Der Tag vor der finalen Entscheidung, welcher Vorzeige-Flirtexperte mit seiner im Anbandlungshaus der Stars rekrutierten besseren Hälfte letztendlich in den Hafen der Liebe einfahren und 50.000 Euro Zukunftsbudget für die ersten gemeinsamen Schritte in der so genannten echten Welt mit nach Hause nehmen wird, artet traditionell zu einem Deep-Talk-Marathon aus.
Ein bisschen wie die Panik kurz vor der eigenen Hochzeit, brechen in vielen Trash-TV-Kandidaten in den Stunden vor dem Moment, in dem sie sich vor der gesamten Nation zu einem gerade erst kennengelernten Neupartner bekennen, die Büchsen-der-Pandora-Zweifel auf.
Kenne ich den Typen oder die Tante eigentlich wirklich schon gut genug, um dem ganzen Land die realistische Chance auf eine grosse, hollywoodfilmreife Lovestory zu suggerieren? Gibt es eventuell Abgründe über mein Couple, die ich vor dem letzten Gang nach Canossa (Trash-TV-Ausdruck für "
Im Spätherbst der Staffel erinnert man sich oftmals an die schlechten, weniger aber an die guten Momente der trauten Zweisamkeit. Und man merkt: Ich habe meinen Partner jetzt wochenlang in einer Art Urlaubssituation kennen gelernt, in der es um Party, Tanzen, laszive Spiele und einen Sommer der Obszönitäten ging, aber tiefgründige Gespräche waren eher selten an der Tagesordnung.
Was macht es mit jemandem, der in Kürze seine Überzeugung herausposaunen muss, sein Lover-Pendant sei in jedem Fall der Mensch, mit dem man sich ein Zusammensein für den Rest seines Lebens zumindest mal vorstellen könnte, den man aber eigentlich nur in Badehose oder Bikini kennt?
Yeliz' Vergangenheit
Situationsstabilisierende Kontextgespräche sind daher Hauptbestandteil der Zielgeraden.
Zum Glück fragt er nicht explizit nach allen bisherigen Männern in ihrem Leben, denn die finale Folge "Love Island VIP" ist nur auf 120 Minuten ausgelegt. Die mit allen Flirtwassern gewaschene Reality-Ikone Koc zieht einige Verhaltens-Joker, die sie sich während ihrer jahrelangen Sozialisierung vor laufenden Dauerkameras angeeignet hat.
Beispielsweise die Kunstform des Zeitschindens: "Also die Frage musst du noch mal konkreter stellen!" Eine Gegenfrage, die man sonst nur von
Auch am anderen Ende der Poolromantik wird vorbauend auf die Zeit nach Sendeschluss in der Villa der Wahlverliebten fleissig nach Tiefgründigem gesucht. Sophie Imelmann stellt
In vorauseilender Deeskalations-Strategie gibt der Reality-TV-Berufsgigolo umgehend Einblick in seinen Gefühlshaushalt: "Nein, alles ist genauso, wie ich es wollte!" Das reicht für Hobby-Psychologin Sophie bereits aus, um Yasin den Goldenen Treueschwur am Band zu verleihen: "Da merkt man, dass er sich weiterentwickelt hat!" Ja, na klar. Und
Flirtfuchs Yasin ist aber auf zack und legt mit ein paar richtig persönlichen Zusatzbeichten nach: "Früher wollte ich immer die Bestätigung von vielen 20-jährigen Mädchen, um die fehlende Liebe meines Vaters zu kompensieren. Der war immer nur da, wenn ich Erfolg hatte. Wenn ich keinen hatte, war er nicht da!" Gerührt nickt Sophie den Rest des Abends wissend in die griechische Abendsonne.
Yasin weiss halt, wie man das macht mit den Frauen: "Daran merkt sie auch, dass ich es ernst meine. Sowas vertraut man ja nicht irgendwem an!" Das stimmt. In diesem Fall beispielsweise nur Sophie - und dann noch dem kleinen Rest der Nation, der dabei zusieht.
Letzte Red-Flag-Night
Damit es nicht zu kuschelig wird, unterbricht der Chefdramaturg der RTLzwei-Quotenabteilung das Deep-Talk-Hochdruckgebiet mit einer spontanen Red-Flag-Night. Im Finale ist nur Platz für drei Couples. Ein kurzes Durchzählen im Ferienparadies für Flirtakademiker zeigt schnell: Mit
Die liebestollen Bikiniatoll-Bewohner müssen daher umgehend einem befreundeten Schnulzenpärchen den Laufpass geben. Sophie findet das "unnormal asi". Mag sein, aber was soll ich sagen: The Regelns sind the Regelns.
