Im Interview mit unserer Redaktion sprechen die Magier Andreas und Chris Ehrlich über den "wahrscheinlich grössten Zaubertrick" ihres Lebens. Zudem erklären die Brüder, warum sie ihren Ehrenkodex hierfür ausnahmsweise hinten angestellt und warum sie vor Jahren David Copperfield eine ihrer bekanntesten Illusionen nicht verkauft haben.

Ein Interview

In dem Social-Factual-Format "Magic Moves" (ab 27.11. in der ZDFmediathek) wird in Zusammenarbeit mit dem LMU Klinikum München der Frage nachgegangen, ob das Erlernen von Zaubertricks die motorischen Fähigkeiten von Kindern mit halbseitiger körperlicher Lähmung (Hemiparese) verbessern kann. Begleitet wird das Projekt von den Ehrlich Brothers, die zehn betroffene Kinder zu einem zauberhaften Intensiv-Training eingeladen haben.

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Andreas und Chris, hat Ihnen das Projekt "Magic Moves" gezeigt, dass Sie noch mehr können, als "nur" Illusionen zu präsentieren?

Andreas Ehrlich: Vor diesem Projekt hatten wir uns damit nicht auseinandergesetzt, weil unser Fokus vor allem darauf liegt, auf den Bühnen in den grössten Arenen zu stehen und die Menschen zum Staunen zu bringen. Uns war es immer wichtig, uns klar von Scharlatanen abzugrenzen, die behaupten, mit Magie heilen zu können. Vor diesem Hintergrund liegt uns viel daran, dass dieses Format nicht falsch verstanden wird. Hier geht es darum, durch das Einstudieren von Kunststücken die motorischen Fähigkeiten der Kinder im Rahmen ihrer bestehenden Therapie zu verbessern. Am Ende waren auch wir total beeindruckt davon, was wir mit der Zauberkunst imstande zu leisten sind. Dass Zauberei auch therapeutisch eingesetzt werden kann, mit so tollen Ergebnissen wie bei "Magic Moves", ist wahrscheinlich der "grösste Zaubertrick unseres Lebens".

"Wir wollten die Kinder nicht mit dem Gefühl nach Hause schicken, dass es die Ehrlich Brothers nicht hinbekommen haben"

Es hätte auch schiefgehen können. Wie gross war das Risiko für Sie als bekannte Magier?

Chris Ehrlich: Die Erwartungshaltung war natürlich immens – sowohl bei den Kindern und deren Eltern als auch bei uns selbst. Wir haben ein ganzes Team aus Ärzten, Therapeuten und Wissenschaftlern zusammengetrommelt. Auch die Familien der Kinder waren dabei. Dementsprechend gross war der Druck. Normalerweise bringen wir vor 10.000 Menschen Illusionen auf die Bühne, die wir über Jahre mit unserem Ingenieursteam entwickelt und gebaut haben. "Magic Moves" war dahingehend eine völlig neue Herausforderung für uns, auch wenn wir uns im Vorfeld intensiv mit den Kindern auseinandergesetzt haben. Wir wussten zum Beispiel, mit welcher Hand die jeweiligen Kinder Probleme hatten. Die Gefahr zu scheitern, war für uns dennoch real.

Andreas Ehrlich: Jedes Kind ist individuell zu betrachten. Und natürlich wollten wir keines dieser Kinder mit dem Gefühl nach Hause schicken, dass es nicht geklappt hat und die Ehrlich Brothers es nicht hinbekommen haben. Daher war es uns wichtig, den Kindern, die im Leben ohnehin benachteiligt sind, weil sie zum Teil gemobbt werden, eine gehörige Portion Selbstbewusstsein mitzugeben. Aus diesem Grund haben wir Kunststücke ausgewählt, bei denen von vornherein klar war, dass die Kinder, wenn sie die Tricks einmal draufhaben, etwas zeigen können, was andere Kinder nicht können.

Hat der "grösste Zaubertrick Ihres Lebens" denn schlussendlich funktioniert?

