.

"Wetten, dass.. ?" das nicht Thomas Gottschalk ist

Nach 17 Jahren in der Enge der Köln-Ossendorfer Studiolandschaft, in der sich "Let's Dance" ein Fernsehproduktionsgelände mit "Unter Uns" teilen muss, ist der Musical Dome Köln (ansonsten bis mindestens Ende 2025 eigentlich die Heimat von "Moulin Rouge – Das Musical") die ungleich grössere Showbühne für das TV-Tanzprojekt des Köln-Deutzer D-Promi-ABM-Senders RTL.

Das ganz grosse Entertainment-Besteck (fast 1.600 Zuschauern in der Halle und acht mal so lange Wege) weht sogar ein Hauch "Wetten, dass.. ?" durch den Veranstaltungs-Bowl hinter dem Kölner Dom. Auch die familientaugliche Anti-Gender-Show von Zotenkönig und Damenbein-Masseur Thomas Gottschalk gönnte sich zu ihren Glanzzeiten hin und wieder Ausflüge in grössere Gefilde und gastierte beispielsweise in der Stierkampfarena auf Mallorca. Dort gab es dann Open Air Feeling, Hitzewallungen, Kreislaufkollapse und die Erfüllung des Rundfunkauftrags des ZDF, ein Programm für wirklich alle deutschen Bundesländer zu produzieren, auch für das wärmste Siebzehnte.

Jahre nach Gottschalks goldenen Showjahren als ZDF-Dompteur für A-Promis zeigt das "Wetten, dass.. ?" der Tanzbeinbranche heute auffällig viele Parallelen zum einst von Frank Elstner erfundenen, von Wolfgang Lippert beinahe zu Grabe getragenen und von Markus Lanz schliesslich final beerdigten Original: Der Moderator trägt ein farbenfrohes Oberhemd, für das ihn Coco Chanel mit lebenslanger Verachtung gestraft hätte, eine nahezu undefinierbare Frisur und schäkert mit einer sehr dünnen, sehr blonden Moderations-Assistentin.

Der Thomas Gottschalk der Tanzflure heisst dieser Tage Daniel Hartwich, die Michelle Hunziker des Quotendampfers "Let's Dance" gibt Victoria Swarovski. Die beiden hätten seinerzeit auch "Wetten, Dass.. ?" quotentechnisch vermutlich nicht an die Wand gebrettert, waren allerdings, als Thomas Gottschalk 1987 das damalige ZDF-Flaggschiff von Frank Elstner übernahm, erst neun (Hartwich) respektive minus sechs Jahre alt (Swarovski). Hartwich hätte noch so eben die obligatorische Kinderwette absolvieren können, Swarovskis Auftritt dagegen wäre nur mit dem DeLorean aus "Zurück in die Zukunft" möglich gewesen. Dafür schliesst sich heute Abend im Innenverhältnis Gottschalk/Swarovski ein anderer Kreis: Victoria Swarovskis Tante Fiona Swarovski war mehrfach Gast auf der Promicouch von Thomas Gottschalk. Nichte Victoria kommt also karrierefördernd aus einer showerprobten Rampensaufamilie.

Zotenalarm auf dem Dancefloor

Als grossen Mittelfinger an genderkritische Vollzeit-Diskursverschieber absolviert Detlef D! Soost den Auftakttanz des Freitagabends im Damenkostüm, Profipartnerin Ekaterina Leonova hat sich optisch zu einem Mann stylen lassen. Christoph Ploss, Wolfgang Kubicki und Beatrix von Storch verschlucken sich zu Hause an den Bildschirmen an ihrer Gendersternchensuppe. Ein Promi mit Migrationshintergrund (Soost wurde 1970 in Pankow, also Ost-Berlin, geboren) in Frauenkleidern und mit Langhaarperücke. Die im russischen Wolgograd geborene eKat dagegen mit aufgemaltem Bart und Knickerbockern. Das hätte es unter Björn Höcke nicht gegeben.

Zur Beruhigung der Halsschlagadern aller zusehenden Vollzeitpatrioten erklimmen das strengblonde Vollweib Lulu und Profipartner Massimo Sinató nach einer nur 1,5 Tage langen Trainingswoche mit ihrem Wiener Walzer den (virtuellen) Eifelturm. Das gelingt ihnen fast so gut wie Konkurrentin Jana Wosnitza ihr Cha Cha Cha mit Vadim Garbuzov (27 zu 29 Punkte).

Der Wiener Walzer ist eher romantisch, der Cha Cha Cha eher sexy. Die süffisanteste Erklärung dafür, warum Cha Cha Cha ein schlüpfriger Tanz für Freunde der Trocken-Kopulation ist, liefert Profitänzer Garbuzov: "Du sieht eine Frau in einem Club und flirtest sie an mit deiner Hüfte oder einem anderen Körperteil!" Dieses "andere Körperteil" könnte jetzt prinzipiell eine Nase sein, ein Ellenbogen oder ein kleiner Zeh. Die Vulgär-Beauftragten des Senders, Juryferkel Joachim Llambi und Jorge González, kichern jedoch genau so, wie auch Zotenqueen Heidi Klum kichern würde. In der hemmungslos durchsexualisierten Welt von heute denkt man einfach automatisch an eines der wenigen männlichen Körperteile, das teilweise signifikant die Grösse ändern kann. Genau: die Pupillen.