Es folgt ein abendfüllender Beratungsrückzug der Couples, bei denen es debattenseitig teilweise kontroverser zugeht als beim letzten Meeting zwischen Thomas Tuchel und Lothar Matthäus. Flirtrekordmeister Yasin und seine Teilzeit-Formatgefährtin Sophie entscheiden sich nach langer Abwägungsphase dafür, ihre Red Flag an Patrick und Chiara zu vergeben.
Die Erstverflaggten montieren ihre Red Flag anschliessend bei Gigi und Sandra. Gigi und Sandra wiederum verleihen ihren Ausstiegskatalysator ebenfalls an Patrick, denn: "Ich liebe Chiara, aber ich glaube, wenn Love Island vorbei ist, wird Patrick sich nicht mehr bei ihr melden."
Der nimmt die zweite rote Flagge und die dadurch ziemlich sicher bevorstehende Zwangsdemission aus der Testosteronvilla für beziehungsgestörte Allesanflirter recht locker: "Klingt vielleicht kitschig, aber ich habe 'Love Island' ja schon gewonnen!" Vor Rührung verwandelt sich Chiaras Stimme in eine Art Miss-Piggy-Gedächtnisquietschen.
Ob Gigi hier womöglich falscher lag als damals, als er sich im Dschungelcamp für ein kaltes Stück Pizza anstatt einer Belohnung für das ganze Team entschied? Das lesen wir dann in den kommenden Tagen in den einschlägigen Gossip-Magazinen.
Patt-Situation vor dem Finale
Um die Drama-Situation perfekt zu machen, überreichen Yeliz und Leandro ihre Red Flag an Gigi und Sandra. Damit gibt es eine klassische Patt-Situation. 2:2 zwischen "Gigandra" und "Patara". Eine ganze Nation hält den Atem an. Was wird nun passieren? Steigt "Love Island"-Markenbotschafterin Sylvie Meis wie Dieter Bohlen einst in Modern-Talking-Musikvideos aus einer Rauchwolke aus Trockeneis und verkündet das per Zufallsgenerator identifizierte Rauswurf-Paar?
Die kurzfristig per Handybotschaft nachgereichte Regelwerkkunde ist da eindeutig: Die beiden Paare ohne Red Flag müssen entscheiden, welches Paar gehen muss. Es kommt zu hitzigen Diskussionsstürmen im Wohnzimmer. Yasin, der Vertreter von Team Gigi, gegen Yeliz, die Anwältin von Team Chiara. Als weniger diskursoffene Beiwohner: Sophie und Leandro.
Der Zufall entscheidet
Nach etwa 43 Stunden beratungsintensivem Argumentationsaustausch wissen die vier Entscheider, dass sie nichts wissen. Jedenfalls nicht, wie man in der Frage nach dem letzten Exit vor dem Finale zu einem einstimmigen Ergebnis kommen soll. Darum verkündet Yasin, dass sie sich für eine Glückspiellösung entschieden haben. Im Rausch der Abschiedsgefühle zieht der Liebesgott die Namen Gigi und Sandra. Das Finale bestreiten somit Yasin/Sophie, Chiara/Patrick und Yeliz/Leandro.
Der Finalmorgen beginnt mit einem opulenten Frühstück und einer Lyrik-Performance von Trash-Philosoph Leandro, der prosaisch verkündet: "Jetzt realisiert man sich, dass man im Finale ist!" Selbstrealisierung, immer ein Schritt in die richtige Richtung. Aber reicht das zum Sieg? Lyrik bleibt aber ein starkes Element des ersten Höhepunktes dieser "Love Island VIP"-Staffel: der letzten Folge.
Romantische Liebesbriefe
Die sechs verbliebenen Schwerenöter*innen werden mit Stift und Papier ausgerüstet und aufgefordert, ihrem Loveinterest zum Entscheidungsabend einen hochemotionalen Liebesbrief zu schreiben. Alle machen sich komplett durchmotiviert ans Werk und versuchen, den Rainer Maria Rilke in ihnen zu wecken, oder wenigstens den Richard David Precht. Wen liebe ich - und wenn ja: Wie viele?