Chris Ehrlich: Ohne zu viel zu verraten: Selbst die Ärzte und Therapeutinnen sind vom Glauben abgefallen. Bereiche im Gehirn, die vorher nicht angesprochen worden sind, konnten mit Zauberei tatsächlich wieder getriggert werden.

Andreas Ehrlich: Die Kinder haben eine riesige Motivation entwickelt. Das Konzept ist auch insofern aufgegangen, als die Kinder irgendwann fast gar nicht mehr gemerkt haben, wie intensiv und häufig sie ihre erkrankte Hand eingesetzt haben. Anders als in Therapieform war es keine Arbeit, sondern Mittel zum Zweck, diesen coolen Zaubertrick zu können, aufzuführen und Applaus zu bekommen.
Chris Ehrlich: Dem Ganzen liegt eine Parallele zwischen der Zauberei und der klassischen Ergotherapie zugrunde. Der gemeinsame Nenner ist der motorische Einsatz der Hände. Das Projekt wurde im Übrigen mit einer wissenschaftlichen Studie begleitet. Insofern ist "Trick" vielleicht nicht ganz der richtige Begriff, dennoch spielte Magie eine Rolle.

Ehrlich Brothers ganz ehrlich: "Die Kinder haben uns schon einen Spiegel vorgehalten"

Sie haben den Kindern Zaubertricks beigebracht. Aber was konnten Sie beide von den Kindern lernen?

Andreas Ehrlich: Ich habe gelernt, dass Kinder, wenn sie motiviert sind, sehr unverkrampft an Dinge herangehen. In dem Moment denken sie unkonventionell und finden zum Teil auch eigene Wege. Vielleicht gehen wir als Erwachsene manchmal zu verkopft an bestimmte Dinge heran. Vertrau dir selbst!

Chris Ehrlich: Wir nehmen das mit als bleibende Inspiration. Die Kinder haben uns schon einen Spiegel vorgehalten. Wenn man an seine Ziele oder Träume glaubt, wird sich vermutlich irgendeine Möglichkeit ergeben. Man muss sie nur beim Schopfe packen und auch ein bisschen was dafür in die Waagschale werfen.

Magier verraten bekanntlich nie ihre Tricks. Haben Sie für die Kinder eine Ausnahme gemacht?

Andreas Ehrlich: In diesem Fall schon. Denn wir waren ja bei dem Projekt dabei, um den Kindern Zauberkunststücke beizubringen.Wir haben immer erst ein Kunststück aufgeführt, das grosses Erstaunen hervorrief. Danach haben wir den Kindern gesagt, dass sie das am Ende des Camps genauso können werden. Diese Mischung aus Neugierde und Vorfreude hat massgeblich dazu beigetragen, dass die Kinder über sich hinausgewachsen sind.

Chris Ehrlich: Das stimmt. Trotzdem gab es einen "Geheimnis-Vertrag". Wir haben unseren Ehrenkodex zwar hinten angestellt, indem wir den Kindern einige Zaubertricks verraten haben, aber es war schliesslich zum guten Zweck. Ausserdem muss ja irgendjemand in 20 Jahren "The Next Ehrlich Brothers" werden (lacht).

Haben Sie sich im Kindesalter immer an die Maxime gehalten, keine Tricks zu verraten?

Chris Ehrlich: Zunächst einmal lebt die Zauberei vom Geheimnis. Und die Illusionswelt lebt von der Neugierde. Es wäre schon doof, wenn wir vor 10.000 Menschen auftreten würden und alle wüssten bereits, wie der Trick funktioniert.

Andreas Ehrlich: In unserer Kindheit mussten wir uns die Tricks und Geheimnisse erst einmal beschaffen und aneignen. Vor 30, 40 Jahren war das nicht ganz so einfach. Es kann sein, dass das Geheimnis damals auch noch mehr wert war, weil man viel schwieriger da dran gekommen ist. Heute wird im Internet sehr viel erklärt, oft auch falsch, und gespoilert. In der Zauberkunst geht es heutzutage eher darum, Menschen zu begeistern und zum Staunen zu bringen. Dieses Gefühl ist den Zuschauern oft wichtiger als zu erfahren, wie ein Trick funktioniert. Letztlich leben wir in einer digitalen Welt, in der die Momente des Staunens sehr rar geworden sind.

