Aufklärung und Fernsehen, das hat eine lange Tradition. Doch seit geraumer Zeit ist das Aufklärungs-TV in der Hand des Privatfernsehens und das mit zweifelhafter Qualität. Gut, dass das ZDF mit "Make Love – Liebe machen kann man lernen" dem Genre das Schmuddel-Image austreibt. Thema diesmal: Sex ohne Leistungsdruck.
Ja, mit der sexuellen Aufklärung ist das so eine Sache. Wie spricht man über etwas, das alle tun, über das aber nicht alle sprechen wollen, obwohl man mehr darüber sprechen sollte, weil es eben alle tun? Nicht ganz einfach. Die meisten dürften mit sexueller Aufklärung daher albernes Gekicher, peinliche Gespräche mit den Eltern und verstohlenes Blättern auf den Doktor-Sommer-Seiten der "Bravo" verbinden. Doch so peinlich die persönliche Aufklärung auch bei jedem gewesen sein mag, am Ende hat dann doch jeder gewusst, was wo rein kommt und zu welchem Zweck.
Daran hat sich auch relativ wenig geändert, die Grundkonstellation beim Geschlechtsverkehr ist ja seit einigen tausend Jahren weitgehend die gleiche geblieben. Nur das Drumherum hat sich geändert. Und da man beim ZDF seinen Bildungsauftrag offenbar ernst nimmt, kümmern sich die Mainzer seit gestern Abend nun auch um dieses Drumherum. "Make Love – Liebe machen kann man lernen" heisst die Doku-Reihe, die sich gestern dem Thema Leistungsdruck beim Sex widmete.
"Popo-Sex-Unterricht im ZDF"
Wer sich jedoch die mediale Berichterstattung zu dieser Doku im Vorfeld angesehen hat, der musste mitunter vermuten, dass sich das Niveau von "Make Love" nicht weit weg bewegt vom Gekicher pubertierender Teenager. So schrieb Nicole Richter von bild.de: "Popo-Sex-Unterricht im ZDF!" und man konnte sich schon vorstellen, wie die "Bild"-Redakteure vor ihren Bildschirmen aufgeregt tuschelten: "Hihi, die Nicole hat Popo-Sex geschrieben!"
Doch beim ZDF sieht man das Thema etwas erwachsener und um "Popo-Sex" geht es bei "Make Love" wenn, dann überhaupt nur am Rande. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie man mit Stress und Leistungsdruck beim Sex umgeht. Dazu hat die Sexologin (Ja, diesen Beruf gibt es wirklich) Ann-Marlene Henning ein Paar aus dem bayerischen Gräfelfing begleitet. Bei Daniela und Fritz läuft es sexuell nicht so recht, selbst wenn sie im Alltagsstress einmal Zeit füreinander finden.
Ob der Weg, seinen sexuellen Leistungsdruck zu mindern, indem man diesen in einer Fernsehsendung in aller Öffentlichkeit thematisiert, der beste ist, bleibt jedem selbst überlassen. Daniela und Fritz aber machen nicht den Eindruck, als wäre ihnen das Risiko ihrer Entscheidung nicht bewusst. Das kennt man aus anderen Formaten ganz anders.
"Make Love" ist keine Kicher-Veranstaltung
Sexologin Henning jedenfalls führt mit den beiden Einzel- und Gruppengespräche, erklärt, schlägt vor, gibt Tipps, zeigt Anschauungsfilmchen, rattert Statistiken über die Befindlichkeiten beim Sex herunter und lässt Laien und Wissenschaftler zu Wort kommen. Alles höchst seriös, respekt- und humorvoll und betont unaufgeregt. Nein, eine pubertierende Kicher-Veranstaltung ist "Make Love" mit Sicherheit nicht.
Dass die Aufklärung bei dieser Aufklärungsdoku allerdings nicht ganz so gross ist, liegt vor allem daran, dass sich die Sendung doch arg um das Pärchen dreht. Natürlich hat in unserer Hochleistungsgesellschaft jeder Stress. Und die vielen Infos, die der Zuschauer bei "Make Love" bekommt, sind sicher sehr interessant. Aber was für Daniela und Fritz gilt, kann bei Hubert und Claudia ganz anders aussehen und bei Sabine und Wolfgang erst recht. Die Sendung als Ersatz für eine individuelle Paar-Therapie zu nehmen, wäre also nur bedingt anzuraten.
Dennoch: Das ZDF hat sich allergrösste Mühe gegeben, eine ebenso unterhaltsame wie seriöse Ratgeber-Doku zu produzieren. Man mag sich gar nicht vorstellen, was RTL aus dem Stoff gemacht hätte. Der Titel wäre dann wahrscheinlich "Die 10 spektakulärsten Sex-Probleme der Deutschen" gewesen, Sonja Zietlow hätte moderiert und in kleinen Einspielern hätte irgendjemand von der Kelly Family Sex-Anekdoten zum Besten geben müssen. Wie gesagt, das mit der Aufklärung ist so eine Sache. Sind wir froh, dass sich das ZDF darum gekümmert hat.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.