Entsprechend softerregt geben González und Llambi satte 10 Punkte, die etwas schüchternere Motsi Mabuse traut sich nur an die 9er-Kelle. Obszöne Schamlosigkeit und nachfolgende Punkteorgien überlässt sie traditionell den frivol-unsittlichen Y-Chromosomträgern in der Jury. Schon zum wiederholten Male in dieser Staffel reckt Mabuse somit eine weniger Punkte anzeigende Kelle in den Showhimmel als Joachim Llambi. Bahnt sich da eine Wachablösung an? Dürfen wir in Zukunft Motsi Mabuse beiwohnen, wie sie ihrem Vornamen alle Ehre macht und von Joachim Llambi die Grantler-Rolle in der Jury übernimmt? Ich werde das im Auge behalten.

Bendixen vs. Realität

Zum Abschluss der ersten Tanzrunde im Musical Dome zu Köln tanzen zunächst die punktschlechteste und dann der punktbeste Teilnehmer der Promidanceorgie in den freitäglichen Primetime-Horizont. Ann-Kathrin Bendixen ertanzt magere 18 Punkte, Gabriel Kelly sorgt mit 30 Punkten für das erste Full-House des Abends. Nach den vergangenen zehn Wochen branchenfremder Magie der musikalisch untermalten rhythmischen Körperbewegungen kommt dieses Bewertungsdelta nicht unbedingt überraschend. Kelly gehörte vom Startschuss an zu den Favoriten auf den Titel, während Bendixen stets ausreichend damit ausgelastet war, den Eindruck zu vermeiden, sich in Biker Boots auf Motorrädern deutlich wohler zu fühlen als in High Heels auf Tanzparkett.

Das zwangsläufige Aus bedeuten verheerende Jury-Urteile für Bendixen jedoch nicht. Letzte in der Jurywertung, das war stets ihr Stammplatz. Ihre Fans jedoch zeigten sich fast immer als stabile Punktelieferanten und zogen sie regelmässig mit überwältigenden Anrufzahlen aus der Gefahrenzone. Darüber hinaus treten die von 14 angetretenen Prominenten verbliebenen fünf Tanzamateure diese Woche in zwei Tänzen an. Auf den handelsüblichen Einzeltanz folgen noch Triotänze, bei denen Ann-Kathrin, Lulu, Gabriel, D! und Jana mit einem zusätzlichen Profitänzer antreten. Auch hier gibt es bis zu 30 Jurypunkte zu ertanzen.

Viel Überraschendes passiert allerdings auch in den Trio-Tänzen nicht. Llambi überschüttet Detlef, Jana und Gabriel erwartungsgemäss mit Lob und appelliert wenig subtil verklausuliert an das Publikum, es möge doch bitte Ann-Kathrin Bendixen aus dem Contest verbannen. Seine Überzeugung, als Sonnenkönig der deutschen Tanzszene stets selbst entscheiden zu können, wer bei "Let's Dance" talentiert aussieht und wer nicht, scheint es nicht gut zu verkraften, dass Ann-Kathrin offenbar beim Publikum deutlich besser ankommt als die meisten anderen Mit-Promis, die im Februar gemeinsam mit ihr diese Reise angetreten haben.

Am Ende ist Ann-Kathrin wie eigentlich immer das Schlusslicht im Juryranking und wackelt während der Verkündung der Endergebnisse mit den addierten Ergebnissen der geheimen Zuschauer-Votings. Auch vergangene Woche lag sie abgeschlagen auf dem letzten Juryplatz und wackelte. Gehen musste damals dennoch Lulu.

Bendixen Gondeln Trauer tragen – Joachim Llambi wird Ann-Kathrin nicht los

Und auch eine Woche, ein Lulu-Comeback, einen Einzeltanz, einen Triotanz und jede Menge Jury-Kritik später wiederholt sich erneut das, was Daniel Hartwich wie folgt formuliert: "Es gibt eine Regel bei 'Let's Dance' und die lautet – eine Show dauert mindestens 150 Minuten und am Ende kommt immer Ann-Kathrin weiter." Mit anderen Worten: Im Halbfinale stehen nächsten Freitag Gabriel Kelly, Jana Wosnitza, Detlef D! Soost und, ja, Sie lesen richtig: Ann-Kathrin Bendixen.

Joachim Llambi wird für die verbleibenden Minuten Live-Show nicht mehr eingeblendet. Die Kamera beschränkt sich auf Lulus Abschiedstour und erspart der Fangemeinde so den versteinerten und verärgerten Gesichtsausdruck des Jury-Methusalems. Es ist davon auszugehen, dass der Alterspräsident von "Let´s Dance" das erneute Weiterkommen von Ann-Kathrin als persönliche Beleidigung der Zuschauer werten wird.

Inzwischen zeichnet sich ab: Das "W" in Bendixen steht für "Winner". Und so bereitet sich Ann-Kathrin Bendixen mit ihrem Profitänzer Valentin Lusin nun eine Woche lang auf das Halbfinale vor, während die Historie dieser Staffel eindeutig zeigt: Abschreiben sollte man sie nicht. Niemand, vor allem übrigens nicht sie selbst, hätte sie im Finale erwartet.

Aber andererseits: Das hat Borussia Dortmund auch niemand zugetraut. Und am Ende winkt Dortmund aus London und steht im Champions-League-Finale, warum sollte Ann-Kathrin also nicht ebenfalls im London des Tanzgewerbes (Köln-Ossendorf) im Finale stehen? Ob Ann-Kathrin auch aus dem Favoritentrio Jana, Gabriel und Detlef jemanden tanzüberleben kann, das verrate ich nächste Woche an genau dieser Stelle. Bis dann!

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