Wer heutzutage nicht als völliger Vollidiot dastehen will, sollte in jedem Gespräch mindestens einmal den Satz "Ich bin ja auch ein Serienjunkie!" fallen lassen. Damit das bei Ihnen nicht nur eine leere Phrase ist, sondern Sie auch wirklich auf ein reichhaltiges Arsenal an TV-Munition zurückgreifen können, bekommen Sie von uns an dieser Stelle Tipps für die besten Serien der Welt - oder das, was die Redaktion dafür hält.
Teil 1: "Inspector Barnaby"
Wenn ich gross bin, möchte ich nach Midsomer ziehen. Es ist wunderschön in dieser idyllischen Grafschaft in England: kleine Dörfer, die in ihrer vermeintlichen Verschlafenheit einem modernen Jane-Austen-Roman entsprungen sein könnten; hunderte Pubs, in denen man zu jeder Tages- und Nachtzeit den irgendwie liebenswürdigen Trinker des Dorfes antrifft, der nur so tut, als würde er nichts mitbekommen; an jeder Ecke die Gutshöfe alter arroganter Adelsfamilien, von denen jede einzelne ein dunkles, auf den Tod zu bewahrendes Geheimnis hat; und ein Freizeitprogramm, mit dem es nicht einmal eine Grossstadt aufnehmen kann.
In Midsomer gibt es nämlich alles: Regattaklubs, Fliegenfischerklubs, Reitklubs, Spiritistenklubs, Lesezirkel, Vereinigungen zur Bewahrung alter Gebäude, Eisenbahnfeste, Oldtimertreffer, Kürung der dicksten Kürbisse, Gallapfelfeste (was auch immer das sein soll), Orchideenzüchter, Ritterspiele – sämtliche Aktivitäten, die das Herz von Frischluftfanatikern, gelangweilten Hausfrauen und stereotypischen, tweedbejackten Engländern höher schlagen lassen.
Und vor allem hat Midsomer eine höhere Mordrate als London.
Leider existiert Midsomer nur im Fernsehen als Schauplatz der englischen Krimiserie "Inspector Barnaby". In my humble opinion die beste Serie der Welt!
Hinterfotziger als die Lennisters
Die Charaktere der meisten Folgen sind hinterfotziger und intriganter als die Lennisters in "Game of Thrones" – allerdings bei Weitem weniger erfolgreich mit ihren Machtspielchen, ihren Morden und ihren Lügen. Denn Inspector Barnaby kriegt sie alle! Sei es die erste Ehefrau des Duke of Whatever, die ihren unehelichen Sohn unbedingt als Erbe des Gutshofes sehen will oder einen verrücktgewordenen Blumenzüchter, der unbedingt diese eine, seltene Orchidee haben will.
Dabei läuft das Schema der einzelnen Folgen eigentlich immer gleich ab: In einem Dorf, das einen so wunderschönen Namen trägt wie Elverton-cum-Latterley oder Badger's Drift, wird jemand erdolcht, erschlagen, ermistgabelt, vom Dach gestossen, erschrotflintet, zu Tode erschreckt, vergiftet, erstickt oder auf irgendeine andere Art und Weise ermordet. Inspector Barnaby, in den alten Folgen gespielt von
Nachdem er und seine mit den Jahren wechselnden Assistenten Troy, Scott und Jones sich ziemlich zielsicher und bei jeder Gelegenheit Tee trinkend in eine Sackgasse ermittelt haben, was vor allem daran liegt, dass in Midsomer einfach jeder, jeder, jeder lügt und Barnaby nicht gerade Sherlock Holmes ist, erzählt Barnabys Frau Joyce ihm beim Abendessen irgendeinen Tratsch aus ihrem Literatur-/Spiritisten-/Rettet-Midsomers-Häuser-/Regatta-Klub: "Lady Whatshername hat sich ein neues Auto gekauft!" In diesem Moment sieht man es hinter Barnabys Stirn arbeiten. Das Stichwort "Auto" erinnert ihn an eine völlig nebensächliche Konversation, die plötzlich unglaublich wichtig wird. Dann fällt der Groschen! Barnaby lässt alles stehen und liegen und fährt los. Gerade rechtzeitig natürlich, um den Mörder (oder oft auch die Mörderin) dabei zu erwischen, wie der sein fünftes Opfer mit einer Spitzhacke um die Ecke bringen will.
Widerstand? Nicht in Midsomer
Bewaffnet ist Barnaby natürlich nie – das gehört sich für einen britischen Gentleman einfach nicht. Ein strenger Blick und ein "Bitte legen Sie die Spitzhacke runter, Lord Somethingworth, das hat doch keinen Sinn mehr!" reicht jedoch in den meisten Fällen, um die Mörder zur Vernunft zu bringen. Widerstand gehört sich nämlich auch nicht in England. Wenn man einmal erwischt wird, muss man damit leben. So ist das in Midsomer.
Und das macht die Serie so grossartig! Denn obwohl es in Midsomer schlimmer zugeht als in jedem Glasscherbenviertel, ist es doch das idyllischste Glasscherbenviertel aller Zeiten. Hier haben die Mörder noch Anstand und die Aufklärungsrate der vielen Tötungsdelikte liegt immerhin bei 100 Prozent. Dank Inspector Barnaby natürlich.
Aber das eigentlich Beste an dieser Serie: Dank der vielen Kamerafahrten, in denen absolut nichts passiert und endlosen Konversationen bei Tee und Scones, die nicht einmal annähernd zielführend sind, ist es ziemlich einfach, Barnaby auch mal als Einschlafhilfe zu benutzen. So kann man eine Folge in drei oder mehr Etappen geniessen – je nach Erschöpfungsgrad.
Dem Suchtfaktor tut das keinen Abbruch. Denn spätestens nach der dritten Folge wäre man als Zuschauer nirgendwo lieber als in der Grafschaft Midsomer. Wo die Hügel noch grün, die Pubs immer geöffnet, die Freizeitmöglichkeiten unendlich sind – und wo die schlimmsten Gräueltaten gerade einmal mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert werden. So cool geht ja man ja sonst wohl nirgends mit Morden um!
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