Mit ganz anderen Schicksalen hat Romancier Yasin zu kämpfen: "Ich bin weniger der Schreiber, sondern mehr der Poet!" Ein Satz für die Ewigkeit. Da trauert man beinahe darum, dass "Love Island VIP" heute zu Ende geht. Hätte man Yasin mehr Raum für Entfaltung gegeben, könnten wir uns bis Weihnachten noch auf Bonmots wie "Ich bin weniger der Fremdgeher, sondern mehr so der Seitenspringer" freuen.
Was man Yasin allerdings lassen muss: Er zieht seine nichtromantische Ader konsequent durch. Als sich die Paare zum gegenseitigen Vortragen ihrer Liebesbriefe zurückziehen, präsentiert Yasin seiner teilgeschockten Sophie ein leeres Blatt: "Ich habe keinen Bock, mir irgendwas einfallen zu lassen, wie lande ich jetzt am besten oder so!" Aha. Da fragt man sich natürlich: Ist Yasin nebenberuflich Pilot? Oder kann er nicht schreiben?
Vielleicht gar keine schlechte Entscheidung. Die privatlyrischen Ergüsse der Mit-Islander geraten teilweise wie wahllos ausgewählte und dann unbeholfen vorgetragene Einträge aus einigen Tagebüchern 12-jähriger Take-That-Fans aus den 90er-Jahren. Mach dich lyrisch rar und sei der Star, scheint da durchaus eine brauchbare Taktik zu sein.
Die zu Papier gebrachten Liebesschwüre sind dann aber ohnehin schnell vergessen, denn in einer spektakulären Wendung ändert RTLzwei spontan die Finalregeln, lässt alle vor dem Finale ausgeschiedenen Kandidaten vollzählig antreten, um sie zu Königsmachern des Liebesexperiments "Love Island VIP" auszurufen.
Ex-Islander entscheiden
Was für eine Dynamik wird wohl entstehen, wenn die verlassenen, die verschmähten, die ignorierten und die rausgewählten Ex-Bewohner über das Liebeswohl der drei verbliebenen Finalpärchen urteilen?
Der erste Meilenstein der Premiumunterhaltung hat dann allerdings mit der Auswahl eines Sieger-Pärchens wenig zu tun. Melissa Damilia, die mit ihrem Couple Wilson Coenen nur knapp an der Finalteilnahme vorbeigeschrammt ist, lässt eine Bombe platzen. Das "Love Island VIP"-Finale bekommt plötzlich "Sommerhaus der Stars"-Wiedersehensshow-Vibes.
Auf die Frage von Sylvie Meis, ob das Paar Melissa/Wilson auch abseits der Kameras zusammenbleiben wird, verkündet die "Bachelor"-Absolventin: "Es ist schwierig, jemanden kennenzulernen, wenn der ausserhalb jemanden hat, der auf einen wartet!" Fake-Vorwürfe an den Mann mit der Ivan-Perišić-Frisur, die auch von Aurelia Lamprecht umgehend untermauert werden: "Als wir draussen waren, hat er sie komplett ignoriert!"
Der offenbar verbalinflagranti erwischte Wilson ist sichtlich überrascht: "Habt ihr euch jetzt zusammengetan?" Es entspannt sich ein epischer Schlagabtausch zwischen gekränkten Egos und empörten Moralaposteln. Gigi verkündet, Wilson wäre "mit meiner Ex zusammen", Wilson "schwört, dass das nicht stimmt".
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Unglücklicherweise für Gossip-Fans und Boulevard-Redakteurinnen erinnert sich Sylvie Meis an dieser Stelle plötzlich daran, dass es am Finalabend nicht um die schmutzige Wäsche von Ex-Teilnehmern geht, sondern um die Vergabe von 50.000 Euro an das VIP-Liebespaar des Jahres.
Angeleitet von Trash-Dompteurin Sylvie Meis schreiten die 13 vor dem Finale exmatrikulierten "Love Island VIP"-Protagonisten daher schnellstens per Geheimvoting zur Tat und küren Chiara Fröhlich und Patrick Fabian zum Sieger-Couple. Es ist also vollbracht. Der Quotenkeller bei RTLzwei ist ausgeräumt, der Tratschmarkt hat ein paar aussichtsreiche Neuzugänge und die Vorfreude auf die 2025er Staffel "Love Island" steigt.
Bis dahin!
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