Wie lange dauert es, einen grossen Zaubertrick zu entwickeln?

Chris Ehrlich: Bei technisch anspruchsvollen Illusionen zum Teil bis zu drei, vier Jahren – zum Beispiel, wenn wir über die Bühne fliegen oder wenn ein 10.000 Tonnen schwerer Monstertruck mit einem Schnipsen erscheint. Wir gehen an jede Illusion individuell ran – so wie ein Songwriter an einen neuen Song.

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Im Rahmen Ihrer "Diamonds"-Tour präsentieren Sie die besten Illusionen aus zehn Jahren Ehrlich Brothers "on Tour". Welches ist die bisher beste Illusion Ihrer Karriere?

Chris Ehrlich: Der Tourname "Diamonds" basiert natürlich auf den Diamanten, die über zehn Jahre geschliffen worden sind. Zu den Highlights der Tour gehört, dass wir nicht nur den erwähnten Monstertruck erscheinen lassen, sondern auch Bahnschienen aus Stahl verbiegen und einen Schneesturm in der Arena entfachen werden.

Andreas Ehrlich: Wir beide haben unsere jeweiligen Wunschlisten niedergeschrieben und auch unsere Fans befragt. Das Ergebnis ist "Diamonds".

Chris Ehrlich: Eine Lieblingsillusion unserer Fans ist der Orangenbaum, der 2016 uraufgeführt worden ist. Aus dem Kern erwächst innerhalb von wenigen Sekunden auf der Bühne ein grosser Baum. Diese Illusion wollte uns David Copperfield damals abkaufen.

Warum hat Copperfield den "Orangenbaum" nicht bekommen?

Andreas Ehrlich: Weil unser Papa gesagt hat: "Wenn die Illusion so gut ist, dass David Copperfield sie aufführen möchte, dann müsst ihr sie zeigen." Das hat bei uns tatsächlich zu einem Umdenken und letztendlich auch zu mehr Selbstbewusstsein geführt. Wir haben von ihm gelernt, dass wir das Schicksal mehr in unsere eigenen Hände nehmen müssen.

Und jetzt zum Abschluss bitte keine Tricks. Mal ehrlich, liebe Ehrlich Brothers: Wer von Ihnen beiden ist emotionaler?

Andreas Ehrlich: Ich.

Chris Ehrlich: Ich würde sagen: In den meisten Themen Andreas.

Wer ist stressresistenter?

Chris Ehrlich: In den meisten Themen ich.

Wer ist lustiger?

Chris Ehrlich: Fifty-fifty. Er macht mehr Gags, ich die besseren.

Andres Ehrlich: Glauben Sie ihm kein Wort (lacht).

Und wer ist der ehrlichere Ehrlich Brother?

Andreas Ehrlich: Beide.

Chris Ehrlich: Absolut, da sind wir auf Augenhöhe. Wir werden häufig nach dem Geheimnis unseres Erfolges gefragt. Ein wichtiger Baustein, wenn man jahrzehntelang das Hobby, den Beruf und die Familie teilt, ist, dass man einander vertrauen können muss. Und das können wir.

Über die Gesprächspartner:

  • Die Ehrlich Brothers sind ein deutsches Magier-Duo. Die in Herford geborenen Brüder Andreas (46) und Chris (42) sind offizielle RID-Weltrekordhalter. Ausgezeichnet wurden sie unter anderem für eine Show in Düsseldorf (2019), die von 40.211 Zuschauenden besucht worden war. Aktuell stehen die Ehrlich Brothers mit ihrem Programm "Diamonds" auf der Bühne. Ab Ende November sind sie mit dem ZDF-Format "Magic Moves" im TV und in der Mediathek zu sehen.
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