Mario Barth hat gestern Abend wieder sein virtuelles Superhelden-Kostüm übergezogen und die Steuergeldverschwender der Republik das Fürchten gelehrt. In deutschen Amtsstuben, so der Barthsche Tenor, sitzen nämlich nur unfähige Bürokraten. Zeit also, dass endlich einmal einer was tut. Mag sein, aber bitte nicht so.
Mario Barth deckt also wieder einmal auf. Entschuldigung, es müsste heissen:
Und was hat der Mario Barth nicht wieder alles aufgedeckt! 25 Fälle grober Geldverschwendung in zwei Stunden. Zieht man einmal eine gute halbe Stunde Werbung und wirklich konservativ gerechnete 15 Minuten Kalauer ab, die nur der Einleitung dienen, dann sind das 25 Fälle in 75 Minuten. Das bedeutet umgerechnet drei Minuten pro Beitrag. Drei Minuten, in denen der Sachverhalt dargestellt und Hintergrundinformationen vermittelt werden müssten, Zeugen zu Wort kommen sollten, ebenso wie Kritiker, Sachverständige, Geschädigte, mögliche Profiteure und natürlich die vermeintlichen Geldverschwender selbst. Also alles, was eben so zu einer seriösen Recherche gehört. Ist Mario Barth also ein investigativer Tausendsassa, dass er all das in drei Minuten unterbringt?
Recherche? Nee, lieber nicht
Nein, ist er natürlich nicht und genau das ist das Problem. Mario Barth ist und bleibt in erster Linie ein Komiker. Selbst RTL bezeichnet seine Sendung als "investigative Comedy-Show" und nicht etwa als "komödiantische Investigativ-Doku". Comedy, das kann Mario Barth, ob man seinen Sinn für Humor nun teilt oder nicht. Investigativ, das kann er leider nicht. Denn zu investigativ gehört nun einmal eine ausgewogene Recherche, aber damit hat Barth auch nach zweieinhalb Jahren "Mario Barth deckt auf!" nichts am Hut.
Stattdessen folgt die Darstellung seiner Geldverschwendungen weitgehend dem gleichen Muster: Da wird in ironisch süffisanter Tonart der Fall geschildert und ein empörter Bürger oder Kritiker darf ebenjene Empörung oder Kritik äussern. Am Ende steht dann stets eine Summe, die "die da oben" "dem kleinen Mann da unten" aus der Tasche ziehen. Ob die Geldverschwendung denn wirklich so stimmt oder nicht, spielt keine Rolle, ebenso wenig die Meinung der angeblichen Geldverschwender, denn nach der wird in der Regel gar nicht gefragt. Hauptsache, es passt alles in das Barthsche Bild vom bösen Staat und seinen Bürokraten.
Steuerverschwendung aufdecken? Ja. So? Nein
Um Missverständnisse zu vermeiden: Natürlich gibt es Fälle von Steuergeldverschwendung und wahrscheinlich nicht wenige. Und die gehören tatsächlich aufgedeckt. Gerne auch im Fernsehen und mit der grösstmöglichen Aufmerksamkeit. Aber wollen wir das wirklich Mario Barth überlassen? In einer Comedy-Show? Mit Ingo Appelt als Hilfssheriff? In einer Show, in der es vor allem um die nächstbeste Pointe geht? Alles irgendwie ernst gemeint, am Ende aber doch nur ein Witz.
So weit so harmlos, das könnte man noch irgendwie durchgehen lassen. Wäre da nicht Barths Attitüde, sich als Retter des kleinen Mannes aufzuspielen, indem er dem Heer der steuerzahlenden Opfer das Bild eines unfähigen und verschwenderischen Staates gegenüberstellt. Damit betreibt er keine sachliche Aufklärung, sondern holt sich nur den Applaus all der Denkzettelwähler und Dauerempörten ab, die auf die Schnelle den Frust in ihren Wutbürgerlungen abhusten wollen. Bei denen die Schuld immer bei denen da oben liegt.
"Das Land der Behörden und Bürokraten"
Bei Barth klingt das dann so: "Das sind Politiker teilweise. Die haben vier Jahre Zeit ihre Schäfchen ins Trockene zu bekommen", leitet Barth etwa Einspielerfilmchen über vermeintlichen Behördenwahnsinn ein. Und Rechtsanwalt Franz Obst, der sich dieser Fälle für Barth annehmen soll, bläst ins gleiche Horn: "Deutschland, das Land der Dichter und Denker. Von wegen! Das Land der Behörden und Bürokraten."
Mit genau solchen Aussagen fischen Barth und seine Gäste im Wasser all derer, die den Staat ohnehin nur für eine Bande Geldverschwender halten, gegen die der kleine Mann nur etwas mit Mario Barths Hilfe erreichen kann – wenn überhaupt. Viele werden zustimmen: Ja richtig, die da oben schmeissen nur unser Geld zum Fenster raus. Recht hat er, der Barth. Endlich sagt das mal einer und tut was. Wer was gegen Barth sagt, steckt doch mit denen unter einer Decke. Der kann den Barth halt einfach nicht leiden. Soll doch erst einmal leisten, was der Barth geleistet hat. Vier Millionen Zuschauer und das Olympiastadion voll. Sind doch nicht alle blöd. Ausrufezeichen!
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